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Erzwungener Freitod

Anna Fischer: Erzwungener Freitod - Spuren und Zeugnisse in den Freitod getriebener Juden der Jahre 1938-1945 in Berlin mit Beiträgen von Rabbiner Joel Berger, Sibylle Einholz und Hermann Simon. (2007) Textpunkt Verlag Berlin, 198 S., 14,90 €

Am 3. Juli 2007 wurde im Centrum Judaicum in Berlin ein ungewöhnliches Erinnerungsbuch vorgestellt. Durch Veröffentlichungen von Dokumenten und Zeugnissen ist es möglich geworden, dieses in jeder Hinsicht schwierige Thema zu behandeln, insbesondere einzelne Schicksale bekannt zu machen und diesen Opfern späte Anerkennung zuteil werden zu lassen, gerade auch im Hinblick auf kommende Generationen.

Die Publikation leistet einen wichtigen Beitrag zur Verbreitung dieser vielen, bisher unbeachteten Schicksale jüdischer Menschen, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurden, indem sie vor der Deportation in die Todeslager den "Freitod" wählten. Bekannt und zugleich exemplarisch für die Notlage der jüdischen Menschen ist das Schicksal von Martha Liebermann, Witwe des 1935 verstorbenen Malers Max Liebermann, des Meisters des deutschen Impressionismus und Ehrenbürgers von Berlin. Sie lebte zunächst weiter in ihrem Haus neben dem Brandenburger Tor, war jedoch zum Auszug gezwungen nach Verhängung des "Judenbanns" für das Regierungsviertel durch die Nationalsozialisten.

Wie vielen anderen in ihrer Lage gelang ihr die Auswanderung in die Vereinigten Staaten zu ihrer dort lebenden Tochter durch die zunehmenden administrativen Schikanen und die Enteignung ihres Vermögens nicht mehr. Nach einem Schlaganfall im Winter 1942 war sie pflegbedürftig. Als sie am 5. März 1943 die Aufforderung zur Deportation nach Theresienstadt erhielt, entschied sie sich, ihrem Leben durch die Einnahme von einer Überdosis des Schlafmittels Veronal ein Ende zu setzen.

Doch die Perfidie der nationalsozialistischen Schikanen endeten auch mit ihrem Tode nicht. Die Gestapo untersagte ihre Beisetzung neben ihrem Mann auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee. Martha Liebermann wurde auf dem Jüdischen Friedhof Weißensee beigesetzt, wo sich ein Feld für viele Freitodopfer befindet. Erst nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus erhielt sie ihre letzte Ruhestätte an der Seite ihres Mannes.

Seit dem 8. Juni 2005 erinnert ein Stolperstein an Martha Liebermann, gestiftet von André Schmitz, Berliner Staatssekretär für Kultur, verlegt von dem Kölner Künstler Gunter Demnig vor dem Liebermannhaus am Pariser Platz. Das Buch leistet einen Beitrag gegen das Vergessen, gleich ob es um namhafte oder unbekannte Menschen geht, indem es den Nachkommen die Gewissheit gibt, dass der erzwungene Freitod ihrer Verwandten nicht vergessen und im Kontext der nationalsozialistischen Verfolgung gesehen wird. Der Beitrag des langjährigen Landesrabbiners von Baden-Württemberg in der Publikation untermauert diesen Gedanken. "Erzwungener Freitod" ist sowohl Spurensuche als auch Spurensicherung und eine besondere Form würdiger Erinnerung.

 

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