Das multilaterale Jugendprojekt Past2Present4Future (P2P4F) hat in den Jahren 2020 und 2021 rund fünfzig junge Menschen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Deutschland und Serbien zusammengebracht. In innovativen, interaktiven Formaten setzten sie sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs in ihren Ländern und der Erinnerung daran auseinander. Auch vor dem Hintergrund eines erstarkenden Geschichtsrevisionismus befassten sich die Teilnehmenden mit europäischen Werten, mit Identität und Verantwortung, unterschiedlichen Erinnerungskulturen sowie (fehlender) Aufarbeitung der Vergangenheit in ihren jeweiligen Ländern.
Im Rahmen von nationalen und internationalen Online- und Präsenzseminaren konnten die Teilnehmenden bei Diskussionen, interaktiven Workshops, Exkursionen sowie Gedenkstättenbesuchen ihre eigenen Themen und kreativen Ideen einbringen. So entstanden innovative Bildungsformate und -methoden, etwa Memory Walks zu wenig bekannten Gedenkorten und Verfolgtengruppen im Nationalsozialismus. Zum Projektabschluss wurden die entwickelten Materialien zusammen mit einer pädagogischen Handreichung Lehrkräften aus allen vier Ländern vorgestellt.
Mit den Herausforderungen angesichts der Reise- und Kontaktbeschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie gingen die Kooperationspartner:innen kreativ um: Ein ursprünglich in Zagreb und Jasenovac geplantes internationales Seminar im Mai 2021 fand stattdessen online statt. Im kroatischen Jasenovac befand sich von 1941 bis 1945 ein vom Ustascha-Regime betriebenes Konzentrationslager, in dem überwiegend Serb:innen, Juden:Jüdinnen sowie Sinti:ze und Rom:nja inhaftiert waren und vermutlich 80.000 Menschen ermordet wurden. Da vor Ort kein Besuch möglich war, wurde ein filmischer Rundgang durch die Gedenkstätte Jasenovac erstellt, ergänzt um ein Interview mit Ivo Pejaković, dem Leiter der Gedenkstätte. Mit der Geschichte des KZ Jasenovac setzten sich die Teilnehmenden auch anhand des mehrfach ausgezeichneten Dokumentarfilms „The Diary of Diana B.“ auseinander und sprachen mit der Regisseurin Dana Budisavljević. Der Film thematisiert die Rettung hauptsächlich serbischer Kinder aus Konzentrationslagern im sogenannten Unabhängigen Staat Kroatien während des Zweiten Weltkriegs. Am Ende des Treffens entstanden mehrere kleine Projektinitiativen, in denen die Teilnehmenden in international zusammengesetzten Kleingruppen Artikel schrieben, Podcasts aufzeichneten, Instagram-Accounts aufsetzten oder sich auf andere Weise öffentlichkeitswirksam mit der Geschichte und dem Erbe des Holocaust und des Zweiten Weltkriegs auseinandersetzten.
Im Sommer 2021 fanden in allen vier Partnerländern nationale Seminare statt, bei denen die Teilnehmenden jeweils zu ausgewählten Gedenk- und Erinnerungsorten im Land arbeiteten. Dabei kam die Methode der vom Anne-Frank-Haus in Amsterdam konzipierten „Memory Walks“ zum Einsatz: Dieser interaktive Ansatz regt junge Menschen unter pädagogischer Anleitung zur Reflexion und Diskussion über Erinnerungskultur und das Gedenken an historische Ereignisse an, indem historische Orte, Denkmäler und Gedenkstätten im eigenen Lebensumfeld kritisch beleuchtet werden.
Im Rahmen des Projekts entstanden Memory Walks über das Konzentrationslager Kruščica und die Gedenkstätte Schwarzes Haus in Vitez (Bosnien-Herzegowina) und zum Denkmal „Unvollendetes Kinderspiel“ in Sisak (Kroatien), das an ein Kinderkonzentrationslager der Jahre 1942/43 erinnert. In Berlin wurden zwei Memory Walks zum Thema Zwangsarbeit erstellt: über ein Zwangsarbeiter:innenlager am Flughafen Tempelhof sowie zu einem Außenlager des KZ Sachsenhausen in Spandau. In Belgrad (Serbien) befassten sich die Teilnehmenden mit dem Gedenkpark Jajinci, der an Massenerschießungen durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg erinnert.
Das zweite internationale Seminar in Belgrad konnte im Oktober 2021 in Präsenz stattfinden. Dort lernten sich die Teilnehmenden aus den vier Ländern erstmals persönlich kennen und tauschten Erfahrungen aus den nationalen Treffen und Projektinitiativen aus. Außerdem besuchten sie den Šumarice-Gedenkpark im serbischen Kragujevac, der an die Massaker von Kraljevo und Kragujevac im Oktober 1941 erinnert, bei denen mehrere tausend Zivilist:innen von der deutschen Wehrmacht unter Beteiligung kollaborierender Serben erschossen wurden. Die Diskussionen während des Seminars drehten sich um die Auswirkungen der von den Nationalsozialsten und ihren Verbündeten begangenen Verbrechen sowie des Zweiten Weltkriegs auf die heutigen Gesellschaften in den vier Ländern. Thematisiert wurde zudem die Rolle von Geschichte in politischen und gesellschaftlichen Debatten um aktuelle Tendenzen in der Erinnerungskultur und deren Gestaltung durch junge Menschen. Nach dem Treffen entstand ein Dokumentarfilm über das Projekt.
Alle Projektergebnisse wurden mehrsprachig für den Einsatz im Unterricht an weiterführenden Schulen aufgearbeitet. Zum Abschluss fanden in allen vier Ländern zweitägige Lehrkräftefortbildungen mit insgesamt fast sechzig Teilnehmenden statt. So erreichten die Projektergebnisse eine große Zahl an Multiplikator:innen, womit sie langfristig und nachhaltig im Bildungsbereich zum Einsatz kommen – in der schulischen Bildungsarbeit ebenso wie bei internationalen Begegnungen. Die Unterrichtsmaterialien bieten multiperspektivische Zugänge, regen zum Dialog über die Zusammenhänge zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft an, schärfen das Geschichtsbewusstsein junger Menschen und ermöglichen so eine kritische Auseinandersetzung mit Gedenkstätten und Erinnerungsorten.
Projektname: Past2Present4Future
Homepages:
https://hermes.hr/projectp2p4f/
https://ok.org.rs/en/past2present4future/
https://www.kreisau.de/bildungsarbeit/zeitgeschichte-menschenrechte/past2present4future/
Projektträger: Open Communications, Belgrad, Serbien
Kooperationspartner:
Kreisau-Initiative e.V., Berlin, Deutschland
HERMES, Zagreb, Kroatien
Western Balkan Network, Mostar, Bosnien-Herzegowina
Social Media:
Facebook: https://www.facebook.com/p2p4f/
Instagram: https://www.instagram.com/past2present4future/?hl=de