Unter dem Titel „Wohin bringt ihr uns?“ hat die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg in Kooperation mit der Gedenkstätte Grafeneck eine Materialsammlung aus Hintergrundinformationen, Quellen und Arbeitsblättern zur NS-“Euthanasie“ im deutschen Südwesten zusammen gestellt. Eine Einführung gibt einen Überblick über die Geschehnisse in der nationalsozialistischen Tötungsanstalt in Grafeneck zwischen 1939 und 1941, weitere Essays stellen die Gedenkstätte vor und thematisieren das Gedenken an die „Euthanasie“-Verbrechen.
Den Hauptteil der Veröffentlichung machen vier Unterrichtseinheiten aus, die insgesamt 20 Materialien verschiedener Quellengattungen (Fotografien, Landkarten, Schrift- und Bildquellen) enthalten. Die Quellen sind den vier Themen „Das Verbrechen: Organisation und Durchführung“, „Die Opfer von Grafeneck“, „Rassenlehre, Rassenhygiene und die Forderung der ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘“ sowie „Die Reaktionen – Beendigung der zentralen „Euthanasie“ Morde 1940/41. Der Mord an den europäischen Juden“ zugeordnet. Sachtexte kontextualisieren die Materialien, Arbeitsaufträge leiten die Lernenden zur Auseinandersetzung mit diesen an.
Das erste Thema mit den von M1 bis M5 nummerierten Materialien bietet eine Einführung in die Thematik anhand einer chronologischen und geografischen Einordnung, stellt die sechs Vernichtungszentren der „Aktion T4“ vor und fokussiert abschließend auf den regionalen Tötungsort Grafeneck. Als Material stehen historische Fotos, ein Auftragsschreiben Hitlers zur Ermächtigung der Ärzte zur „Gewährung des Gnadentodes“ sowie ein „Verlegungs-Erlass“ des Württembergischen Innenministers zur Verfügung. Das zweite Thema behandelt Erfassung, Selektion, Deportation und Ermordung der Opfer anhand des individuellen Falls von Theodor K.. Als Quellen dienen sein Meldebogen und der „Trostbrief“ an seine Eltern, sowie ein Merkblatt zur Erfassung und Selektion, das die nationalsozialistische Ideologie verdeutlicht. Sachtexte mit Fragen thematisieren den konkreten Ablauf der Selektion und Tötung, die Reaktionen und Einflussmöglichkeiten von Angehörigen und das heutige Gedenken an die Opfer.
Thema vier vertieft die nationalsozialistische Rassenlehre anhand zeitgenössischer „wissenschaftlicher“ Aufsätze, Plakate und Schulmaterial. Die Lernenden werden anhand von Fragestellungen dazu angeleitet, die Bildsprache der Karikaturen und pseudowissenschaftlichen Graphen zu analysieren. Das letzte Thema behandelt anhand von Aussagen eines Anstaltsdirektors und Briefauszügen von Angehörigen der Opfer die unterschiedlichen Reaktionen in der Bevölkerung. Ein Schreiben des Evangelischen Landesbischofs in Württemberg vom Juli 1940 sowie ein Auszug aus der Predigt des Bischofs von Münster von Galen vom August 1941 verdeutlichen den Protest der Kirchen. Abschließend werden die Lernenden angeleitet sich mit der Verbindung zwischen den Verbrechen „Euthanasie“ und „Holocaust“ auseinander zu setzten.
Die Publikation enthält somit – kopierfertig aufbereitet – kontextualisierte historische Materialien zu unterschiedlichen Aspekten der NS-“Euthanasie“ aus denen Lehrende einzelne Elemente auswählen können. Das Thema wird anhand der Tötungsanstalt Grafeneck behandelt, kann selbstverständlich aber auch in Schulen anderer Bundesländer eingesetzt werden.
Im Jahre 2011 ist eine überarbeitete Ausgabe der Publikation erschienen. Sie kann kostenlos als PDF auf der Homepage der baden-württembergischen Landeszentrale für politische Bildung herunter geladen werden.
