Um einen thematischen Einstieg rund um die Nürnberger Prozesse oder vertiefende Informationen einzuholen, bieten sich das umfangreiche Dossier „Das erste Gericht“ der ZEIT sowie der Podcast „Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht“ des Bayrischen Rundfunks an.
Der rund 20minütige Podcast arbeitet mit Audiodokumenten aus den Gerichtssälen, in denen zu hören ist, wie sich Angeklagte wie Göring und von Ribbentrop für „nicht schuldig“ erklärten. Diese Aussagen werden von den Sprecher*innen eingeordnet. Hinzu kommen Einordnungen der Prozesse als Institution der alliierten Siegermächte durch den Völkerrechtsexperten Christof Safferling. Die Prioritäten lagen dabei an verschiedenen Stellen: So wollten die Amerikaner den Angriffskrieg an sich, die Sowjetunion und die Franzosen vor allem Kriegsverbrechen vor Gericht bringen und entsprechend bestrafen. Der Podcast erläutert weiter die Symbolhaftigkeit, die mit der Wahl Nürnbergs verbunden war. Auch technische Neuheiten, die im Laufe der Prozesse zum Einsatzes kamen, stellt der Podcast heraus. Dazu gehörte etwa das Simultandolmetschen. Die kritischen Stimmen der Zeit, ob an Verfahrensführung oder den Urteilen, werden ebenfalls zur Sprache gebracht. In der Kürze des Podcasts ist es schier unmöglich, auf alle Feinheiten dieses komplexen Themas einzugehen. Jedoch gelingt es den Macher*innen, eine sehr gute Einführung zu erstellen, die zudem Interesse weckt, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. Der zum Ende geschlagene Bogen in Richtung der heutigen internationalen Menschenrechtsgesetzgebung bietet die Möglichkeit, über den Geschichtsunterricht hinaus den Podcast und die entsprechenden Materialien zum Einsatz zu bringen. Lehrkräfte finden zudem Arbeitsblätter und Vorschläge, wie die Nürnberger Prozesse im Unterricht eingeführt werden können. Zur Bearbeitung ist das Manuskript der Sendung verfügbar sowie ein Glossar, dass neben Begriffserklärungen Kurz-Biografien der Angeklagten vorweisen kann. Allgemeingehaltene Informationen zum Nationalsozialismus finden sich zudem auf der Homepage des Podcasts.
In der Zeit Nr.44 (2020) erschienen, beleuchten die Autor*innen Moritz Aisslinger und Tanja Stelzer die Nürnberger Prozesse aus der Perspektive von ganz unterschiedlichen Augenzeug*innen. Ergänzt werden diese durch die Einordnung des Geschehens, wie etwa dem langwierigen Projekt der Klageaushandlung. Diese drehte sich um die Frage, was und gegen wen genau verhandelt werden sollte. Die Umstände einzelner Festnahmen und in welchem Kontext sich die letztendlich Angeklagten der nationalsozialistischen Verbrechen schuldig machten, zeigen kurze Einschübe auf. Dabei gehen die Autor*innen sehr detailreich vor, wenn sie beispielsweise erklären, warum die Hand von Hans Frank auf der Anklagebank unkontrolliert zitterte. Der enorme Organisationsaufwand, in Form von Umbaumaßnahmen und der Installation von Drehknöpfen für Dolmetscher*innen, wird von den beiden Autor*innen detailreich bildhaft beschrieben. Der Einstieg in das Dossier erfolgt über den jungen Amerikaner Ernest Lorch. Dessen jüdischer Vater wurde von den Nationalsozialisten am 9. November 1938 in Nürnberg ermordet. Es folgen Ernst Lorchs Flucht in die USA und Spionagetätigkeiten. Nun begleitet Lorch die Angeklagten im Konvoi auf die Anklagebank. Der zweite Zeitzeuge, der zu Wort kommt, ist Niklas Frank, Sohn von Hans Frank. Sein Leben hat sich mit dem Kriegsende und der Festnahme des Vaters komplett verändert. Auch für Elly Kupfer ändern die Prozesse vieles: Sie wird als Sekretärin der Verteidigung daran teilnehmen, den Angeklagten zuhören, wie sie ihre Taten leugnen, die Aufnahmen aus den befreiten Konzentrationslagern sehen, ehemalige Kriegsgefangenenlager besuchen. Währenddessen versucht der sechsjährige Niklas Frank zu verstehen, was die Artikel und Bilder in den Zeitungen bedeuten, sucht in den Wochenschauberichten den Vater. Ebenfalls an den Prozessen, jedoch in der Rolle von Beobachter*innen, nahmen Journalist*innen teil, die noch vor kurzer Zeit im Exil gewesen waren. Hierzu zählen unter anderem Erika Mann, Erich Kästner und Willy Brandt. Eingeschobene Zitate aus Berichten dieser Journalist*innen dienen sowohl als Zeitzeug*innenbericht und können zugleich als historische Quelle gelesen werden. Die Autor*innen des Dossiers „Das erste Gericht“ verstehen es an dieser wie an vielen anderen Stellen, geschickt die Aufmerksamkeit auf Details zu lenken, die das Wissen um diese enorm großen Prozessapparat vertiefen und gleichzeitig das Wissen um den Nationalsozialismus insgesamt erweitern. Sie stoßen damit auch an, eigene Wissenslücken zu schließen und Themen zu vertiefen. Das Dossier schließt mit einem kurzen Blick darauf, wie das Leben der Zeitzeug*innen weiter verlief.
Sowohl Podcast als auch Dossier bieten einen guten Überblick, um sich in die Thematik der Nürnberger Prozesse einzuarbeiten. Multiplikator*innen der historisch-politischen Bildungsarbeit können sich so umfangreiches Hintergrundwissen erarbeiten, gleiches gilt für Schüler*innen. Es ist zudem möglich, beide Medien im Rahmen von Bildungsangeboten vollumfänglich oder teilweise einzusetzen. Der Podcast „Nazi-Kriegsverbrecher vor Gericht“ ist auf der Homepage des BR frei verfügbar. Das Dossier „Das erste Gericht“ ist ebenfalls online auffindbar (Bezahlschranke).