Antiziganistische Einstellungen, häufig auch treffend als Rassismus gegen Roma benannt, sind bis heute stark in der deutschen Gesellschaft verankert. Dennoch findet das Phänomen nach wie vor wenig Beachtung im wissenschaftlichen Forschungsfeld zu gruppenbezogenen Diskriminierungsformen. Dieser Auffassung entsprechend proklamiert Markus End in seinem für „RomnoKher. Ein Haus für Kultur, Bildung und Antiziganismusforschung“ erstellten Gutachten zum gegenwärtigen Antiziganismus in Deutschland ein eklatantes Defizit in Bezug auf die derzeitige Forschungslage. Neben einem Überblick über Forschungslücken und einschlägige Forschungsprojekte vermittelt End außerdem einen allgemeinen Einblick in das Phänomen Antiziganismus, verschiedene Formen der Diskriminierung und multidisziplinäre Gegenstrategien.
In einem ersten Teil widmet sich der Autor einem kursorischen Überblick über Struktur und Herkunft des Phänomens Antiziganismus und der gegenwärtigen Situation in Deutschland, antiziganistische Tendenzen und Handlungen betreffend. Dabei verdeutlicht er anhand verschiedener Umfrageergebnisse, wie stark antiziganistische Stigmata in der deutschen Bevölkerung verankert sind und geht auf die Frage ein, wie sich diese innerhalb der Gesellschaft verbreiten, manifestieren und konsolidieren. End thematisiert in diesem Zusammenhang auch das Vorhandensein strukturell antiziganistischer Diskriminierungsformen sowohl in staatlichen als auch in nichtstaatlichen Institutionen und die Rolle der Medien in Bezug auf die Verbreitung und Verfestigung antiziganistischer Denkweisen. Gerade in den Bereichen Bildung, Wohnen, Arbeit und Gesundheit lassen sich diskriminierende Strukturen feststellen. Dabei macht End auch deutlich, dass auf politischer Ebene nicht nur von Seiten rechtspopulistischer Kreise entsprechende Töne wahrzunehmen sind.
Im zweiten Teil der Publikation befasst sich End mit der gegenwärtigen Forschungslage zu dem Themengebiet Antiziganismus in Deutschland. Er gibt dabei einen Überblick über die vorhandene Literatur und bestehende Forschungsprojekte zum Thema, die mehrheitlich im Bereich der Literaturwissenschaften angesiedelt sind. End macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass von einer institutionalisierten akademischen Antiziganismusforschung in Deutschland keine Rede sein kann. Zwar wurden in den vergangenen Jahren mehrere Fachtagungen und Symposien zum Thema Antiziganismus in Deutschland abgehalten, doch ging die Initiative zu solchen Veranstaltungen in den meisten Fällen von Roma-Selbstorganisationen aus.
Im dritten und letzten Teil des Gutachtens widmet sich der Autor aktuellen Maßnahmen und Gegenstrategien zur Bekämpfung antiziganistischer Denk- und Verhaltensweisen in Deutschland. Dabei werden sowohl sanktionierende Politikansätze als auch sensibilisierende und aufklärende Projekte vorgestellt und unterschieden. End stellt hier die in Deutschland vorhandenen Gesetze, die im Handlungsrahmen gegen Antiziganismus von Interesse sind, vor, jedoch nicht ohne festzustellen, dass diese nach wie vor unzureichend in die Praxis umgesetzt werden. Ähnliches konstatiert End auch für die Umsetzung vorhandener Regelungen im Pressekodex des Deutschen Presserates und das Interesse der Bundesregierung, einschlägige Förderprogramme und -projekte anzuregen und umzusetzen. Dies wird auch mit Blick auf die gängige Begriffswahl und -verwendung im Kontext staatlicher Stellen deutlich, die Antiziganismus nach wie vor unter dem Sammelbegriff „Fremdenfeindlichkeit“ subsumieren.
Angesichts dieser Erkenntnisse erstaunt es nicht, wenn der Autor am Ende des Gutachtens zu der Auffassung gelangt, dass der Antiziganismus von Seiten der deutschen Regierung gegenwärtig nicht angemessen als aktuelles und akutes Problem wahrgenommen und dargestellt wird.
Das im Jahr 2013 veröffentlichte Gutachten vermittelt einen zwar recht kursorischen, dennoch ausführlichen Überblick über die aktuelle Situation des Antiziganismus in Deutschland. Dabei werden die entsprechenden Themenbereiche kenntnisreich und kritisch behandelt und dargestellt, sodass dem/der Leser/in ein differenzierter Einblick in die Thematik ermöglicht wird und individuelle Handlungsstrategien und -möglichkeiten aufgezeigt werden. Die Publikation eignet sich dementsprechend für die eigene Einarbeitung von Multiplikator/innen in das Thema, nicht jedoch für die direkte Arbeit mit Jugendlichen.
Daniel Strauß (Hrsg.); Markus End (Aut.): Gutachten Antiziganismus. Zum Stand der Forschung und der Gegenstrategien. RomnoKher, Mannheim, 2013. ISBN: 978-3-939762-14-0.