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Der Völkermord in Ruanda im Film

In der Nacht zum 07.04.1994 begannen die ersten Massaker gegen moderate Hutu und gegen die Tutsibevölkerung in der ruandischen Hauptstadt Kigali. Der geplante Massenmord wurde in den folgenden Tagen im gesamten Land fortgesetzt. In ca. 3 Monaten wurden mehr als 800.000 Menschen ermordet. Dies alles geschah unter den Augen der Weltöffentlichkeit. Bis heute ist der Genozid in Ruanda kein vieldiskutiertes Thema.

Jedoch sind seither einige bekannte Spielfilme und Dokumentationen veröffentlicht worden, die im Unterricht eingesetzt werden können, um über die Massaker und ihre Folgen ins Gespräch zu kommen. Die bekanntesten möchten wir im Folgenden kurz vorstellen. Dabei möchten wir darauf verweisen, dass der Einsatz aller vier Filme im Unterricht nicht ganz problemlos ist. In der historisch-politischen Bildung über den Nationalsozialismus ist es in den letzten Jahren weitgehend zum Konsens geworden, Jugendliche nicht mit Bildern von den Ermordeten zu überfordern und zu überwältigen. Die Darstellung von Massenmorden und Vergewaltigungen im Ruanda der 1990er Jahre sind für Zuschauende ebenso schwer zu ertragen. Da es unmöglich ist, sich einerseits gemeinsam mit den Jugendlichen Filme zum Völkermord in Ruanda anzuschauen und andererseits vor den überwältigenden Bildern des Grauens zu schützen, ist eine didaktische Vorbereitung des Films notwendig. So sollte vorab mit über Inhalt, Dramaturgie und Filmgestaltung gesprochen werden und das Zuschauen freiwillig sein. Ein weiterer Gesprächsgegenstand muss die Problematisierung von „Afrikabildern“ der Jugendlichen sein. Die Beschäftigung mit dem Genozid in Ruanda unterliegt der Gefahr, die ohnehin vorhandenen rassistisch aufgeladenen stereotypen Bilder von „barbarisch geführten Stammeskonflikten“ zu bestätigen, statt die Jugendlichen zu einer differenzierten Auseinandersetzung zu Ursachen und dem Verlauf und den Folgen des Völkermordes anzuregen. Somit bedarf es einer Auseinandersetzung darüber, welche (inneren) Bilder die Jugendlichen zum Thema mitbringen und woher diese Bilder eigentlich stammen. Auf der Basis verschiedener Quellen sollte danach ein differenzierteres Bild bzw. Kontextwissen entwickelt werden, um im Anschluss mit einem der gezeigten Filme weiterzuarbeiten.

Der TV-Sender Arte hat ein umfangreiches Dossier zum Thema erstellt (http://www.arte.tv/ruanda). Es enthält neben Informationen und Interviews auch vier Dokumentarfilme, die online geschaut werden können.

„Shake Hands With The Devil“ - Handschlag mit dem Teufel

(Englische Fassung, 91 min)

In seinem Dokumentarfilm portraitiert der kanadische Regisseur Peter Raymont den Kanadier Roméo Dallaire. Von der restlichen Welt im Stich gelassen, kommandierte er 1993-1994 die hoffnungslos unterbesetzten UN-Schutztruppen in Ruanda (UNAMIR). So musste er zehntausende wehrlose Menschen dem sicheren Tod überlassen. Nach seiner Rückkehr in die kanadische Heimat stand er kurz vor dem Selbstmord. Heute ist er nach seiner Pensionierung ein international geachteter Menschenrechtsaktivist, der sich insbesondere zu den Themen „Kindersoldaten“ und „Umgang mit posttraumatischen Stresssyndrom“ engagiert. 2005 wurde er zum kanadischen Senator ernannt. Der Film begleitet Dallaire auf seinem ersten Besuch in Ruanda zehn Jahre nach dem Genozid und basiert auf seinem gleichnamigen autobiographischen Buch. Er beschreibt den chronologischen Verlauf des Genozids, reflektiert die Rolle der internationalen Gemeinschaft und und das Gedenken, zehn Jahre nach dem Massaker.

Dabei bleibt der Film nicht unparteiisch. Klar zeigt er Dallaires Vorwürfe gegenüber der Ignoranz der westlichen Welt und sein Unverständnis gegenüber den ruandischen Tätern und ihren Verbrechen. Beeindruckend ist der offene Einblick, den Dallaire in seine persönliche Verarbeitung des Geschehens entlang seines Selbstverständnisses als soldatischem Mann zulässt. Dabei geht es um Schuldgefühle Verbrechen nicht verhindert zu haben, selbst überlebt zu haben und als General den Tod von mehreren UN-Soldaten verantworten zu müssen.

Der Film ist in der Sek. II z.B. im Rahmen des Englischunterrichts gut einsetzbar. Für wenig vorinformierte Zuschauer/innen kann der stetige Wechsel zwischen den dokumentarischen Szenen aus 2004 und 1993/94 jedoch verwirrend sein, auch weil einige der Szenen aus den 90er Jahren nicht als Archivmaterial gekennzeichnet oder mit Quellenangaben versehen sind.

