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Unser Verein Tüpfelhausen – Das Familienportal e.V. ist ein gemeinnütziger staatlich anerkannter Träger der freien Jugendhilfe. Er engagiert sich seit mehr als sieben Jahren im Bereich der internationalen, interkulturellen Demokratieförderung und im zivilgesellschaftlichen Einsatz gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus. Unser Hauptarbeitsfeld ist die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Als erfolgreichen Transmissionsriemen zur Einbindung der Jugendlichen und als breiten Multiplikator in die Bevölkerung nutzen wir hierfür u.a. den (Fußball-) Sport.
Am Anfang unserer deutschlandweiten Veranstaltungen stand im Jahr 2013 der bundesweite Gedenktag an den ehemaligen jüdischen Sportverein „SK Bar Kochba Leipzig“. Der SK Bar Kochba war schon zu Zeiten der Weimarer Republik ein beachtlich großer Sportverein mit einem eigenen weitflächigen Gelände, obgleich er erst im Jahre 1920 gegründet wurde. Er bestand aus mehreren Abteilungen, wobei die Abteilungen Boxen, Fußball und Leichtathletik mit ihren vielfältigen Erfolgen besonders hervorzuheben sind. Zusammen mit der Initiative 1903 e.V. richteten wir auf dem ehemaligen Platz des SK Bar Kochba Leipzig in der Delitzscher Straße in Leipzig diesen medial breit beachteten Gedenktag mit mehreren hundert Besucher_innen aus.
Der einst so glorreiche Verein SK Bar Kochba Leipzig musste sich 1939 unter dem nationalsozialistischen Terror- und Gewaltregime zwangsauflösen. Für die über 1.000 Mitglieder des Vereins folgte ein Leidensweg mit Entbehrungen, Ausgrenzungen, Zwangsdeportationen, Zwangsarbeit und Ermordung in den Lagern des industriellen Massenmordes. Einigen Mitgliedern gelang die Flucht ins Ausland, nicht wenige wurden in der Folge aufgegriffen, verschleppt und wie die meisten ihrer Vereinskameraden, denen die Flucht aus Deutschland nicht gelang, ebenso ermordet.
Das Gelände des SK Bar Kochba wurde in der Folgezeit „arisiert“ und der SA überschrieben und von ihr genutzt. Mit Gründung der DDR erfolgte dann die Nutzung durch eine Betriebssportgemeinschaft. Jegliche Erinnerung verblasste. Nur die lokale Bevölkerung nannte das Gelände weiterhin „Judenplatz“. Ansonsten erinnerte nichts mehr an diesen stolzen Verein und das Schicksal seiner vielen Mitglieder.
Mehrere Fernsehsender berichteten über unseren eingangs beschriebenen Gedenktag und einer dieser Beiträge wurde auch in den Niederlanden ausgestrahlt. Dadurch nahm der Sohn eines Gründungsmitgliedes des Vereins, Ze´ev Bar, mit uns Kontakt auf. Bis zu diesem Zeitpunkt war kein Überlebender des Vereins mehr bekannt. Ze´ev Bars Vater Max Bartfeld gründete im Jahr 1920 den Verein mit seinem Bruder Leo und weiteren Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Leipzig. Und so folgte im Jahr 2014 ein Besuch bei Ze´ev Bar in den Niederlanden. Er konnte vieles zur Rekonstruktion der Vereinsgeschichte wie zu Lebenswegen der überlebenden Vereinsmitglieder beitragen. Seiner und aller ehemaligen Sportler_innen des jüdischen Sports zum Andenken und zur Erinnerung ihrer Leidensgeschichten beschlossen wir, als Jugendveranstaltung das „Internationale, interkulturelle Fußballbegegnungsfest“ mit dem „Max und Leo Bartfeld-Pokal“ zu begründen und auszutragen.
Zum ersten Fest mit Austragung vom 19. bis zum 21. Juni 2015 konnten wir schon über 1.500 Teilnehmer_innen wie Besucher_innen aus vielen Nationen begrüßen. Eigens zum Fest reisten weitere Überlebende des Vereins und der Familie Bartfeld, sogar aus den USA, an. Mit einem breiten kulturellen Rahmen- wie Erinnerungsprogramm konnte die Wirkungskraft von Jahr zu Jahr erhöht werden. Auch die internationalen Gäste reisten zum Turnier aus immer mehr Ländern an. So konnten wir bislang Überlebende der Shoa mit eigener Anreise u.a. aus Australien, Chile, Großbritannien, Kanada, Israel, Italien, Frankreich, den Niederlanden, Neuseeland, der Schweiz, der Tschechischen Republik und den USA begrüßen.
