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Über Faschismus und Antisemitismus in Rumänien

Edward Kanterian (Hg.), Mihail Sebastian: "Voller Entsetzen, aber nicht verzweifelt". Tagebücher 1935-1944. (2005) Claassen Verlag Berlin

Über den Faschismus und Antisemitismus in Rumänien gibt es kaum neuere historische Literatur in deutscher Sprache. Die jetzt im Claassen Verlag Berlin erschienenen Tagebücher des lange vergessenen rumänischen Schriftstellers Mihail Sebastian aus den Jahren 1935-1944 sind daher eine einzigartige Quelle, vergleichbar den Tagebüchern Victor Klemperers.

Der 1907 als Iosif Hechter in Braila geborene Michail Sebastian schildert sein Leben als jüdisch-rumänischer Intellektueller in einer Zeit eskalierender Diskriminierung und existentieller Bedrohung. Mihail Sebastian war Anwalt und Schriftsteller. Sein literarisches Werk, wurde erst Mitte der neunziger Jahre in Rumänien wiederentdeckt und erschien inzwischen in Frankreich, England und den USA, obwohl Sebastian zu seinen Lebzeiten mit so bekannten Autoren wie Ion Ionesco, Mircea Eliade und Émile Cioran befreundet war.

Im Alter von 28 Jahren, als er seine Tagebuchaufzeichnungen begann, war er bereits ein anerkannter Autor von Theaterstücken und Romanen. Enttäuscht musste er erkennen, dass viele seiner Freunde, vor allem Eliade, mit den Faschisten sympathisieren. Sebastian verlor seine Anstellung und Einkünfte. Seine Theaterstücke durften nur noch unter Pseudonym aufgeführt werden. Sogar seine einstigen Förderer fielen ihm mit Hetzartikeln in den Rücken. "Schon heute Abend oder morgen kannst du alles verlieren: dein Haus, deine Familie, dein Leben", schrieb er am 10. April 1940.

Doch er hielt durch, lehnte es ab, sein Judentum zu verleugnen und zum Katholizismus zu konvertieren, floh aufs Land und entging nur knapp der Deportation in den sicheren Tod. Als im August 1944 Bukarest von den Sowjets eingenommen wurde, registrierte Sebastian fast ungläubig, dass er überlebt hatte. Doch wenige Tage nach Kriegsende, als Not und Gefahr vorbei zu sein schienen, wurde er von einem Lastwagen überfahren. Er war auf dem Weg zu einer Vorlesung, die er halten sollte, über Balzac.

Die gut lesbare Übersetzung der Tagebücher, von Edward Kanterian vorbildlich durch Anmerkungen, Zeittafeln und ein Vorwort ergänzt, geben nicht nur minutiös Bericht über die rumänische Variante des Faschismus, sondern schildern aus der Perspektive des europäischen Südostens die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges und die barbarische Verrohung einer ganzen Gesellschaft. Die Tagebücher erlangten seit der Veröffentlichung 1996 in Rumänien als authentisches Dokument besondere Bedeutung, indem sie der in der rumänischen Öffentlichkeit vorherrschenden Tendenz zu Verharmlosung des Antisemitismus und der Verbrechen des faschistischen Rumänien entgegengewirkten.

Vom gleichen Autor

Mihail Sebastian: Der Unfall. (2002) Claassen Verlag Berlin (List Taschenbuchausgabe Juni 2004)

Bereits 1938 veröffentlichte Mihail Sebastian den Roman "Der Unfall", der ebenfalls in deutscher Übersetzung vorliegt. Dieser Roman gilt als sein bedeutendstes dichterisches Werk gilt. Es ist eine Liebesgeschichte mit autobiographischen Bezügen über die Einsamkeit des von der Geliebten Zurückgewiesenen und die Isolation eines Autors, der wegen seines jüdischen Glaubens ins Abseits gestellt wurde.

Gleichzeitig schildert Sebastian das glanzvolle Bukarest der dreißiger Jahre "Der Unfall" ist das letzte Werk, das noch unter seinem Namen erscheinen durfte. Ausgerechnet durch einen Verkehrsunfall kam Mihail Sebastians 1945 im Alter von nur 38 Jahren ums Leben, nachdem er den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg überlebt hatte. Mit Mihail Sebastian ist ein Autor wieder zu entdecken, der zu den Großen der europäischen Literatur zählt.

 

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