Auch wenn in Deutschland aktiver Widerstand gegen den NS-Staat die Ausnahme blieb, finden sich rückblickend zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen und politischen Milieus, die sich gegen Machtübernahme und Machtausübung der Nationalsozialisten sowie ihre Gewaltverbrechen zur Wehr setzten. Eine Ausgabe der „Informationen zur politischen Bildung“ verschafft einen Überblick über Formen und Akteure des Widerstands anhand einer stark biografisch ausgerichteten Darstellung. In zwei chronologisch voneinander abgegrenzten Hauptkapiteln betrachten die Autor_innen Julia Albert und Johannes Tuchel Motive und Handlungen vom NS-kritischen Graffiti an der Wand bis zur Vorbereitung eines Attentats.
Nach der Einführung widmet sich das erste Kapitel Widerstandshandlungen als Reaktion auf die nationalsozialistische Machtübernahme und Herrschaftspraxis. Während etwa die Mehrheit der Gewerkschaftsführer Kompromisse mit der neuen Regierung anstrebten, bildeten sich in der Illegalität lokale Gruppen und oppositionelle Gesinnungsgemeinschaften. Sechs Biografien, darunter die Werner Blumenbergs von der Sozialistischen Front, stehen exemplarisch für sowohl den parlamentarischen als auch den illegalen Kampf von Teilen der Arbeiterbewegung.
Im Anschluss daran vertiefen sich die Autor_innen in das breite Spektrum christlicher Organisationen. Insbesondere in der protestantischen Kirche versuchten bekanntermaßen viele Gläubige, NS-Ideologie und Christentum zu einem „‘artgemäßen Christentum‘“ (S.14) zu verbinden. Geistliche wie Martin Niemöller oder als wohl bekanntestes Beispiel Dietrich Bonhoeffer wählten einen anderen Weg und riskierten bzw. verloren im Kampf gegen die Nazis ihr Leben. In dem Kapitel räumen die Autor_innen weiterhin Widerstandsaktivist_innen im Exil Platz ein, etwa dem späteren Bürgermeister von Berlin Ernst Reuter oder den deutschen Mitgliedern der Internationalen Brigaden im Spanischen Bürgerkrieg. Schließlich dürfen auch die ersten Umsturzpläne nicht fehlen, im Fokus stehen dabei Personen wie Bonhoeffers Schwager Hans von Dohnanyi oder Georg Elser. In einem abgedruckten Auszug aus einem Gestapo-Verhör gibt Letzterer Auskunft über die Motive, die ihn zum Attentat am 8. November 1939 veranlasst haben.
Im zweiten Kapitel beleuchten die Autor_innen Widerstandshandlungen als Reaktion auf den Krieg und nationalsozialistische Gewaltverbrechen. Neben Abschnitten zu mehr oder weniger großen Gruppen und Organisationen wie der Arbeiterbewegung, der Kirchen oder bekannter Gruppen wie der Weißen Rose oder dem Kreisauer Kreis sind hier vor allem die Darstellungen der kleineren, alltäglichen Formen des Widerstands interessant. Für kritische Bemerkungen über die NS-Führung oder geäußerte Zweifel am „Endsieg“ wurden in den letzten Kriegsjahren vermehrt Todesstrafen verhängt. Junge Männer, die etwa aus Glaubensgründen den Kriegsdienst verweigerten, teilten dieses Schicksal. Einige Jugendliche konnten sich der Vereinnahmung durch Hitler-Jugend und Bund Deutscher Mädel entziehen, hörten ausländische Rundfunksender, verbreiteten Nachrichten oder versuchten mit Flugblättern über Kriegsverlauf und deutsche Verbrechen aufzuklären. Manche gründeten außerdem illegale Vereinigungen mit politischem oder religiösem Zweck. Widerstand leisteten auf ihre Art auch die „Swing-Jugendlichen“, die sich mit ihrer Begeisterung für Jazzmusik bewusst als „undeutsch“ im Sinne der NS-Ideologie stilisierten.
Auch der Kampf von Angehörigen diskriminierter und verfolgter Minderheiten findet Berücksichtigung. Von jüdischer Seite erfolgte dieser Widerstand beispielsweise passiv durch die Gründung von Solidargemeinschaften oder aktiv durch Aufstände in Vernichtungslagern, auch der Widerstand jüdischer Partisan_innen ist zu erwähnen. Auch im damals verstärkt aufkommenden Zionismus liegt eine bedeutende Form des Widerstands, wie die hier abgedruckten Biografien zeigen. Immer noch unterrepräsentiert in der Erinnerung an den Holocaust sind die bis zu 500.000 Sinti und Roma, die ihm zum Opfer fielen. In der Zeitschrift werden die Geschichten dreier junger Sinti und Roma erzählt, etwa die von Anton Reinhardt, der 1944 vor seiner Zwangsterilisation in die Schweiz floh und dort von den Behörden zur Rückkehr nach Deutschland gezwungen wurde.
Die vorliegende Ausgabe der „Informationen zur politischen Bildung“ gibt in gewohnter Qualität einen breiten und fundierten Überblick über die Akteure des deutschen Widerstands in der Zeit von 1933 bis 1945. Die Texte sind kurz und informativ gehalten und mit vielen Kurzbiografien versehen, sodass sie auch für Fachfremde geeignet sind und etwa im Schulunterricht Verwendung finden können. Stellenweise sind darüber hinaus aussagekräftige Quellen abgedruckt, die es den Lernenden ermöglichen, Motive der Handelnden zu verstehen.
„Informationen zur politischen Bildung“ 2/2016 ist kostenfrei im Onlineshop der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich.