Referral comic

Die Suche

Ein Comic für den Geschichtsunterricht

Eric Heuvel, Ruud van der Rol, Lies Schippers: Die Suche. Amsterdam 2007, 61 S., € 7,50

„Die Suche“ ist der kontrovers diskutierte Fortsetzungsband von „Die Entdeckung“, dem ersten niederländischen Comic über den Holocaust. „Die Suche“ portraitiert das Schicksal der fiktiven jüdischen Familie Hecht, erzählt von Helena Hecht, der Tochter der Familie. Sie berichtet im Jahr 2007 ihrem Enkel Daniel und seinem Freund Jeroen von der Verfolgung ihrer Familienmitglieder, beginnend mit der Wahl Hitlers, deren Folgen die wohlhabende bürgerliche Familie rasch zu spüren bekommen.

Helenas Eltern werden schließlich nach Auschwitz deportiert, Helena kann sich jedoch mithilfe nicht-jüdischer Bekannter versteckt halten. Durch die Erzählungen seiner Großmutter vom Interesse an seiner Familiengeschichte gepackt, beginnt Helenas Enkelsohn Daniel im Internet nach Helenas ehemaligem Nachbarsjungen zu recherchieren. Als Daniel ihn in Israel ausfindig machen kann, erfährt Helena von ihm nach jahrzehntelanger Suche und Ungewissheit wie ihre Eltern in Auschwitz den Tod gefunden haben.

Die gewählte Erzählweise bewirkt eine gewisse Distanz des Lesers zu den Schrecken der Judenverfolgung, dadurch, dass die Geschichte ihren Ausgang in der Gegenwart nimmt. In Rückblenden erzählt Helena ihre Geschichte, doch sie wird immer wieder von Nachfragen ihres Enkels in die Gegenwart zurückgeholt. Die Herausgeber hoffen wohl auf diese Weise junge Leser emotional nicht zu überfordern.

Der Autor Eric Heuvel zeichnete Helenas Geschichte im Stil von Hergé, dem Erfinder der berühmten Tim und Struppi Comics, mit klaren Linien und bunten, wenn auch gedeckten Farben. Schon die Wahl seines Zeichenstils führte zu einiger Kritik, da ihm vorgeworfen wurde durch seine Aufbereitung die Schrecken des Holocaust zu verharmlosen. Weder die Farbgebung, noch der reduzierte Stil der Figuren seien dem angemessen, so die Kritiker.

Neben der Farbgestaltung ist auch die stereotype Visualisierung der Figuren nicht unumstritten. Während alle jüdischen Figuren in der Geschichte schwarzhaarig dargestellt wurden, entschied sich der Autor alle nicht-jüdischen Niederländer blond oder rothaarig zu zeichnen. Die deutschen Besatzer sind anhand ihrer Uniformen leicht zu identifizieren. „Die Geschichte lässt die Handlungsspielräume von Tätern, Zuschauern, von Verfolgten und ihren Helfern anschaulich werden“, so die Studie.

Das Dilemma der Reduktion ist wohl charakteristisch für das Medium Comic. Art Spiegelmans „Maus“ erntete bspw. herbe Kritik für seine Darstellung der Juden als Mäuse und der Deutschen als Katzen. (Mehr dazu finden Sie in Hans-Jürgen Pandels Artikel „Mauschwitz“ in: Geschichte Lernen Nr. 37 (1994))

Irreführend mag in dieser Debatte die Bezeichnung „Comic“ sein, englischsprachige gezeichnete Reportagen dieser Art tragen meist die Bezeichnung „Graphic novel“, um sich abzugrenzen. Das wohl bekannteste Beispiel dieser Art ist „Maus“, die preisgekrönte grafisch dargestellte Reportage über die Holocausterfahrung seines Vaters von Art Spiegelman aus dem Jahr 1989. Sie zeichnen sich durch eine expressive Grafik aus, meist erzählen die Autoren ihre Geschichte aus einem ganz individuellen Blickwinkel heraus, ohne ihren Werken dabei einen expliziten pädagogischen Wert beimessen zu wollen.

Ein anderes Ziel verfolgen hingegen die Herausgeber von „Die Suche“. Der Comic ist explizit für den Geschichtsunterricht in der 7. – 10. Klassenstufe entwickelt worden.

Die Wirkung und der Nutzen des Werkes für den Geschichtsunterricht sind dabei im Sommer 2008 in einer umfassenden Untersuchung des Anne Frank Zentrums evaluiert worden. Dabei wurden insgesamt 1400 SchülerInnen und LehrerInnen befragt. 72% der Befragten fanden die Geschichte „spannend“, es hätten sich außerdem intensive und empathische Unterrichtsgespräche besonders zum Thema Konzentrationslager entwickelt, so die Untersuchung. Näheres zur Auswertung können sie unter unten stehendem Link nachlesen.

Die Verantwortlichen haben mit diesem Projekt pädagogisches Neuland betreten. Sein Nutzen für den Geschichtsunterricht ist bisher schwierig zu verorten, die Chancen, die es mit sich bringt, sollten allerdings nicht außer Acht gelassen werden.

Links

Nach einer kostenlosen Registrierung kann der Abschlussbericht des Pilotprojektes herunter geladen werden: http://www.annefrank.de/service/downloads/.
Weitere Informationen erhalten Sie unter: http://annefrank.org/content.asp?PID=775&LID=3

 

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