Am 13. August 1961 begannen die Machthabenden in der DDR die Grenzen des Landes zu schließen. Bestand bis dahin ein Transfer zwischen beiden Teilen Berlins, war nun die Stadt geteilt. Stacheldraht, Ziegelmauer und später fast unüberwindbare Sperranlagen kennzeichneten die Berliner Mauer sowie die innerdeutsche Grenze. Bis 1989 wurden die mächtigen Grenzanlagen immer weiter ausgebaut, an der allein in Berlin mindestens 136 Menschen ums Leben kamen. Das SED-Regime titulierte das Bauwerk als „antifaschistischen Schutzwall“, der der Friedenssicherung diene. Eigentliches Ziel des Mauerbaus war die Massenabwanderung aus der DDR zu beenden und dadurch die eigene Macht zu sichern. Das vorliegende Heft der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ versammelte 50 Jahre nach der Grenzziehung in Deutschland verschiedene Perspektiven, Forschungen und Erinnerungen an dieses Ereignis.
Der Autor Günter Kunert berichtet in seinem Beitrag über persönliche Eindrücke und Hoffnungen in Berlin am Tag des Mauerbaus 1961. Seine Beschreibungen zeigen beispielhaft Gefühle Ostberliner-Bürgerinnen und -Bürger, die im August 1961 eine klare Abriegelung des Landes noch für unwahrscheinlich hielten. In den weiteren Artikeln sind Ausschnitte aus dem, aktuellen Forschungsstand präsentiert. So fasst Hope M. Harrison seine Erkenntnisse aus der Durchsicht von Akten in Berlin und Moskau zum Bau der Mauer zusammen. Dabei steht vor allem das Verhältnis von Nikita Chruschtschow und Walter Ulbricht im Vordergrund, das besonders durch den unbedingten Willen Ulbrichts den Flüchtlingsstrom zu stoppen, charakterisiert wird. Die sowjetische Führung widersetzte sich jahrelang seinem Drängen, da eine „Grenzziehung einer Kapitulation gleichkäme und ihnen selbst und der sozialistischen Sache erheblich schaden würde. (S.8) Gerhard Wettigs Beitrag richtet das Augenmerk vielmehr auf die Politik Nikita Chruschtschows. Der Autor bezieht sich auf die Entwicklungen seit dem ersten Berlin-Ultimatum im November 1958.
Hans-Hermann Hertle befasst sich in seinem Text „Grenzverletzer sind festzunehmen oder zu vernichten“ mit dem Schießbefehl an der Grenze. Dieser war neben den mächtigen Sperranlagen und der engen Staffelung der Grenzpatrouille, ein wichtiger Eckpfeiler für die Abriegelung des Landes. Günter Littfin, der erste und Chris Gueffroy, der letzte an der Berliner Mauer erschossene Flüchtling sind heute bekannt. Doch welche Geschichten erzählen die weiteren Todesopfer? Welche Aussagen trafen die Grenztruppen über die Todesumstände? Der Autor geht diesen Fragen in seinem Artikel nach. Die SED-Führung teilte den Familienangehörigen oft nur den Tod, aber nicht die Umstände mit. Es wurden zudem falsche Todesumstände konstruiert und die Angehörigen zum Schweigen gezwungen.
In einem weiteren Artikel beschäftigt sich Daniela Münkel mit der Rolle des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) beim Bau der Mauer. Erich Mielke, Minister für Staatssicherheit sah den Mauerbau als Chance die Stellung des MfS innerhalb des DDR-Machtgefüges auszubauen. In der ersten Nacht der Grenzschließung übernahmen Stasi-Mitarbeiter vor allem die Unterbrechung des Berliner öffentlichen Personennahverkehrs. Andreas Kötzing beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der anscheinenden Öffnung der Kulturpolitik nach 1961. Es entstanden DEFA-Filme zum Leben der Menschen in der DDR und gesellschaftskritische Romane konnten veröffentlicht werden. Im Mittelpunkt des Artikels steht der Film „Deutschland. Endstation Ost“ von Frank Buyen. Der Film zeigt neben ideologiekonformen Interviews und Aussagen, auch kritische Stimmen von Ostberliner/innen.
Im Artikel von Dirk Schindelbeck werden die Bilder der Mauer im kollektiven Gedächtnis erfragt. Bei diesen Bildern handelt es sich vor allem emotional aufgeladene Aufnahmen von der bewaffneten Abriegelung des Brandenburger Tores, der Sprung des Grenzsoldaten Conrad Schumanns über Stacheldraht und Bilder von verknoteten Bettlaken, die an der Bernauer Straße der Flucht dienten. Diese Fotografien sind Schlüsselbilder zum Mauerbau. Gleichzeitig sind dies auch manipulierte Bilder mit propagandistischer Wirkung. Schindelbeck zeigt verschiedene Formen der Nutzung der Mauer für die Propaganda in Ost und West. Der abschließende Beitrag von Sibylle Frank richtet einen Blick auf die Berliner Gedenklandschaft. Für die Autorin vollzieht sich in Deutschland ein regelrechter Geschichtsboom, der sich vor allem durch die Etablierung von privaten Museen äußert. Demgegenüber steht das Zweifeln von Politik und Wissenschaft gegenüber diesen Formen der Geschichtsvermittlung. Beispielhaft beschreibt die Autorin die Entwicklungen am Checkpoint Charlie in Berlin, an dem sich besonders viele private touristische Geschichts-Angebote befinden.
Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ ist leider vergriffen, kann aber als PDF bei der Bundeszentrale für politische Bildung heruntergeladen werden.