Mit „Zwangssterilisation, „Euthanasie“ und „Sonderbehandlung 14 f 13“ unter dem NS-Regime“ ist die Veröffentlichung der Gedenkstätte Bernburg übertitelt. Die Publikation enthält Sachtexte zu den genannten Themen, die jeweils von Quellenmaterialien in Text- und Bildform begleitet werden. Die Materialien sind nicht in Unterrichtseinheiten eingebunden oder von Arbeitsaufträgen begleitet, sondern bilden eine umfangreiche Sammlung von Quellen zu verschiedenen Aspekten der NS-“Euthanasie“.
Unter der Überschrift „Zur Vorgeschichte“ wird das der nationalsozialistischen Ideologie zugrunde liegende Gedankengut seit Anfang des 19. Jahrhunderts thematisiert. Als Quellenmaterial sind nicht weniger als sieben verschiedene wissenschaftliche Aufsätze aus den Jahren zwischen 1895 und 1925 zusammengestellt worden. Sie bilden ein umfangreiches Bild ab, sind allerdings mit jeweils anderthalb Seiten oder mehr relativ lang. Das zweite Kapitel widmet sich der nationalsozialistischen Propaganda und enthält als Materialien Plakate und Texte aus Lehr- und Schulbüchern. Thema drei widmet sich der Zwangssterilisation nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Abgedruckt sind eben dieser Gesetzestext, das Formular für die Anzeige zur Sterilisation, die erste Seite des Prüfungsbogens für den Intelligenztest, dem alle angezeigten Personen unterworfen waren, das Formular für den Antrag auf Sterilisation sowie der Bericht eines Opfers. Das letzte Thema schließlich behandelt die NS-“Euthanasie“ und die Gasmordanstalt Bernburg. Dieses Kapitel enthält sehr umfangreiche Textquellen zum Krankenmorde. Veröffentlicht sind ein Runderlass des Reichsministers des Innern zur „Meldepflicht für missgestaltete usw. Neugeborene“, Berichte von Opfern und externen Besuchern von Tötungsanstalten, zahlreiche Zeugenaussagen von Ärzten und anderen Angestellten der Tötungsanstalt Bernburg aus ihren Nachkriegsprozessen, weitere Sachtexte aus Sekundärliteratur sowie Auszüge aus der Predigt des Bischofs von Galen. Die Publikation schließt ab mit der Erklärung einer Auswahl von NS-Begriffen im Zusammenhang mit der „Euthanasie“.
Das Material der Gedenkstätte Bernburg entscheidet sich insofern von dem der Gedenkstätte Grafeneck, dass es keine kopierfertigen Unterrichtsmaterialien mit Arbeitsaufträgen enthält. Stattdessen bietet es aber eine weitaus größere Auswahl an unterschiedlichen Primärquellen und umfasst ein breiteresThemenspektrum, beginnend von den ideologischen Vorläufern der „Euthanasie“ bis zu Zwangssterilisation und „Sonderbehandlung 14 f 13“, das heißt Krankenmord in Konzentrationslagern. Das Material kann auf der Homepage der Gedenkstätte Bernburg herunter geladen werden.
Lernen aus der Geschichte hat in einem weiteren Beitrag ein Material der Mahn- und Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus Düsseldorf zu Zwangssterilisierungen und NS-„Euthanasie“ in der Rheinprovinz vorgestellt. Der größte Teil der Dokumente bezieht sich auf die Ereignisse im Rheinland, insbesondere in Düsseldorf, sie sind jedoch übertragbar auf andere Städte und Regionen.
Zum Thema Inklusion hat das Deutsche Institut für Menschenrechte ein empfehlenswertes Online-Handbuch mit dem Titel "Inklusion als Menschenrecht herausgegeben. Dazu können Sie den Beitrag "Wie das Format den Inhalt und der Inhalt das Format prägt" von Meike Günther auf LaG lesen.