In vielen Kriegen benötigen Friedensbemühungen zahlreiche Anläufe, bis sie das Ziel eines allseits eingehaltenen Friedensabkommens oder Waffenstillstands erreichen. In einem großen Teil der Konflikte scheitern sie bis zuletzt; hier endet der Krieg mit dem militärischen Sieg einer Seite. Dieser Beitrag fasst zusammen, woran Versuche scheitern können, Konfliktparteien zur Annahme eines Friedens- oder Waffenstillstandsabkommens zu bewegen. Es handelt sich um die Kurzversion einer detaillierteren Darlegung von Hindernissen auf dem Weg zu einem Friedensschluss (Gromes 2020).
Einige Versuche, Frieden zu schaffen, scheitern daran, dass sie nicht alle kriegführenden Parteien einbeziehen. Die ausgeschlossene Konfliktpartei fühlt sich an die Übereinkunft der anderen Beteiligten nicht gebunden und kämpft weiter. Aus dem Problem der Exklusion folgt für Vermittelnde das Gebot der Inklusion. Allerdings setzt eine solche Einbeziehung voraus, vorab alle wesentlichen Kräfte zu identifizieren. Gerade in frühen Phasen eines innerstaatlichen Konflikts und bei Guerilla-Kriegen kann das schwer fallen. Einen nicht-staatlichen Akteur in Friedensgespräche einzubeziehen, verschafft ihm Anerkennung und wertet ihn auf. Ein inklusiver Ansatz kann so Gewaltakteure stärken.
Thorsten Gromes (rechts) mit Volker Jakoby und Heike Dörrenbächer auf dem Podium. © Danny Chahbouni
Ein Friedensabkommen oder bereits ein Verhandlungsprozess bleibt aus, wenn es an Unterhändlerinnen und Unterhändlern fehlt, die einem doppelten Anspruch genügen: Sie werden von der Gegenseite als Verhandlungspartnerinnen und -partner akzeptiert und stehen im Ruf, die Zustimmung der eigenen Reihen zur etwaigen Übereinkunft zu gewährleisten (Zartman 1995: 18–19, 23). In vielen Bürgerkriegen kommen Verhandlungen lange Zeit gar nicht erst zustande, weil Regierungen Aufständische durch Gespräche nicht aufwerten wollen oder sie als Terroristinnen und Terroristen bezeichnen, mit denen man nicht verhandeln dürfe. Finden dennoch Friedensgespräche statt, scheitern diese oft daran, dass Abgesandte in der eigenen Konfliktpartei nicht genug Einfluss besitzen, um einem Abkommen die erforderliche Unterstützung zu verschaffen.
Eine Konfliktpartei lehnt einen Friedensplan ab, falls dieser sie relativ zur gegebenen oder erwarteten militärischen Lage schlechter stellt und von Vermittelnden in Aussicht gestellte Anreize oder Sanktionen diese Diskrepanz nicht ausgleichen. Wenn Friedenspläne an ihrer zu großen Abweichung vom Kräfteverhältnis scheitern, dann scheint es auf den ersten Blick geboten, Friedenspläne strikt der gegebenen militärischen Lage anzupassen. Das jedoch wäre eine zu pauschale Folgerung, die Aggression belohnen und Anreize für weitere Gewalt setzen könnte.
Erwartungen hinsichtlich des künftigen Kräfteverhältnisses prägen die Abwägung, den Krieg fortzusetzen oder einen Friedensplan anzunehmen. Das Ob und Wie einer militärischen Intervention spielt dabei eine wichtige Rolle. In einigen Fällen setzt eine deutlich unterlegene Kriegspartei den Kampf fort oder nimmt ihn sogar erst auf, weil sie auf eine militärische Intervention hofft, welche die Situation zu ihrem Vorteil verändern könnte (Kuperman 2008).
Viele Friedensbemühungen leiden an der Uneinigkeit externer Mächte. Diese Differenzen lassen die Konfliktparteien daran zweifeln, ob die an einen Regelungsversuch gekoppelten Versprechen oder Drohungen überhaupt umgesetzt werden. Auch die Annahme, die externen Akteure gegeneinander ausspielen zu können, kann eine Konfliktpartei weiterkämpfen lassen.
