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Politische Bildung zwischen Ost und West

Europa bilden. Politische Bildung zwischen Ost und West, Zeitschrift OSTEUROPA 8-2005

Welche Bedeutung hat Osteuropa in der politischen Bildung der Bundesrepublik und welche Formen politischer Bildung existieren in Osteuropa? Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit diesen Fragen resultiert, so ließe sich aus dem Themenheft resümieren, aus folgendem Grund: Die politische Bildung könnte ein Weg sein, der zur Überbrückung der sich erweiternden Kluft zwischen einerseits einer Wahrnehmung von Ferne und Undurchschaubarkeit europäischer politischer Prozesse und andererseits faktischer gesellschaftspolitischer und kultureller europäischer Integration beiträgt.

Auf diese Europäisierung von Orten, Diskursen oder Verhaltensweisen weist bereits Karl Schlögel in seinem einführenden Essay „Archipel Europa“ über den Potsdamer Platz in Berlin, Billigflieger oder europäische Feuilletondebatten hin. Eine zentrale Frage des Heftes stellt sich bereits an diesem Essay. Ist die Wahrnehmung der Europäisierung sowie die Nutzung sich durch die Integration ergebender Vorteile im Wesentlichen ein Projekt bürgerlicher Eliten? Wendet sich die politische Bildung in Osteuropa und auch der Bundesrepublik schwerpunktmäßig eben diesen zu, weil sie befähigt sind, die abstakten Integrationsprozesse zu begreifen und die sich erweiternden Handlungsspielräume auszunutzen?

Eine weitere Schwierigkeit für die politische Bildung gerade in den Ländern Osteuropas, so der Tenor mehrerer Artikel, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Idee politischer Bildung wie sie in der Bundesrepublik verstanden wird außerhalb dieser nicht existiert, bzw. dass ihr aus der Erfahrung politischer Indoktrination heraus mit Skepsis und Ablehnung begegnet wird. Als Ziele politischer Bildung in Osteuropa und in der Bundesrepublik (über die MOE-Staaten) werden neben Kenntnissen über europäische Integrationsprozesse vor allem der Erwerb von Kompetenzen für eine erhöhte Teilhabe und die Fähigkeit zur Multiperspektivität angesprochen. Letzteres beschreibt Ingo Juchler mit seiner Feststellung, Menschen würden die Aufgaben und Probleme mit den Augen des Bürgers sehen, der sowohl Bürger einer Stadt, einer Region, eines Staates und der Welt sei. Aufgabe der politischen Bildung sei es deshalb, Schüler/innen zu befähigen, die bundesrepublikanische Brille abzunehmen und Fragen mit den Augen eines Europäers oder einer Weltbürgerin zu betrachten.

Daniel Kraft beschreibt das Ziel politischer Bildung zur europäischen Integration mit der Weckung eines positiven Legitimitätsglaubens in das demokratische System und die europäische Einigung. Nur so sei auf Dauer eine weitere Abwendung von politischer Partizipation zu verhindern. Nicht zuletzt, so z.B. Eva Feldmann-Wojtachnia, ist es Aufgabe der politischen Bildung, Stereotypisierungen sowie nationalistisch und/ oder religiös motivierten Abschottungstendenzen entgegenzuwirken, Begegnungen zu initiieren oder Perspektiven auf nationalstaatenübergreifenden Räume (z.B. Ostsseeraum, Karpaten) zu richten, um Realitäten, Erfolge und Schwierigkeiten der europäischen Integration zu analysieren.

Das Themenheft gliedert sich in drei Rubriken: Ziele, Erfahrungen, Wege. Im ersten Teil des Heftes werden dabei allgemeine Fragestellungen der Politikdidaktik reflektiert – Welche Vorraussetzungen existieren für eine mündige europäische Bürgerschaft (Juchler), Was heißt politische Bildung zur Demokratie (Schiele, Freise) oder Was bedeutet interkultureller Kompetenzerwerb unter europäischer Perspektive (Feldmann-Wojtachnia). Unter der Überschrift „Erfahrungen“ werden Akteure der politischen Bildung und deren Arbeit in MOE wie politische Stiftungen, Aktion Sühnezeichen oder die Brücke/ Most Stiftung vorgestellt. Das Kapitel „Wege“ beinhaltet Auseinandersetzungen mit Bildungsangeboten in Osteuropa, Osteuropa in den bundesdeutschen Curricula sowie eine umfangreiche Bibliographie von Unterrichtsmaterialen über Osteuropa.

Vorangestellt ist dem Heft die aus einer gemeinsamen Tagung der hessischen Landeszentrale für politische Bildung und der Zeitschrift OSTEUROPA hervorgegangene „Fuldaer Agenda zur politischen Bildung“, die Ziele, Aufgaben und Wege zur Förderung der politischen Bildung in Osteuropa und der Bundesrepublik beinhaltet.

Kontakt

Volker Weichsel
Redaktion Osteuropa
Schaperstr. 30
D-10719 Berlin
Tel.: +49 (0)30 3010 45 82
Fax: +49 (0)30 2147 84 14
Mail: weichsel [at] dgo-online [dot] org, osteuropa [at] dgo-online [dot] org

 

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