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Ort/Bundesland: Berlin |
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Lore Kleiber Am Großen Wannsee 56-58 D-14109 Berlin Tel.:+49 (0) 30 80 50 01 36 Fax:+49 (0) 30 80 50 01 27 http://www.ghwk.de |
Die Gruppe von 18 Auszubildenden (16 weibliche und 2 männliche Jugendliche) im zweiten Ausbildungsjahr besuchte die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Begleitung ihrer Sozialkundelehrerin in der Mehrzahl zum ersten Male. Nachdem sich in der Vergangenheit häufiger Klassen mit Auszubildenden derselben Schule zu Führungen durch die ständige Ausstellung angemeldet hatten, war dies der erste Studientag für diese Zielgruppe.
Die Auszubildenden des Friseurhandwerks verstehen sich nicht mehr als Schüler, sondern als Berufstätige. Sie sind einem erheblichen Arbeitsdruck ausgesetzt. Das Themenfeld Politik/Geschichte des theoretischen Teils ihrer Ausbildung erscheint ihnen nicht wichtig, zumal in dem Berufsschulfach Sozialkunde kein prüfungsrelevanter Stoff vermittelt wird. Die Jugendlichen trauten sich zunächst nicht zu, sich mit einem historischen Thema auseinander zu setzen und hatten außerdem Schwierigkeiten, sich in Arbeitsgruppen zu organisieren.
Es war deshalb bereits bei den Vorüberlegungen für dieses Projekt klar, dass nur durch anschauliches Material Interesse und Eigeninitiative zu wecken seien. Dementsprechend fiel die Wahl für die zu bearbeitenden Dokumente und Medien aus.
Zu Beginn des Studientages wurde festgestellt, welche Vorkenntnisse bei den Auszubildenden vorhanden waren und welche anderen Gedenkorte sie schon kennen gelernt hatten. Spontan berichtete ein Auszubildender so intensiv von seinem Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz, dass die Klasse die Lehrerin bat, sie möge für alle eine derartige Fahrt organisieren. Im Anschluss daran erarbeitete die Gruppe die Inhalte der ständigen Ausstellung unter folgenden Aspekten:
Die Projektion negativer körperlicher Merkmale auf Juden, die Kennzeichnung von Juden mit dem Stern, später die Tätowierung der KZ-Häftlinge mit einer Nummer interpretieren wir heute retrospektiv als schrittweisen Prozess zur Aufhebung der Unversehrtheit des Körpers und als Vorstufen der physischen Vernichtung. Die Bedeutung der Fotos als Medium der Propaganda, die die Stigmatisierung von Juden als Fremdkörper im "Volkskörper" vorantrieb, wurde während des Ausstellungsrundgangs thematisiert.
Nach einer Pause sahen alle gemeinsam einen Ausschnitt aus Claude Lanzmanns Film "Shoah", das Interview mit einem Friseur, der das Todeslager Treblinka überlebte und der sich in seinem heutigen Friseurgeschäft in Israel während der Arbeit erinnert, wie er in Treblinka den Frauen vor dem Eintritt in die Gaskammer die Haare abschneiden musste.
Der Filmausschnitt lässt kaum emotionale Distanzierung zu: Er zeigt insbesondere die Schwierigkeiten des Überlebenden, von den aufsteigenden Bildern auch noch nach Jahren überwältigt zu werden, so dass ihm die Sprache versagt. Der Film stellt den Beruf des Friseurs in einen gänzlich anderen, bisher für die Auszubildenden nicht vorstellbar gewesenen Zusammenhang. Die Jugendlichen stellten im Anschluss detaillierte Fragen nach dem Mordprozess in den Vernichtungslagern und der Verwertung des menschlichen Körpers, insbesondere der Menschenhaare.
Mit verschiedenen Overhead-Folien aus dem Bereich der NS-Produktwerbung wurde die Überleitung zum Thema "ästhetische Normensetzung und Rassismus" in der NS-Zeit erarbeitet.
Anschließend befassten sich die Arbeitsgruppen vertiefend mit dem Thema "Nationalsozialistische Körperästhetik und Rollenbilder von Mann und Frau". Die Bedeutung des Körpers, der Haare, des Aussehens für die Bewertung eines Menschen, seine Anerkennung und die Zuteilung von Lebenschancen in der Gesellschaft wurden über Werbeannoncen aus verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften unterschiedlicher Jahrgänge der NS-Zeit interpretiert. Der Kontext und die Bedeutung der Quelle mit ihrer jeweils anvisierten Zielgruppe wurde geklärt.
Da eine lange Lesephase die Kleingruppen eher ermüdet hätte, wurde vorgeschlagen, das ausgegebene Material zu sichten, auch die bereitgestellten Bücher nach weiteren Fotos und Abbildungen durchzublättern und auf großformatigem Papier Collagen herzustellen. Ergänzt wurden die historischen Materialien durch heutige Werbeprospekte, deren Abbildungen unter folgenden Aspekten miteinander verglichen werden sollten:
In einem abschließenden Plenum stellten die drei Arbeitsgruppen ihre Collagen vor. Die Ergebnisse waren ganz unterschiedlich akzentuiert:
In der Bilanz war die Gruppe von ihrer eigenen Leistung überrascht. Die Ergebnisse waren auch formal gut gelungen. Die Gruppe beschloss, die Collagen in der Schule auszustellen.