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Die Schönholzer Heide

Museumsverbund Pankow (Hg.): Die Schönholzer Heide. Von einer Vergnügungsstätte zum Gedenkort. (2007) text verlag edition berlin Berlin, 12,90 €

Seit einigen Jahren richtet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz jährlich den Tag des offenen Denkmals aus und fördert damit die Wahrnehmung und Bewahrung des historischen und kulturellen Erbes. Mehr als 4 Millionen Besucher nutzen in Deutschland jedes Jahr jeweils am zweiten Sonntag im September diese Gelegenheit zu einer Zeitreise in die Vergangenheit und besichtigen Baudenkmale, die entweder meist verschlossen sind oder in Vergessenheit gerieten. So kann man einen Tag lang Denkmalschutz "live" erleben.

Im September 2005 präsentierte der Museumsverbund Pankow in Berlin ein Projekt in Zusammenarbeit mit Schülern des Ossietzky- Gymnasiums in Berlin-Pankow über den örtlichen Park "Schönholzer Heide" und seine Geschichte. Die Schüler recherchierten in einwöchiger Projektarbeit unterstützt von zwei vom Museumsverbund beauftragten Historikerinnen, Andrea Rudorff und Ulrike Huhn, die Geschichte eines dort 1947 bis 1949 errichteten sowjetischen Ehrenmals, einer Kriegsgräberstätte und eines Zwangsarbeitslagers. Sie rekonstruierten Biografien von Opfern und präsentierten die Ergebnisse ihrer Arbeit zum Tag des offenen Denkmals am 11. September 2005 durch temporäre Informationstafeln sowie öffentliche Führungen im Gelände.

Die sorgfältig erforschte, mit zahlreichen Fotos und Dokumenten ansprechend edierte Broschüre ist im Berliner Textpunktverlag erschienen. Sie regt an, diesen den meisten Berlinern sicher kaum bekannten Ort neu zu entdecken. Wie kaum ein anderer Ort im Nordosten Berlins ist die Entwicklung und Nutzung der "Schönholzer Heide" von einer Vergnügungsstätte zum Gedenkort auf vielschichtige Weise mit der Stadtgeschichte, insbesondere jedoch den Ereignissen und Nachwirklungen des Zweiten Weltkrieges verbunden.

Die "Schönholzer Heide" mit einer Fläche von insgesamt 35 Hektar ist eine der größten Grünanlagen im Berliner Nordosten. Nach der Maueröffnung rückte sie aus der Randlage, ist wieder Ausflugziel auch für die Bewohner der angrenzenden Stadtbezirke und bietet viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Nur wenig erinnert noch an die äußerst wechselvolle Geschichte dieses Parks: Im 18. Jh. wurde hier eine Maulbeerplantage mit Raupenzucht zur Gewinnung von Seide angelegt. An die lange Tradition dieses Gebietes als Ausflugs- und Vergnügungsstätte erinnern nur noch wenige Spuren, darunter im Südosten die baulichen Überreste des sogenannten Schlosses Schönholz, die in einem der berühmtesten Berliner Gassenhauer "Bolle reist zu Pfingsten, und Pankow war sein Ziel" das Treiben hier um 1900 beschreibt.

Mitte der 1930er Jahre erregte die Schönholzer Heide berlinweit Aufmerksamkeit, weil im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1936 der Vergnügungsparks "Lunapark" in Halensee auf das Gelände verlegt wurde. Im Krieg wurden Zwangsarbeiter, darunter Frauen und Kinder, die in den deutschen Waffen- und Munitionswerken (DWM) in Reinickendorf und andernorts arbeiten mussten, hier in einem Barackenlager untergebracht, das offiziell Luna-Lager hieß und das zweitgrößte Zwangsarbeitslager in Berlin war.

Todesfälle und Bestattungsorte dieser Lagerbewohner sind in den Standesamtsregistern des Bezirksamtes Pankow und den Gräberlisten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung/ Bereich Gräberwesen dokumentiert. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg war die Schönholzer Heide ein Ort der Totenruhe. Das Gelände grenzt unmittelbar an den Friedhof Pankow. Weithin sichtbar ist der Obelisk des sowjetischen Ehrenmals. Neben dem bekannteren in Treptow erinnert diese ebenfalls monumental gestaltete Anlage an die über 20.000 bei der Befreiung Berlins im Frühjahr 1945 gefallenen Soldaten der Roten Armee. Im Mittelpunkt der Anlage steht die Bronzefigur "Mutter Heimat" des Bildhauers Perschudtschew, für dessen Anfertigung die damals 19jährige Berlinerin Käthe Strelow Modell saß.

Von der feierlichen Einweihung in Schönholz am 7.11.1949 wurde in der Öffentlichkeit kaum Notiz genommen. Im Gegensatz zu dem Ehrenmal in Treptow war das Ehrenmal in Schönholz nicht nur ein Denkmal der Sieger, sondern der Opfer des Krieges, darunter auch einer Anzahl sowjetischer Kriegsgefangener, die hier beigesetzt wurden. Bis 1989 war dieser Ort in der DDR zwar Bestandteil der Traditionspflege, stand jedoch im Schatten des Treptower Ehrenmals und wurde auch wegen seiner Lage im Grenzgebiet vorwiegend vom Stadtbezirk Pankow genutzt. Nach 1989 wurde es still um diesen Ort, der damals schon sanierungsbedürftig war. Für seinen Erhalt ist heute der Bund zuständig.

Die Autorinnen rekonstruieren anschaulich in vier Abschnitten mit zahlreichen Abbildungen auf der Basis neuer Quellenfunde die verschiedenen historischen Schichten der Nutzung der Schönholzer Heide und dokumentieren damit verknüpfend die wechselvolle Gesamtgeschichte. Dieser sehr zu empfehlende Band macht die neu gefundenen Quellen öffentlich und versteht sich zugleich als Anregung für die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte vor der eigenen Haustür.

Beachten Sie bitte hierzu auch das Schülerprojekt auf dieser Webseite: [node:4320]

 

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