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Die Commerzbank und die Juden 1933-1945

Ludolf Herbs, Thomas Weihe (Hg.): Die Commerzbank und die Juden 1933-1945. (2004) C. H. Beck München

An der von den Nationalsozialisten betriebenen Entrechtung und Enteignung in erster Linie der Juden in Europa, waren im Zusammenspiel mit Finanzbehörden auch Kreditinstitute beteiligt. Die vielfältige und breitgestreute Bereicherung an den vertriebenen und ermordeten Opfern der Nationalsozialisten ist das am längsten verdrängte Kapitel der Nachkriegsgeschichte geblieben.

Profiteure und Mitverantwortliche in den Banken und Finanzbehörden europaweit verstanden es jahrzehntelang durch Schweigen und Berufung auf das Bank- und Steuergeheimnis dafür zu sorgen, dass das ausgeklügelte System der Überführung der enteigneten Vermögenswerte in Firmen- und Privateigentum sowie nicht zuletzt in die Staatshaushalte zur Finanzierung von Besatzung und Krieg undurchsichtig und unerforscht blieb.

Dass die Geschichtsschreibung erst in den letzten Jahren dieses Thema aufgegriffen hat, ist gewiss auch darauf zurückzuführen, dass der Zugang zu den dafür relevanten Archiven erst im letzten Jahrzehnt erleichtert wurde, aber auch, dass eine neue Generation Mitarbeiter in den Banken und Behörden ein Interesse daran hat, die Rolle ihrer Institution während der nationalsozialistischen Diktatur zu klären.

Auf Anregung und durch finanzielle Unterstützung des Vorstands der Commerzbank kam 1998/99 so am Lehrstuhl für Zeitgeschichte der Humboldt- Universität zu Berlin ein Forschungsprojekt zustande. Mit dem soeben erschienenen Band "Die Commerzbank und die Juden 1933-1945" wird die Geschichte der Commerzbank von ihrer Gründung 1870 bis 1958 in sieben Kapiteln wissenschaftlich differenziert dargestellt und durch umfangreiche Anmerkungen belegt.

Die Untersuchung der Rolle der Juden als Mitgründer, als Angestellte und als Kunden gehört ebenso dazu wie die Beantwortung der Fragen, welchen Anteil die Commerzbank nach 1933 an der Verdrängung jüdischer Mitarbeiter und der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz ihrer jüdischen Kunden hatte. Die Darstellung der engen und reibungslosen Zusammenarbeit der Commerzbank mit den nationalsozialistischen Behörden bei der Beschlagnahme von Vermögen, schließlich ab November 1941 bei der von Devisen- und Bankguthaben gibt eine Vorstellung davon, wie die Bank, dieses Verfahren auch für sie selbst profitabel und gegen spätere Regressansprüche geschützt durchführen konnte.

Die Beteiligung an antisemitischen Maßnahmen war auch wichtiger Bestandteil der Geschäftspolitik der Commerzbank in den eroberten und besetzten Gebieten, wie am Beispiel der Niederlande und Polens nachgewiesen wird. Der Band endet mit dem Versuch der Beantwortung der Frage nach dem Mitwissen und der Mitverantwortung an der Vernichtung in Auschwitz.

Diese neue Publikation zur Wirtschaftsgeschichte und Ökonomie der Nationalsozialisten ist vor allem Lehrern und Lernenden an Berufsfachschulen und Gymnasien mit dem Schwerpunkt Wirtschaft sehr zu empfehlen. Aber auch für den allgemeinen Geschichtsunterricht verspricht die gründliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Banken und Finanzbehörden auf der Basis dieser neuen Forschungsergebnisse klarere Antworten auf die immer weder gestellte Frage: Wie war es möglich?

 

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