"Hotel Rwanda" - Hotel Ruanda

(Deutsche Fassung, 129 min)

Der britische Regisseur Terry George erzählt die wahre Geschichte von Paul Rusesabagina. Der Manager des Hotels »Mille Collines« in Kigali rettete während des Genozids mehr als 1.200 Flüchtlinge vor dem sicheren Tod. Erst kurz vor Ende des Bürgerkriegs konnten sich die Flüchtenden sich über die Grenze in Sicherheit bringen. Paul Rusesabagina lebt heute mit seiner Familie in Brüssel und leitet ein Taxi-Unternehmen.

Dieser wohl bekannteste Film über den Genozid erzählt die Geschichte der Massaker, anhand der Ereignisse in der Hauptstadt Kigali im Hotel „Mille Collines“, wo die Flüchtlinge Schutz finden. Dabei thematisiert er insbesondere das Nichteingreifen der internationalen Gemeinschaft beim Genozid und die Zusammenarbeit der Akteure des Mordens – der nichtstaatlichen Milizen (Interahamwe) und der ruandische Armee. Im Vergleich zu anderen Filmen arbeitet dieser mit weniger grausamen Bildern. Trotzdem empfehlen wir einen Einsatz des Films im Unterricht erst ab einem Alter von 15 Jahren.

Vorschläge zur pädagogischen Arbeit mit dem Film stellt Amnesty International zur Verfügung: http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/AlleDok/45211630CB9315D3C1256FD60038752C/$FILE/Film_Ruanda.pdf

„Sometimes in April“ - Als das Morden begann (bzw.) Immer wieder im April

(Englische Fassung mit dt. Untertiteln, 139 min)

Der Spielfilm des in Haiti geborenen Regisseurs Raoul Peck, erzählt die Geschichte zweier Brüder während des Völkermordes. Der eine ruft als Radiomoderator zum Hass und zum Morden auf, der andere, ein Offizier der ruandischen Armee, verweigert das Morden, verliert seine Frau und drei Kinder und wird selbst zum Gejagten. Zehn Jahre nach dem Völkermord - wieder im April - treffen sich beide Brüder am Rande eines UN-Tribunals wieder. In Rückblenden wird von der Geschichte der Familie und ihrer Freunde berichtet, die mit grausamen Massakern in Kirchen und Schulen verbunden ist.

Mit den Darstellungen der Morde geht der Film immer wieder an die Grenzen dessen, was man als Filmkonsument aushalten kann. Damit gelingt ihm eine Darstellung des Genozids, die zwar für die Zuschauenden weniger gut ertragbar ist als „Hotel Ruanda“, welcher mit einer Rettungsgeschichte endet, aber hilft ein angemesseneres Bild von der Geschichte der Massaker zu entwickeln. Eine weitere Stärke des Filmes ist, dass er die Frage juristischer Aufarbeitung aufwirft, in dem er seine Handlung am Tribunal (ICTR) in Arusha (Tansania) ansiedelt und den Film mit Szenen eines sog. Gacaca-Courts enden lässt. Der Film ist ab 16 Jahren zu empfehlen.

"Shooting Dogs"

(Deutsche Fassung, 115 min)

Zwar beruht auch dieser Film auf einer wahren Begebenheit, im Gegensatz zu Terry Georges „Hotel Ruanda“ erzählt der Brite Michael Caton-Jones seine Geschichte jedoch aus dem Blickwinkel zweier Europäer. In den ersten Tagen nach Beginn des Genozids finden über 2.500 Flüchtlinge – Tutsis, gemäßigte Hutus und westliche Touristen – Schutz in einer Schule („Ecole Technique Officielle“), die auch Stützpunkt von UN-Soldaten ist. Zusammen mit seinem Assistenten, einem idealistischen jungen Lehrer, versucht der Leiter der Schule - ein desillusionierte Priester - zunächst, den Flüchtlingen zu helfen, stößt aber schnell an seine Grenzen. Als die Schule von Hutu-Milizen umstellt wird, können auch die bewaffneten Blauhelme den Flüchtlingen keinen Schutz bieten. Ihr Mandat bevollmächtigt sie nur dazu, auf streunende Hunde zu schießen, die die verwesenden Leichen fressen, nicht aber auf die Urheber der Massaker selbst.

Der Film stellt die Frage, ob es vertretbar ist, die eigene Haut zu retten, während andere dem sicheren Tod ausgeliefert werden. Während er die Frage für die weißen Zivilisten durch das Filmende bejaht, geht er mit den UN-Soldaten kritischer um. Der Abzug der belgischen UN-Soldaten wird als der zentrale Moment des Versagens der internationalen Gemeinschaft inszeniert. Aufgrund der expliziten Gewaltdarstellungen ist der Film erst ab einem Alter von 16 Jahren zu empfehlen.

 

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