Das Karussell der Jahrestage dreht sich weiter und stoppt dieses Mal beim 17. Juni 1953 – 70 Jahre Volksaufstand in der DDR. Bei aller Kritik, die an den wiederkehrenden Aufmerksamkeitsspiralen geübt werden kann, bleibt die Beschäftigung mit historischen Jubiläen für die historisch-politische Bildung doch gewinnbringend: Mit zunehmendem Abstand verändern sich die Narrative über den 17. Juni ebenso wie die Fragen, die er aufwirft. Zudem liegen neue wissenschaftliche Arbeiten vor und erinnerungskulturelle Aspekte spielen eine immer stärkere Rolle.
Nur noch wenige Zeitzeugen können mit ihren Erinnerungen aus Jugend und Kindheit aus einer persönlichen Perspektive über den Verlauf des Volksaufstandes berichten. Diese Zeitzeugenschaft und Erzählungen von mutigem Protest und Zivilcourage zu sichern und die individuellen Handlungsspielräume der Akteurinnen und Akteure zu verdeutlichen, ist ein wichtiges Ziel im Jubiläumsjahr.
Aus diesem Anlass hat die Bundesstiftung Aufarbeitung einen inhaltlichen Schwerpunkt auf „Protest und Aufstände gegen autoritäre Herrschaft und Diktaturen“ gesetzt, womit eine breite Auseinandersetzung mit Aufständen in Ostmitteleuropa auch im internationalen Vergleich befördert werden soll. Die Förderlinie möchte zu einer bundesweiten Beschäftigung in gesamtdeutscher Perspektive mit dem 17. Juni sowie mit unterschiedlichen Protesten und Aufständen in (kommunistischen) Diktaturen weltweit anregen und dazu beitragen, Repressionsmechanismen aufzuzeigen.
Der Volksaufstand in der DDR mit über einer Million beteiligter Menschen kann zwar als Auftakt oder Initialzündung von Widerstand gegen das SED-Regime im Nachkriegsdeutschland gesehen werden, aber er war bei weitem nicht der einzige Aufstand gegen kommunistische Herrschaft. Deutlich wird dies, wenn wir nach Ungarn, in die Tschechoslowakei oder nach Polen schauen. Eine vergleichende Protestgeschichte, die über den nationalen Rahmen hinausreicht und gleichzeitig stark gegenwartsbezogen agiert, kann einerseits dazu beitragen, strukturelle Unterschiede und Ähnlichkeiten bei Protestzielen und -formen sowie bezüglich der politischen Voraussetzungen herauszuarbeiten und andererseits zum Verständnis heutiger Problemlagen beitragen. Zwar ergibt sich die Relevanz des historischen Gegenstandes nicht per se aus einer Verknüpfung mit Gegenwart und Zukunft; allerdings ist ein solcher Vermittlungsansatz aus geschichtsdidaktischer Perspektive mehr als sinnvoll, um gerade Jugendliche mit ihrem Erfahrungshorizont einzubinden.
In einer Zeit, die von vielen als krisenhaft und unsicher wahrgenommen wird, rückt die Verteidigung von Frieden sowie von Menschen- und Freiheitsrechten stärker in den Fokus. Teils unter Einsatz ihres Lebens protestieren vielerorts junge Menschen für die Durchsetzung oder den Erhalt dieser Freiheiten und für demokratische Grundrechte. Die Bundesstiftung Aufarbeitung möchte dazu anregen, die aktuellen Bewegungen in Bezug zu den historischen Protesten zu setzen, um so Quer- und Längsschnitte durch die Protestgeschichte zu ermöglichen.
Im Hinblick auf den 17. Juni 1953 bietet das vorliegende LaG-Magazin dafür mit vielfältigen Beiträgen hervorragende Anknüpfungspunkte sowie Anregungen für Lehrkräfte und Bildungsakteure. Das Magazin leistet somit einen Beitrag zu einer reflektierten Analyse des 17. Junis, der mit ihm verbundenen Narrative und wissenschaftlichen Erkenntnisse.