Content-Author: Ingolf Seidel You have to be logged in to view the profile
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Comics haben eine lange Geschichte in der französischsprachigen Kultur und wurden bereits Anfang des 20. Jahrhunderts als kurze Comicstreifen in diversen Tageszeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Die sog. bandes dessinées (dt.: gezeichnete Streifen) gelten in Frankreich sogar als eigenständige Kunstform, neben den geläufigeren wie Malerei, Bildhauerei, Zeichnung, Grafik und Architektur oder Fotographie und Film. Durch ihre Vielfalt und hohe Auflagen erreichen Comics in Frankreich, teils auch in Deutschland, ein breites Publikum und spielen daher auch wirtschaftlich eine große Rolle. Liebevoll gestaltete Geschichten wie Asterix und Obelix, aber auch frankobelgische Klassiker wie Lucky Luke, Die Schlümpfe oder Tim und Struppi führten im vergangenen Jahrhundert dazu, dass französischsprachige Comics weit über ihre Landesgrenzen hinaus erfolgreich wurden.
Hauptsächlich geht es bei Comics darum, auf wenig Platz viel auszudrücken. Gleichzeitig funktioniert der Comic nur bei einer aktiven Mitarbeit der Lesenden, die die Lücken zwischen den Bildern durch ihre eigene Vorstellungskraft ausfüllen. Daher eignet sich diese Kunstform ideal in der Zusammenarbeit mit jungen Menschen, besonders auf dem Gebiet der Geschichtsvermittlung. Dieses Ziel hatte auch die französische Organisation ONACVG (l’Office national des anciens combattants et victimes de guerre), als sie 2011 ihren Comic-Wettbewerb Bulles de mémoire (dt.: „Sprechblasen der Erinnerung“) ins Leben rief. Im Jahr 1916 gegründet, unterstützt die ONACVG als öffentliche Einrichtung des französischen Ministeriums der Streitkräfte alle Veteran*innen und Opfer von bewaffneten Konflikten und Terrorakten. Seit 2010 ist die ONACVG für 273 Kriegsgräberstätten und neun Erinnerungsorte von nationaler Bedeutung zuständig.
Um auch junge Menschen für das Thema Geschichte zu begeistern, entstand die Idee des Comic-Wettbewerbs, bei dem die Konflikt- und Versöhnungsgeschichte des 20. Jahrhunderts in Comicform reflektiert werden sollen. Teilnehmen können in Frankreich Schüler*innen des collège, was der deutschen Sekundarstufe I entspricht, sowie Schüler*innen des lycée, ähnlich der deutschen Sekundarstufe II. In beiden Kategorien können die Teilnehmer*innen als Gruppe anmelden oder einzeln Beiträge einsenden. Und da Comics ein so beliebtes Medium in Frankreich sind, ist es nicht überraschend, dass jedes Jahr mehr Einsendungen eintreffen: 2018 waren es 39, im Jahr 2019 schon 74 Einsendungen. Tendenz steigend!
Als sich im Jahr 2018 das Ende des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal jährte, fand erstmals der Comic-Wettbewerb sowohl in Frankreich als auch in Deutschland statt. Unter dem Thema „Kriegsende. Und dann?“ setzten die ONACVG und der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ein gemeinsames Zeichen für die deutsch-französische Zusammenarbeit, besonders in Hinblick auf die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg und den Frieden in Europa. Die ONACVG und der Volksbund betreuen Angehörige und fördern die Begegnung junger Menschen an den Ruhestätten der Toten. Kriegsgräberstätten werden so zu Lernorten über die europäische Geschichte. Sie helfen, die Erinnerung an die Opfer von Krieg und Gewalt lebendig zu halten und demokratische Werte zu fördern.
Die Gewinner*innen von 2018 aus beiden Ländern nahmen an einer deutsch-französischen Jugendbegegnung teil. Diese begann in Frankreich, wo zunächst die französischen Gewinner*innen im Pariser Invalidendom ausgezeichnet wurden, bevor am nächsten Tag die deutschen Schüler*innen in der Residenz des deutschen Botschafters ihre von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterschriebenen Urkunden erhielten. Anschließend fuhr die Gruppe gemeinsam nach Berlin, wo ein zweitägiges Preisträgerseminar folgte. Höhepunkt war die gemeinsame Teilnahme an der zentralen Gedenkstunde im Deutschen Bundestag zum Volkstrauertag, bei der anlässlich des 100. Jahrestags zum Ende des Ersten Weltkrieges der französische Präsident Emmanuel Macron eine bewegende Rede hielt.
