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Über Massenverbrechen richten

Isabelle Löwe ist Juristin und mehrfach ausgezeichnete Debattiererin. Sie leitet das Projekt „Model International Criminal Court“.
Von Isabelle Löwe

MICC School ist eine Simulation des Internationalen Strafgerichtshofes (International Criminal Court, ICC) für Schülerinnen und Schüler aus ganz Europa. Seit 2005 bringt MICC School zwei Mal jährlich 50 Schülerinnen und Schüler zwischen 16 und 19 Jahren aus Deutschland, Polen und einem jeweils anderen dritten europäischem Land zusammen, die dann in die Rollen als Strafverfolger, Verteidiger, Richter und Journalisten schlüpfen und so die Mechanismen der internationalen Gerichtsbarkeit kennen lernen. Betreut werden sie von 6 Lehrkräften und 10 Trainer/innen und Betreuer/innen. Die Projektsprache ist Englisch.

Durch MICC School werden Schülerinnen und Schüler an zentrale Problemstellungen des Menschenrechtsschutzes und grundlegende Gerechtigkeitsvorstellungen herangeführt. MICC School (und das Schwesterprojekt MICC University, siehe http://www.model-icc.org) ermutigt junge Menschen zur Beschäftigung mit Menschenrechten und deren Durchsetzung im Rahmen des internationalen Strafrechts. Die Teilnehmer/innen lernen, ihren Alltag mit offenen Augen zu betrachten und gegen Menschenrechtsverletzungen einzustehen. Die simulierten Gerichtsverhandlungen sind eingebettet in ein Programm bestehend aus Trainingseinheiten, Workshops und Diskussionsrunden. Durch den multinationalen Charakter und die Arbeit in integrierten Gruppen legt MICC School auch eine Grundlage für interkulturellen Dialog und gegenseitiges Verständnis zwischen Teilnehmenden unterschiedlicher Nationalität und Kultur.

MICC School verfolgt vier zentrale Ziele:

  • Die Veranstalter wollen junge Menschen für Menschenrechte und ihren Schutz sensibilisieren. Dazu sind Kenntnis über grundlegende Schutzmechanismen unerlässlich: Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, das Prinzip persönlicher Verantwortung für Rechtsverstöße, das Recht auf einen fairen Prozess im Angesicht des Unrechts sowie die Bedeutung von Toleranz in liberalen, rechtsstaatlich verfassten Gesellschaften.
  • Die Teilnehmer/innen entwickeln bei MICC School eigene Meinungen und Positionen und lernen, diese argumentativ darzustellen und zu reflektieren. Dabei legen wir großen Wert darauf, gesellschaftliche Stereotypen und Vorurteile kritisch zu hinterfragen. Auch komplexe Situationen werden gründlich analysiert und von verschiedenen Seiten betrachtet.
  • MICC School betont die Gemeinsamkeiten europäischer Kulturen. Im Zentrum der Arbeit steht die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) als Grundlage des Menschenrechtsschutzes aller europäischen Staaten. Der internationale Charakter des Projekts fördert den Jugendaustausch zwischen Ost- und Westeuropa. Durch integrative Maßnahmen und trinationale Teams wird der schnelle Abbau von Hemmungen im Umgang miteinander sichergestellt und gegenseitiges Verständnis ermöglicht.
  • Schließlich dient MICC School auch der politischen Bildung im Sinne der Institutionenkunde.

Leider ist diese Selbstverpflichtung der Staatengemeinschaft zur Ahndung gravierender Menschenrechtsverletzungen sowie die Funktionen der internationalen Strafgerichtsbarkeit kein gesellschaftliches Allgemeingut. MICC School trägt durch die Verbindung von Simulation mit Menschenrechtsbildung zur Verkleinerung dieser Lücke bei. Kernstück des Projektes ist die Simulation der Schlussplädoyers historischer Fälle, die bereits im Rahmen der Nürnberger Prozesse, vor dem Internationalen Tribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) oder dem Internationalen Tribunal für Ruanda (ICTR) gehört und verhandelt wurden. Diese werden für die Jugendlichen gekürzt und aufgearbeitet. In trinationalen Teams übernehmen die Schülerinnen und Schüler dann die Rollen der Ankläger, Verteidiger und Richter. Beobachtet werden die Verhandlungen von einem Presseteam, welches darüber in unterschiedlichen Formen bericht erstattet. Jeder der Fälle behandelt das Verhalten eines Angeklagten in einer historischen Situation. Dabei enthält jeder Fall entlastende wie auch belastende Elemente, so dass die Teilnehmer/innen sich mit der individuellen Tat und Schuld der Angeklagten befassen und zu einem eigenen Urteil kommen müssen. Dabei sind die Dilemmata stets prinzipieller Natur (z.B. Zulässigkeit von Notwehr oder Berufung auf höhere Befehle), so dass keine juristischen Vorkenntnisse zur Erörterung notwendig sind.

Neben der Simulation und den Trainings sind drei weitere Aktivitäten in Kreisau zu erwähnen:

  • Zum einen legt MICC School besonderen Wert auf integrative Maßnahmen. Spielerisch werden die Jugendlichen miteinander vertraut gemacht, um Hemmnisse im Umgang miteinander zu überwinden und Austausch zu ermöglichen.
  • Durch Zeitzeugen sorgen wir für zusätzliche Anschaulichkeit der Fälle. So hat z.B. die bosnische Autorin Zlata Filipovic den Teilnehmenden ihre Erlebnisse im belagerten Sarajevo geschildert und mit ihnen über Frieden, Krieg und Menschenrechte diskutiert.
  • Soweit möglich, werden Kurzseminare und Diskussionen in den Tagesablauf integriert.

Neben einer Einführungsveranstaltung zum ICC selbst werden die Jugendlichen und auch Lehrkräfte im Rahmen einer Tour durch das historische Kreisau mit der Geschichte des Kreisauer Kreises und des deutschen Widerstandes gegen das Naziregime vertraut gemacht. Das Projekt wurde von der Kreisau-Initiative Berlin e.V. entwickelt und findet gemeinsam mit der Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung zweimal jährlich statt. Gefördert wird das Projekt durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Berlin).

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Projektes: http://www.model-icc.org/micc-school.html

 

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