Selbst bei gutem Willen zur friedlichen Regelung, bei anerkannten und durchsetzungsfähigen Unterhändlerinnen und Unterhändlern sowie einem gefundenen politischen Kompromiss kann die Unterzeichnung oder Umsetzung eines Friedensabkommens ausbleiben. Kriege dauern an, weil die Konfliktparteien einander nicht glaubhaft machen können, ihren Verpflichtungen aus der Übereinkunft auch nachzukommen. Beide Seiten wissen, viel zu riskieren, wenn sie selbst das Abkommen befolgen, ihr Feind aber nicht (Walter 2002: 20–21). Die Forschung diskutiert dieses Hindernis als „Verpflichtungsproblem“ (Fearon 1995: 401–406).
In Konflikten mit vielen Beteiligten fällt es schwerer, einen ausgehandelten Weg aus dem Krieg zu finden, als bei nur zwei Konfliktparteien. Hier tritt es seltener ein, dass alle Seiten gleichzeitig bereit sind, Frieden auszuhandeln. Zudem lassen sich Kompromisse umso schwieriger vereinbaren, je mehr verschiedene Anliegen sie berücksichtigen müssen (Cunningham 2006: 879, 886). Auch fällt es externen Akteuren bei mehr Konfliktparteien schwerer, ihre Friedensbemühungen aufeinander abzustimmen.
„Blutdiamanten“ haben den Ökonomien von Bürgerkriegen auch jenseits des Fachpublikums Aufmerksamkeit verschafft. Der Handel mit natürlichen Ressourcen wie Edelsteinen, Rohöl, Gas oder Metallen kann den Führungen von Konfliktparteien so große Einkünfte verschaffen, dass ihnen das Fortdauern des Krieges profitabler erscheint als ein Frieden, der ihre Verfügungsgewalt über diese Ressourcen womöglich einschränkt (Lujala 2016: 126).
Kriegsbeteiligten wird oft attestiert, nicht rational zu handeln. Weil sie die politischen Ziele und Mittel einer Konfliktpartei für verwerflich halten, deren Opferbereitschaft nicht nachvollziehen können oder ein Scheitern der Kriegspolitik wahrnehmen, halten Außenstehende die Kriegspartei für einen nicht rational agierenden Akteur. Die genannten Punkte reichen aber nicht, um rationale Kalküle auszuschließen. Dennoch lässt sich zumindest für einige Fälle plausibel machen, dass eine Konfliktpartei nicht durchweg rational handelt (Gromes 2018). Für Versuche, Frieden zu schaffen, ist das insofern problematisch, als deren Instrumente rational agierende Konfliktparteien voraussetzen.
Blick ins Publikum. © Jens Schubert
Die skizzierten Hindernisse eines ausgehandelten Kriegsendes treten oft nicht isoliert, sondern kombiniert auf. Auch verteilen sie sich nicht gleichmäßig über die Kriege. So lässt sich das Verpflichtungsproblem sehr häufig beobachten. Von der gegebenen oder erwarteten militärischen Lage abweichende Friedenspläne bilden ebenfalls keine Ausnahme. Das Problem der Unterhändlerinnen und Unterhändler stellt sich vor allem in innerstaatlichen Konflikten. Multipolare Konflikte machen offenkundig nur eine Teilmenge aller Kriege aus, und nur in einem Teil der Konflikte besteht eine Aussicht auf militärische Intervention. Unbekannt ist, welchen Anteil nicht rationale Entscheidungen an scheiternden Friedensbemühungen haben.
Literatur
Fearon, James D.: Rationalist explanations for war, in: International Organization, Jg. 49 (1995), H. 3, S. 379–414.
Gromes, Thorsten: Grenzen rationalistischer Erklärungen für Krieg. Der Kollaps des Waffenstillstands in Kroatien 1995, PRIF Report 12/2018, URL: www.hsfk.de/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif1218.pdf [14.8.2023].
Gromes, Thorsten: Hindernisse auf dem Weg zu Friedensschlüssen in Bürgerkriegen, PRIF Report 3/2020, URL: www.hsfk.de/fileadmin/HSFK/hsfk_publikationen/prif0320.pdf [14.8.2023].
Kuperman, Alan J.: The Moral Hazard of Humanitarian Intervention. Lessons from the Balkans, in: International Studies Quarterly, Jg. 52 (2008), H. 1, S. 49–80.
Lujala, Päivi: Valuable natural resources, in: Newman, Edward/DeRouen, Karl (Hrsg.): Routledge Handbook of Civil Wars, London und New York 2016, S. 119–130.
Walter, Barbara F.: Committing to Peace. The Successful Settlement of Civil Wars, Princeton und Oxford 2002.
Zartman, I. William (Hrsg.): Elusive Peace. Negotiating an End to Civil Wars, Washington, D.C. 1995.