Bereits ein Marschlied von 1928 betitelt den Mercedes-Stern als „Deutscher Arbeit Ehrenzeichen“. Jahrzehntelang pflegte die heutige Daimler AG diese vermeintliche Legende und wies eine Beteiligung an nationalsozialistischen Verbrechen wie der Ausbeutung von Zwangsarbeiter/innen in konzerneigenen Fabriken von sich. Ende der 1980er Jahre musste der Konzern nicht zuletzt aufgrund von ersten Publikationen zur Zwangsarbeit im Motorenwerk für Messerschmitt-Jäger und Heinkel-Bomber von dieser Lüge Abstand nehmen: In Genshagen bei Ludwigsfelde, süd-westlich von Berlin hatte der Konzern etwa 10.000 während des Krieges dort eingesetzte Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter/innen und KZ-Häftlinge misshandelt.
Nachdem das konzerneigene Archiv, in dem umfangreiches Material zum Thema lagerte, NS-Forschern wie Ulrich Herbert verschlossen geblieben war, fand in den 1990er Jahren ein langsames Umdenken statt. Katalysiert durch die aufkommende bundesweite Debatte um die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter/innen und die Beteiligung deutscher Firmen an einem entsprechenden Fond, finanzierte Daimler-Benz nun unter anderem Begegnungen mit ehemaligen Zwangsarbeiter/innen, sowie mit Helmuth Bauer einen befristeten wissenschaftlichen Mitarbeiter bei der Gedenkstätte Ravensbrück, der umfangreiche, jahrelange Recherchen zum Lager anstellte.
Allein seit Herbst 1944 wurden im Genshagener Werk etwa 1100 Frauen aus Ravensbrück als Zwangsarbeiter/innen im „nationalsozialistischen Kriegsmusterbetrieb“ Daimler-Benz ausgebeutet. Exemplarisch gibt die Website „Gesichter der Zwangsarbeit“ einen Einblick in die Leidenswege dieser Frauen. Für die Bildungsarbeit von vorrangigem Interesse sind die diversen, kostenlos zur Verfügung gestellten Ausschnitte aus Dokumentationen mit überlebenden Zwangsarbeiter/innen, welche vor allem der über 20-jährigen Beschäftigung von Helmuth Bauer mit dem KZ-Außenlager Genshagen zu Verdanken sind.
Einen Einblick in die Zwangsarbeit vor Ort, die Verdrängung und Rethematisierung bietet der Film „Der Stern und sein Schatten. Daimler-Benz kehrt zurück in die Genshagener Heide“ von Helmuth Bauer und Eike Schmitz aus dem Jahr 1994. Mehr als ein Drittel des eigentlichen Films kann über auf der Website verlinkte und eingebettete YouTube-Videos kostenlos in thematisch getrennten Sequenzen angeschaut werden.
Vertiefend kann der Kampf um Entschädigung mithilfe der Videosequenzen des Films „Für Lohn und Würde“ aus dem Jahr 1999 in der Bildungsarbeit verdeutlicht und diskutiert werden. In diesem werden 25 ehemalige Zwangsarbeiter/innen aus Warschau vorgestellt, die sich entschließen, Daimler auf Lohn-Nachzahlung für ihre in Genshagen geleistete Zwangsarbeit zu verklagen. Auch die Sequenzen aus „Reise zum Ort des Schmerzes“ von 1997, in dem die Weigerung des Konzerns, Lohn für Zwangsarbeit zu bezahlen, behandelt wird, eignen sich unterstützend für die Bildungsarbeit zur Zwangsarbeiter/innenentschädigung.
In Bezug auf die Erweiterung des Begriffs Entschädigung um die Komponente der Anerkennung lassen sich vor allem auch die Ausschnitte zum Film „Es fehlt manchmal noch was im Leben“ nutzen. Dieser dokumentiert die Rückkehr von Jüdinnen aus Budapest nach Genshagen und Ravensbrück am 50. Jahrestag ihrer Deportation auf Einladung von Daimler-Benz.
Die Website „Gesichter der Zwangsarbeit“ ermöglicht einen hilfreichen Einstieg in eine Diskussion zur Entschädigungsdebatte. Die Filmausschnitte zu den Erinnerungen der ehemaligen Zwangsarbeiter/innen in Genshagen und deren Kampf um materielle wie ideelle Anerkennung durch die Daimler-Benz AG können kostenlos online genutzt werden. Das Buch „Innere Bilder wird man nicht los. Die Frauen im KZ-Außenlager Daimler-Benz Genshagen“ aus dem Metropol Verlag (Berlin 2011) kann dabei als hilfreiche Kontextlektüre dienen. Auch Vorträge zum Thema sowie Führungen über das ehemalige Daimer-Gelände in Genshagen sind auf Anfrage möglich.