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Aufklärung statt Bewältigung. Tondokumente zur Berichterstattung von Axel Eggebrecht über den ersten Auschwitz-Prozess

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Content-Author: Ingolf Seidel

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Aufklärung statt Bewältigung. Tondokumente zur Berichterstattung von Axel Eggebrecht über den ersten Auschwitz-Prozess [Audio CD und Booklet]. Herausgeber: Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv und Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland. Konzeption und Text: Hans-Ulrich Wagner, Florian Bayer, Andreas Dan. Stiftung Deutsches Rundfunk Archiv 2011. ISBN 978-3-926072-47-4.
Von Leah Wohl von Haselberg

Wenn der Radiopionier und kritische Journalist Axel Eggebrecht (1899-1991) in klarer, verständlicher Sprache in seiner zeitgenössischen Berichterstattung eindringlich über die Bedeutung des Auschwitz-Prozesses (1963-65, Frankfurt am Main) spricht, macht er deutlich, dass es sich dabei nicht um abgeschlossene Vergangenheit handelt, sondern vielmehr um eine „Reise in die Vergangenheit, […] die in Wahrheit noch ein Stück lebendiger Gegenwart ist“. So weist er beispielsweise darauf hin, dass Adolf Eichmann bei seiner Hinrichtung 56 Jahre alt gewesen sei, die im Auschwitz-Prozess angeklagten SS-Männer seien aber deutlich jünger. Sie gehörten zu einer Altersgruppe, die heute überall am Ruder sitze und nicht etwa zu einer „längst verflossenen Epoche“. Er sagt: „wer unsere beunruhigende, unsere fragwürdige, nämlich der unaufhörlich der Selbstbefragung bedürftige, jüngste Vergangenheit so betrachten darf als läse er vom Siebenjährigen Krieg, als sähe er einen Napoleon-Film, dem wird die Sache zu leicht gemacht“. Und so können auch der Frankfurter Auschwitz-Prozess und die Auseinandersetzung mit NS-Verbrechen als eine Vergangenheit bezeichnet werden, die immer noch lebendig ist und (vielfach) in unsere Gegenwart hineinreicht.

Der damals 64jährige Journalist Axel Eggebrecht, der bereits 1945 vom Bergen-Belsen-Prozess aus Lüneburg berichtet hatte, war der einzige Radiojournalist, der über die gesamte Dauer des ersten Auschwitz-Prozesses von Dezember 1963 bis August 1965 aus Frankfurt am Main berichtete. Seine Radioberichterstattung aus dieser Zeit umfasst mehr als 37 Stunden Sendematerial und stellt damit die umfassendste erhaltene Audiodokumentation über den Frankfurter Auschwitz-Prozess dar. Dieser kann als Meilenstein und Wendepunkt in der (bundes-)deutschen Beschäftigung mit den NS-Verbrechen verstanden werden, nicht nur wegen des Prozesses an sich, bei dem über 350 Zeugen zur Sprache kamen, sondern auch und vor allem, weil der Prozess zu einem Medienereignis wurde, das die deutsche Öffentlichkeit in einem neuen Maß erreichte, betroffen machte und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung anstieß. Filme, Literatur und Theaterstücke griffen den Prozess und seine moralischen und gesellschaftlichen Implikationen auf. Zusammenhängend mit diesem Bewusstseinswandel, der maßgeblich durch mediale Berichterstattung stimuliert wurde, muss auch die Radioberichterstattung Axel Eggebrechts für den NDR verstanden werden. Eggebrecht betonte immer, dass es ihm nicht nur um die Prozess-Berichterstattung gehe, sondern auch darum, seinen Hörerinnen und Hörern die Bedeutung der deutschen NS-Vergangenheit zu verdeutlichen und sie zur Auseinandersetzung mit dieser zu bewegen.

Für die 2011 von der Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland und dem Deutschen Rundfunkarchiv herausgegebene Audio-CD, wurden aus dem umfangreichen Quellenmaterial vier längere Ausschnitte mit einer Gesamtspielzeit von 70 Minuten ausgewählt, die einen Eindruck von Eggebrechts Anliegen bei der Berichterstattung sowie seiner Argumentation vermitteln. Begleitet wird die CD von einem ausführlichen Booklet, das Informationen zu Eggebrecht und dem ersten Auschwitz-Prozess sowie zu der Auswahl der Audioausschnitte liefert. Diese entstammen den zwei Sendereihen, in denen Eggebrecht für den NDR über den Auschwitz-Prozess berichtete, zum einen „Vergangenheit vor Gericht“, eine wöchentliche Sendung von 15 Minuten, die über den aktuellen Fortgang des Prozesses berichtete, und zum anderen „Berichte vom Auschwitz-Prozess“, die einmal im Monat, dafür aber mit einer durchschnittlichen Länge von 45 Minuten, gesendet wurde. Die Ausschnitte sind exemplarisch gewählt und ermöglichen einen akustischen Eindruck von Eggebrechts Radioberichterstattung. Damit gewähren sie Einblick in die mediale Berichterstattung und einen zentralen Diskurs der bundesdeutschen Öffentlichkeit in der ersten Hälfte der 1960er Jahre. Gleichzeitig wird durch die für die Audio-CD gewählten Ausschnitte auch deutlich, dass es sich um einen Verlust handelt, dass nur Fragmente aus den eigentlich komplett erhaltenen Sendungen Eggebrechts zugänglich sind.

Die Erschließung des gesamten Sendematerials sowie eine begleitende, ausführlichere Publikation wären deshalb wünschenswert, weil sie sich sehr gut für den pädagogischen Einsatz im Unterricht und in der außerschulischen Bildungsarbeit eignen würden und auch für die wissenschaftliche Auseinandersetzung von Interesse sein könnten. Nicht nur, da die Tondokumente von Eggebrechts Radioberichterstattung so klar und gut verständlich sind, sondern auch, weil sie durch die umfangreiche Forschung zu den Frankfurter Auschwitz-Prozessen[1] und der damaligen Berichterstattung[2] gut kontextualisiert werden, könnten sie im Bereich der Wissenschaft und der Bildungsarbeit fruchtbare Verwendung finden.

[1]     Fritz Bauer Institut (Hg.): „Gerichtstag halten über uns selbst...“. Geschichte und Wirkung des ersten Frankfurter Auschwitz-Prozesses. Jahrbuch zur Geschichte und Wirkung des Holocaust. Frankfurt am Main, 2001. Osterloh, Jörg/ Vollnhals, Clemens (Hg.): NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR. Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung. Göttingen, 2011.
[2]     Wolf, René: The Undivided Sky: The Holocaust on East and West German Radio in the 1960s. Basingstoke/ Hampshire, 2010.

 

 

 

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