Die Veranstaltungsreihe des „Internationalen, interkulturellen Fußballbegegnungsfestes“ wurde in den letzten Jahren mit den wichtigsten und bekanntesten Auszeichnungen für zivilgesellschaftliches Engagement in der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. So 2017 mit dem 2. Platz des Julius-Hirsch-Preis des Deutschen Fußball-Bundes. Der Preis erinnert an den ehemaligen jüdischen DFB-Nationalspieler Julius „Juller“ Hirsch. Im Jahr 2018 erfolgte dann die Auszeichnung mit dem Preis „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ der Bundeszentrale für politische Bildung durch den Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen Michael Kretschmer.
Auch die vielfältige Teilnahme internationaler wie politischer Ehrengäste unterstreicht die breite Anerkennung wie die weiter wachsende Bedeutung der Veranstaltung. Diplomat_innen, Abgeordnete des Deutschen Bundestags, Spitzenvertreter_innen der Bundesministerien, Abgeordnete und Vertreter_innen des Freistaats Sachsen wie der Stadt Leipzig und vieler bekannter zivilgesellschaftlicher Organisationen zählten zu den Besucher_innen des Festes.
Mit dem vierten Fest vom 29. Juni bis zum 1. Juli 2018 unter der aktiven Mithilfe von über 60 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer wuchs die Zahl der Teilnehmer_innen wie Besucher_innen auf über 4.000 Personen an. Erstmals integrierten wir in die Austragung eine weitere selbstständige Veranstaltung, die „1. Trilaterale Jugendbegegnung der Transnationalen Erinnerungsarbeit“. Diese wurde aus der Schwerpunktförderung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Förderschwerpunkts "Transnationale Erinnerungsarbeit/politische Bildung" unter dem Motto „Gemeinsam erinnern für eine gemeinsame Zukunft“ des Koordinierungszentrums Tandem für Deutsch-Tschechischen Jugendaustausch finanziell unterstützt. Rund 60 Kinder und Jugendliche nebst Betreuer_innen aus Deutschland, Israel und der Tschechischen Republik setzten sich während der fünf Veranstaltungstage der Jugendbegegnung mit der Geschichte, ihrem Umgang damit sowie mit aktuellen Fragestellungen auseinander und erweiterten ihre Urteils- und Handlungsfähigkeiten. Zur besonderen Niederschwelligkeit der Veranstaltung trug auch die Beseitigung von Sprachbarrieren durch den Einsatz von Sprachmittler_innen bei. So boten wir alle Programmpunkte gleichzeitig in deutscher, hebräischer und tschechischer Sprache an. Gerade dies ermöglichte eine angestrebte selbstverständliche und gleichberechtigte Partizipation aller Teilnehmer_innen.
Für die Jugendlichen hatten wir in Zusammenarbeit mit bekannten zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen und unter Mitwirkung der beteiligten Jugendlichen ein breites wie gleichermaßen interessantes Programm konzipiert, welches sich an der realen Lebenswirklichkeit der Jugendlichen unmittelbar andockte. So nutzten wir den Sport als niederschwelligen Transmissionsriemen der Aufgabenstellung und der Wirkungsziele. Höhepunkte des umfangreichen Programms stellten für die Jugendlichen, nach unseren eingehenden Evaluierungen, folgende Punkte dar:
An der Gesamtveranstaltung nahmen mit 19 vertretenden Organisationen und Vereinen aus drei Nationen in natürlicher Selbstverständlichkeit viele junge Menschen mit Flüchtlings-/Migrationshintergrund und gesellschaftlicher Minderheiten teil. So ist insbesondere die Teilnahme einer Roma-Organisation aus der Tschechischen Republik herauszustellen. Diese kombinierte Bildung und Sport gleichermaßen nachhaltig in ihren Aktivitäten. Für die jungen Roma war es die erste Reise außerhalb der Tschechischen Republik und aufgrund der Offenheit und der diskriminierungsfreien Räume der Veranstaltung besonders positiv prägend.
Unser Träger bietet mit seinen Veranstaltungen bewusst diskriminierungsfreie Räume für Menschen unterschiedlicher/n Herkunft, Religion, Geschlechts und Weltanschauung.