Nach diesem gelungenen Auftakt findet der Comic-Wettbewerb 2019-2020 bereits zum dritten Mal in Deutschland statt. Die Themen werden dabei jährlich an den französischen Wettbewerb angelehnt und frei angepasst. Das französische Motto für die Ausschreibung lautet „S’engager pour la République“ (dt.: „sich für die Republik einsetzen“), die deutsche Ausschreibung heißt: „Setz dich ein – Demokratie lebt durch uns!“. Dabei zielt das Motto vor allem auf die eigene Auseinandersetzung mit dem Thema Demokratie ab. Denn Demokratie lebt von Menschen, die sich engagieren und unsere Gesellschaft verbessern wollen. Fremdenfeindlichkeit, Angst und Gewalt können die Demokratie zerstören. Mitbestimmen heißt daher, demokratische Werte wie die Würde des Menschen, Toleranz, Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz zu verteidigen.
Auch außerhalb der großen Politik können kleine Taten oder Initiativen auf gesellschaftliche Probleme aufmerksam machen und Lösungen aufzeigen. Das aktuelle Wettbewerbsthema möchte zum Nachdenken anregen, und fragen, wie wichtig es für junge Menschen ist, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und mitzubestimmen. Was bedeutet es in einer Demokratie zu leben, was macht sie aus und was nicht? Wie ist Demokratie überhaupt entstanden? Und wie lässt sich Frieden gemeinsam sichern?
Die Ausschreibung richtet sich an Jugendliche zwischen 14 und 20 Jahren. Weitere Informationen zum aktuellen deutsch-französischen Comic-Wettbewerb für Jugendliche „Setz dich ein – Demokratie lebt durch uns!“ gibt es unter www.volksbund.de/schule.
Die Wettbewerbsjury besteht aus Gewinner*innen der Vorjahre, Bildungsreferent*innen des Volksbundes und ausgewiesenen Comic-Expert*innen. Gemeinsam bewerten sie nach allgemein verbindlichen Kriterien, die bereits beim ersten Wettbewerb festgelegt wurden: die Umsetzung des Themas, die historische Genauigkeit, Rechercheaufwand der Story, die Qualität der Zeichnung und das Art Work. Die Originalität der Geschichte, die überzeugende Darstellung und Emotionen sind ebenfalls wichtig. Dabei wird jedoch das Alter der Teilnehmer*innen nicht außer Acht gelassen, denn dies ist die einzige Information, die die Jury vorab erhält, um eine gerechte Beurteilung durchzuführen zu können.
Zu betonen ist, dass es hierbei nicht um Richtig oder Falsch geht. Auch darum sind die Teilnahmebedingungen einfach gehalten. Genau wie in Frankreich haben die Jugendlichen in Deutschland die Möglichkeit, alleine oder in einer Gruppe teilzunehmen. Ob auf Deutsch oder Französisch, ob mit pädagogischer Unterstützung oder ohne und ob mit Freund*innen Mitschüler*innen oder alleine - wichtig ist, dass es Spaß macht. Damit kann der Comic-Wettbewerb auch ideal in den Schulunterricht integriert werden und das Gemeinschaftsgefühl innerhalb einer Klasse fördern. Comics eignen sich als Unterrichtsgegenstand vor allem im Kunstunterricht sowie sämtlichen historisch-politischen Fächern. Aber auch beim Erlernen von Fremdsprachen können sie hilfreich sein, ebenso wie im Literaturunterreicht. Als Anleitung für Lehrkräfte hat der Fachbereich Friedenspädagogisches Arbeiten an Schulen und Hochschulen in Kooperation mit der ONACVG einen Leitfaden zur Erstellung von Comics und dem Einsatz im Unterricht veröffentlich. Mit diesen Hinweisen können Schüler*innen bei der Teilnahme am aktuellen Wettbewerb unterstützt werden: www.volksbund.de/mediathek/mediathek-detail/methodischer-leitfaden-wie-erstelle-ich-einen-comic.html.
