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Adressat unbekannt

Kathrine Kressmann Taylor: Adressat unbekannt,  Rowohlt Berlin 2005, 64 S., 4,95 € (in den USA erstmals 1938 veröffentlicht, in Deutschland 2000 beim Hoffmann und Campe)

Der Roman besteht aus den Briefen zweier Freunde, gesendet im Zeitraum November 1932 bis März 1934. Max Eisenstein lebt in San Francisco, Martin Schulse in München. Letzterer kehrt erst 1932 von Kalifornien in seine Heimat Deutschland zurück. In den USA führten beide gemeinsam eine Kunstgalerie, deren Teilhaber Martin auch nach seinem Weggang bleibt. Im Laufe weniger Monate und Briefe ist Martin nicht mehr wiederzuerkennen. Als Mitglied der NSDAP verbittet er sich, Max antisemitisch beschimpfend, jeden weiteren Kontakt. Max reagiert verzweifelt, versteht diesen Wandel nicht.

Trotzdem wendet er sich aus Sorge um seine in Berlin lebende Schwester, mit der Martin einmal ein Verhältnis hatte, an Martin und bittet ihn, sie zu schützen. Martin überlässt sie jedoch der SA. Max beschließt, sich an Martin zu rächen.

Die fiktive Geschichte wurde bereits 1938 in der amerikanischen Literaturzeitschrift "Story" veröffentlicht. Auf 60 Seiten antizipiert sie, ohne den historischen Fakten von Diskriminierung, Ausgrenzung und Ermordung exakt zu entsprechen, die kommende Vernichtung der Juden und Jüdinnen. Mit auf das Äußerste verknappter dramatischer Erzählung führt Kressmann Taylor mit erstaunlicher Weitsicht vor, wie nationalistische, rassistische und antisemitische Ressentiments zur offenen Aggression und wie Mitläufer und Opportunisten zu Tätern werden. Aber auch, wie einfach und effizient Rache sein kann.

Im deutschen Vorwort plädiert die Publizistin Elke Heidenreich für die Aufnahme des Romans in den Unterrichtskanon. Dem ist nur eingeschränkt zuzustimmen. Die verknappte Erzählform der Autorin und die Form des Briefromans lässt die schnelle Wandlung Martins eher unglaubhaft wirken. Zudem sind zu Themen wie "alltäglicher Antisemitismus im Dritten Reich" sowie "Entstehung der Volksgemeinschaft" zahlreiche Originaldokumente vorhanden, so dass ein Rückgriff auf eine fiktive Geschichte zu deren Bearbeitung im Unterricht nicht unbedingt erfolgen muss. Dennoch bleibt es ein interessantes Buch, das sowohl von Schülerinnen und Schülern als auch von Erwachsenen mit Gewinn gelesen werden kann.

 

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