Die Gedenkstätte in der vormaligen Haftanstalt Magdeburg-Neustadt erinnert an Menschen, die hier und im Gefängnis Magdeburg-Sudenburg ab 1945 aufgrund politisch motivierter Verfolgung ihrer Freiheit beraubt wurden: zunächst durch die sowjetische Besatzungsmacht, dann durch ostdeutsche Justiz, Deutsche Volkspolizei und das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS). Gleichzeitig ist sie ein Ort der Erinnerung an jene Personen, die hier in der nationalsozialistischen Diktatur von Justiz und Gestapo inhaftiert wurden.
Der im Norden Magdeburgs gelegene rote Backsteinbau wurde 1876 als Amtsgericht und Gefängnis mit 100 Haftplätzen gebaut. Ab 1940 diente der Gebäudekomplex dann ausschließlich als Strafgefängnis für bis zu 259 männliche Insassen – zu diesen zählten auch zahlreiche aus politischen, rassischen und/oder religiösen Gründen Verurteilte sowie „Schutzhäftlinge“.
Seit Herbst 1945 fungierte der Gebäudekomplex vorwiegend als Untersuchungshaftanstalt der Justiz, ab 1952 der Deutschen Volkspolizei. Nach 1948 überwogen als politisch motiviert geltende Delikte bei den Einlieferungen. Ab Mai 1958 nutzte dann der DDR-Staatssicherheitsdienst das Gefängnis als Untersuchungshaftanstalt für politische Häftlinge. Der Geheimdienst inhaftierte hier bis Dezember 1989 über 4.000 Menschen, etwa wegen Kritik an der DDR-Politik oder wegen ihres Wunsches, das Land zu verlassen.
Die Gedenkstätte wurde Ende des Jahres 1990 auf Grundlage eines Beschlusses der Stadtverordnetenversammlung eingerichtet. Daraufhin bezog nicht nur sie, sondern auch das Bürgerkomitee Magdeburg, mehrere Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen Räume in der früheren Haftanstalt. Die Gedenkstätte unterstand zunächst den städtischen Museen, bis sie 2007 Teil der vom Land Sachsen-Anhalt getragenen Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt wurde.
Wir verstehen uns sowohl als Zeitgeschichtsmuseum als auch als außerschulischer Lernort für Schülerinnen und Schüler sowie als Einrichtung der historisch-politischen Bildung. Große Bereiche der früheren Haftanstalt sind weitestgehend in dem Zustand erhalten, wie ihn die Staatssicherheit im Februar 1990 hinterlassen hat. Hierzu gehört auch der komplett eingerichtete Zellentrakt und die Freigangzellen. Auf Besucherinnen und Besucher der Gedenkstätte wirken vor allem die erhaltenen Zeugnisse der 31-jährigen Nutzung als Untersuchungshaftanstalt des DDR-Geheimdienstes. Darüber hinaus ermöglicht die Dauerausstellung, sich über die anderen Nutzungsphasen zu informieren, sowie über Aspekte des jeweiligen Anstaltsregimes, die Gefangenen und die Gründe ihrer Verfolgung. Im ersten Teil der Dauerausstellung im ersten Obergeschoss des Zellentrakts werden die Jahre der NS-Diktatur sowie anschließend die Nutzung durch Justiz und Volkspolizei thematisiert. In dem im Erdgeschoss des Vorderhauses befindlichen zweiten Teil steht die Untersuchungshaft beim DDR-Staatssicherheitsdienst im Fokus.
Unsere Bildungsangebote tragen der wechselhaften Nutzungsgeschichte des Gebäudekomplexes Rechnung. So besteht im Rahmen von Projekttagen und Seminaren die Möglichkeit, sich anhand biografischer Fallbeispiele mit Gründen, Zielen und Methoden der Repression, unter anderem gegen nonkonforme oder als staatsfeindlich eingestufte Personengruppen während der sowjetischen Besatzungsherrschaft und in der DDR, auseinanderzusetzen. Zudem wird erarbeitet, in welchem Verhältnis der Umgang mit diesen Menschen in der Haft und vor Gericht zu seinerzeit geltendem Recht, zu etablierten Rechtsgrundsätzen sowie zu heutigen Standards menschenwürdiger und rechtsstaatlicher Behandlung steht.
Zum Bildungsprogramm gehören auch Leihausstellungen inklusive begleitend durchgeführter Angebote für Jugendliche sowie Erwachsengruppen – etwa Polizeischülerinnen und -schüler, Bundeswehrangehörige, Freiwilligendienstleistende und Justizbedienstete –, welche die Gedenkstätte zum Teil in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen durchführt. Hierzu zählt die Kooperation mit der Gedenkstätte ROTER OCHSE Halle (Saale) bei der Fortentwicklung und Betreuung von deren Wanderausstellung „Über Verbrechen im Namen des Deutschen Volkes. Justiz im Nationalsozialismus – Sachsen-Anhalt“. Seit 2021 erstreckt sich die Kooperation auch auf die gemeinsam mit der Gedenkstätte in Halle sowie der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn neu erarbeitete Leihausstellung „Politische Strafjustiz in der Sowjetischen Besatzungszone und frühen DDR – Sachsen-Anhalt“.
Literatur
Bastian, Alexander: Repression, Haft und Geschlecht. Die Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit Magdeburg–Neustadt 1958–1989, Halle (Saale) 2012.
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur/Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Es ist noch lange nicht vorbei. Erinnerungen und die Herausforderungen bei der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit (bearbeitet von Annegret Stephan und Daniel Bohse), Berlin 2012.
Gedenkstätte Moritzplatz Magdeburg
Umfassungsstraße 76
39124 Magdeburg
Tel.: 0391 244 5590
E-Mail: info-moritzplatz [at] erinnern [dot] org
Homepage: gedenkstaette-magdeburg.sachsen-anhalt.de