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Das Tagebuch von Petr Ginz aus dem nationalsozialistischen Ghetto

Petr Ginz: Prager Tagebuch 1941-1942. Herausgegeben von Chava Pressburger, aus dem Tschechischen von Eva Profousova, Berlin Verlag 2006, 160 S., € 19.90

In seinen Tagbuchaufzeichnungen aus dem besetzten Prag der Jahre 1941/42 schildert Petr Ginz nüchtern und eindrücklich, wie die vertraute und geliebte Stadt für ihn mehr und mehr zu einem Ghetto ohne Mauern wird.

Geboren am 1. Februar 1928 in Prag in einer sogenannten Mischehe - seine Mutter war keine Jüdin - wuchs Petr zusammen mit seiner Schwester Eva nach jüdischen Traditionen auf. Er besuchte eine jüdische Schule mit tschechischer Unterrichtssprache, bis diese geschlossen und Unterricht für jüdische Kinder verboten wurde. Danach lernte er in der Jüdischen Gemeinde das Reinigen von Schreibmaschinen und andere handwerkliche Arbeiten. Im Oktober 1942 wurde er nach Theresienstadt, später nach Auschwitz deportiert, wo er ermordet wurde. Petrs Vater und die Schwester Eva überlebten den Holocaust, kehrten nach Prag zurück und lebten später in Israel.

Petr Ginz war nicht nur künstlerisch sehr begabt - er hinterließ 120 Bilder und Zeichnungen - er besaß auch ein schriftstellerisches Talent. Neben Tagebüchern und Gedichten schrieb er Romane nach dem Vorbild Jules Vernes. In Theresienstadt lebte er in einer Gemeinschaft von Jungen, die sich selbst „Republik Schkid" nannte und in Selbstverwaltung organisierte mit eigener Hymne und einer eigenen Kinderzeitschrift VEDEM (Wir führen). Die Zeitung kam jede Woche heraus und Petr Ginz war einer ihrer fleißigsten Redakteure und Zeichner in den folgenden zwei Jahren.

Im Ghetto Theresienstadt malte er 1942 u.a. ein Bild „Mondlandschaft“, als noch an den Flug eines Menschen zum Mond nicht zu denken war. Es zeigt die Erde, wie er sie sich vom Mond aus betrachtet vorstellte. Am 16. Januar 2003 nahm der erste israelische Astronaut Ilan Ramon als Zeichen der Erinnerung an die Träume von Petr Ginz eine Kopie dieser Zeichnung mit an Bord der Raumfähre Columbia, die am 1. Februar 2003 beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verunglückte. Der tragische Tod Ramons brachten den Namen des jungen Zeichners Petr Ginz in die Schlagzeilen und so erfuhr seine Schwester, die inzwischen unter dem Namen Chava Pressburger lebt, dass man Tagebücher ihres Bruders zufällig entdeckt hatte, die jahrelang unbeachtet auf einem Prager Dachboden lagen.

Die Tagebücher sind 2006 im Berlin Verlag erschienen. Der Verlag erstellte außerdem ein Leseportfolio für den Unterricht, das kostenlos als pdf-Dokument herunter geladen werden kann. Die Materialien bestehen aus einem Informationsteil zur Lebensgeschichte des Verfassers und der Entstehung seiner Aufzeichnungen. In einem zweiten Teil haben die Autoren eine thematische Gliederung des Tagebuches vorgenommen, sodass die Lebenswelt von Petr Ginz von Schülern unter vier verschiedenen Aspekten („Petr Ginz, Familie und Freunde“, „jüdische Traditionen und Feste“, „Prag und die politische Zeit“, „Petr Ginz und die Shoah“) gelesen und erarbeitet werden kann. Dazu werden Arbeitsblätter sowie Medien und Methodenkarten bereitgestellt. Das vorgestellte Material bietet eine vielseitige, ausführliche und abwechslungsreich gestaltete Materialsammlung für den Einsatz im Geschichts- oder Deutschunterricht der Sekundarstufe I. Die vorgestellte Herangehensweise hat den Anspruch, durch die Verknüpfung von persönlicher Lebensgeschichte und Welt(kriegs)geschichte eine individuelle Annäherung an den Text und die Zeit des Nationalsozialismus zu ermöglichen.

2007 fand in Bremen ein „Monat der Begegnung“ mit Petr Ginz statt. In diesem Rahmen ist eine Ausstellung entstanden sowie die Webseite Petr Ginz, die die Begleitveranstaltungen dokumentiert. Auf dieser Seite sind außerdem die Dokumente und Texte der Ausstellung (u.a. Zeichnungen von Petr Ginz, Textauszüge, Fotos) als pdf-Datei verfügbar. Auf einer weiteren Internetseite von haGalil findet man Auszüge aus anderen Texten von ihm, aus Briefen aus dem KZ und aus der Zeitschrift Vedem, sowie Arbeitshinweise zur Bearbeitung der Texte im Unterricht. Texte von Petr Ginz wurden außerdem in dem Band „Ist meine Heimat der Ghettowall? Gedichte, Prosa und Zeichnungen der Kinder von Theresienstadt“ (hrsg. von Marie Ruth Křížková, Kurt Jiří Kotouc und Zdeněk Ornest) veröffentlicht.

 

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