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20 Jahre Friedliche Revolution

20 Jahre Friedliche Revolution. Geschichte für heute. Zeitschrift für historisch-politische Bildung. Zeitschrift des Verbands der Geschichtslehrer Deutschlands, 2/2009, 160 S., € 14,-

Die zweite Ausgabe der Reihe „Geschichte für heute“ bewegt sich im Spannungsfeld von Geschichtspolitik, Geschichtswissenschaft und den Konsequenzen der Debatte für den Geschichtsunterricht.

Ausgangspunkt für Saskia Handro ist die geplante Errichtung eines Einheits- und Freiheitsdenkmals in Berlin. Vor dem Hintergrund jüngster Umfrageergebnisse zum Stand der deutschen Vereinigung behauptet die Autorin, dass sich hinter den Werturteilen zur „Wiedervereinigung“ unterschiedliche kollektive Identifikationsbedürfnisse verbärgen, die dazu führten, dass sich eine „geteilte Erinnerungsgemeinschaft“ herausgebildet habe. Unter diesen Vorzeichen diskutiert sie anhand des Begriffs „Geschichtsverlangen“, d.h. „eine affektiv aufgeladene Hinwendung zur Geschichte“, das Phänomen der „Ostalgie“.

Doch was lässt sich aus dieser dichotomischen Betrachtungsweise für die Gegenwart ableiten? Die Autorin selbst plädiert für eine multiperspektivische Herangehensweise, die den zivilgesellschaftlichen Aufbruch im Herbst 1989, ebenso wie die Opfer der Diktatur, aber auch die Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft, in der die europäischen oder globalen Dimensionen von „1989“ sichtbar werden, in die Debatte mit einbezieht. Für den Geschichtsunterricht bedeute dies, im Sinne der Beförderung eines Geschichtsbewusstseins „1989“ als Zeitgeschichte ernst zu nehmen, d.h. nicht jubiläumsbedingt zu betrachten, sondern anhand des Ereignisjahres „1989“ Grundstrukturen historischen Denkens zu vermitteln.

Holger Thünemann plädiert in seinem Artikel zu Geschichtsunterricht und Geschichtsmethodik in der DDR für das Ernstnehmen der DDR-Vergangenheit als Teil deutscher Zeitgeschichte, ausgehend von der Frage, welchen Stellenwert man der DDR-Vergangenheit, jenseits der Fokussierung auf das Ende der DDR, in Zukunft beimessen will. Methodisch böten sich historische Vergleiche zwischen bundesdeutschen und DDR-Schulgeschichtsbüchern an, anhand derer staatliche Legitimations- und Delegitimationsstrategien etwa am Beispiel des 17. Juni 1953, herausgearbeitet werden könnten. Was ist von der DDR-Geschichtsmethodik bis heute geblieben? Als ein Beispiel führt er die größere Berufsfeld- und Methodenorientierung in der gesamtdeutschen Geschichtsdidaktik heute an, wie sie in der DDR einen hohen Stellenwert innehatte. Allerdings seien viele beachtenswerte Impulse der DDR-Methodik schlichtweg nicht aufgenommen worden, u.a. da es ein bisher wenig erforschtes Feld sei, so Thünemann.

In einem dritten Teil haben die Herausgeber drei Zeitzeugenberichte namhafter DDR-Oppositioneller versammelt, etwa von Werner Schulz, Mitbegründer des Neuen Forums, der anlässlich einer „Geschichtsmesse“ zum Thema „20 Jahre Friedliche Revolution und deutsche Einheit“ im März 2008 spricht. Sein „Zeitzeugenbericht“ ist eine Begrüßungsansprache, von Form und Inhalt her kein „Zeugnis der Zeit“ im engeren Sinn. Im Bericht von Matthias Wanitschke stehen die Demonstrationen im Oktober 1989 im Mittelpunkt, die er mit Hilfe von eigenen Tagebuchaufzeichnungen zu rekonstruieren versucht. Der dritte Bericht von Gerd-Ekkehard Lorenz handelt von den Tagen um den Mauerfall. Leider haben die Herausgeber keine biographischen Informationen zu den Berichten hinzugefügt.

Die Ausgabe ist mit „20 Jahre friedliche Revolution“ betitelt, auf den zweiten Blick sind es allerdings nur 40 Seiten des Heftes zu diesem Thema, weitere 30 Seiten beschäftigen sich mit den verschiedensten Themen, etwa dem Schulbuch als politischem Instrument, allerdings nicht für die betreffende Zeit. Erst in einem dritten Teil stellen sich Institutionen vor, die im Zusammenhang mit „1989“ interessant sind, etwa die Stiftung Aufarbeitung, die Gedenkstätte Berliner Mauer oder die Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Sehr umfangreich (50 Seiten) ist der letzte Teil mit Buchbesprechungen aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik.

 

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