Die Gewinnercomics werden anschließend nicht nur im Internet veröffentlicht, sondern auch im Großformat bei bedeutenden Veranstaltungen ausgestellt, zum Beispiel bei dem Tag der Offenen Tür der Bundesministerien, dem jährlichen Volkstrauertag im Bundestag oder auch auf Europas größter Bildungsmesse, der didacta. Möglichst viele Menschen werden so auf die kreativen Kunstwerke aufmerksam gemacht!
Neben Geldpreisen für die Zweit- und Drittplatzierten locken vor allem spannende Reisen als Hauptpreis. In der Kategorie Einzelbeitrag ist dies die Teilnahme an einer deutsch-französischen Jugendbegegnung des Volksbundes, also einem Workcamp in Frankreich. Eine spannende Reise winkt auch den Gewinner*innen der Kategorie Gruppenbeitrag: Eine deutsch-französische Jugendbegegnung wie im ersten Jahr des Wettbewerbs ist angedacht, auf jeden Fall gewinnt die Gruppe im November 2020 eine Reise nach Berlin, bei der sie ein spannendes Programm und die zentrale Gedenkstunde zum Volkstrauertag im Deutschen Bundestag, dem Zentrum unserer Demokratie, erleben kann.
Bereits seit über sechzig Jahren engagiert sich der Volksbund mit friedenspädagogischen Projekten für Schulen und andere Bildungsträger. Er betreibt heute als einziger Kriegsgräberdienst der Welt eigene Jugendbegegnungs- und Bildungsstätten. Seine Jugendbegegnungen und Workcamps führen jedes Jahr junge Menschen aus ganz Europa zusammen, um gemeinsam ein Zeichen für ein friedliches und tolerantes Miteinander zu setzen.
Einen besonderen Tag markiert in diesem Jahr der 8. Mai, an dem sich das Ende des Zweiten Weltkrieges zum 75. Mal jährt. Der Volksbund bietet zahlreiche Möglichkeiten für junge Menschen, sich im Laufe des Jahres mit diesem Thema kreativ auseinanderzusetzen. Die britische Organisation „Never Such Innocence“ schreibt zusammen mit dem Volksbund im Rahmen ihres diesjährigen Jugend-Kreativ-Wettbewerbs die Bonuskategorie „75“ aus, die an das Ende des Zweiten Weltkrieges erinnert. Jugendliche im Alter von 16 bis 18 Jahren können Beiträge aus den Kategorien Gedichte (deutsch oder englisch) und Kunst (Skulpturen, Malerei, Zeichnungen und Fotographie) einreichen, z.B. auch in Form von Comics. Auch dieser Wettbewerb lässt sich gut in den Schulunterricht integrieren und es gibt tolle Preise zu gewinnen, wie die Teilnahme an einer zweiwöchigen internationalen Jugendbegegnung in Großbritannien und Deutschland im Sommer 2020. Weitere Informationen unter www.volksbund.de/mediathek/mediathek-detail/ausschreibung-deutsch-britischer-jugend-kreativ-wettbewerb-75.html.
75 Jahre Kriegsende in Europa bietet nicht nur einen gewichtigen Anlass für die kreative Auseinandersetzung mit diesem Jahrestag in Wettbewerben, sondern auch bei einem Besuch an den historischen Orten. Das neue Projekt PEACE LINE bietet jungen Erwachsenen ab 18 Jahren aus vielen Ländern Europas dazu die Möglichkeit: Gemeinsam befahren sie eine von zwei Routen entlang von Gedenk- und Erinnerungsorten und tauschen sich über historische Narrative aus: St. Petersburg, Riga, Kaunas und Danzig sind Ziele, Weimar, Prag, München, der Bodensee und Verdun auch. Die Orte sind vorab didaktisiert worden und die Materialien über eine eigene App abrufbar. An verschiedenen Stellen finden Gespräche mit jungen Menschen vor Ort statt und die Teilnehmenden halten ihre Eindrücke kreativ in einem gemeinsam gestalteten multimedialen Erinnerungsbuch fest. Weitere Informationen unter www.peaceline.eu.