Referral web

Multimediale Projekte und Angebote zur Erinnerung an das Ende des Krieges vor 80 Jahren

Tobias Rischk ist Redaktionsassistent beim Magazin „Lernen aus der Geschichte“. Er ist freiberuflicher Historiker mit dem Schwerpunkt Geschichte des Nationalsozialismus, Biografien jüdischer Berliner:innen, Geschichte der Extremen Rechten nach 1945 und Erinnerungskultur im Berliner Stadtraum. Als Guide bietet Tobias Rischk Führungen mit dem lokalhistorischen Schwerpunkt Berlin an.

Tobias Rischk

„Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. […]  der 8. Mai 1945 ist ein Datum von entscheidender historischer Bedeutung in Europa.“ (Weizsäcker 1985). So begann Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 seine Rede, die eine erinnerungskulturelle Wende einleiten sollte.

Am 8. Mai 1945 wurde nicht nur Deutschland, sondern Europa von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft befreit. Von Weizsäcker betonte daher auch, dass Menschen aus den verschiedenen europäischen Ländern das Kriegsende ganz unterschiedlich erinnern. Im Folgenden werden einige aktuelle Veranstaltungen, Angebote und Projekte zum Thema vorgestellt, die diese unterschiedlichen Erinnerungen thematisieren.

Die Sonderausstellung: Polen zwischen Befreiung und erneuter Fremdherrschaft

Das Pilecki-Institut in Berlin präsentiert eine multiperspektivische Sonderausstellung mit dem Titel Kriegsenden in Polen.

Gezeigt wird eine Zusammenschau aus Interviews mit polnischen und jüdischen Zeitzeug:innen, die auf das Ende des Krieges vor 80 Jahren blicken. Das Quellenmaterial wurde von Schüler:innen der Oberbarnimschulen Eberswalde ausgewertet und für die Ausstellung aufbereitet. Der Fokus liegt dabei auf Polen, das nach der Befreiung von der deutschen Besatzung und Gewaltherrschaft in die kommunistische Herrschaftssphäre integriert wurde.

Die Sonderausstellung ist seit dem 6. Mai 2025 für interessierte Besucher:innen im Pilecki-Institut am Pariser Platz 4A in Berlin zu sehen.

Wie blicken die ehemals besetzten Länder auf das Kriegsende? – Ein Podcast-Spezial zum 8. Mai

Der Podcast Der Rest ist Geschichte im Deutschlandfunk beleuchtet seit circa zwei Jahren gegenwärtige politische Ereignisse im Lichte der Historie. Für das Gedenken an 80 Jahre Kriegsende haben die Podcaster:innen die europäische Perspektive eingenommen und sich gefragt, wie das Kriegsende in den ehemals vom Deutschen Reich besetzten Ländern erinnert wird. Dazu wurden Expert:innen zu den Ländern Polen, Frankreich, Dänemark, der ehemaligen Tschechoslowakei und den Niederlanden interviewt.

In einer weiteren Reihe werden erinnerungskulturelle Wendepunkte mit Bezug auf das Kriegsende in Deutschland beleuchtet: die Ausstrahlung der Serie Holocaust im deutschen Fernsehen 1979, die Weizsäcker-Rede von 1985, die Frankfurter Auschwitzprozesse der 1960er Jahre oder die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in der DDR.

Das Kriegsende in der Provinz – Erlebnisberichte und Erinnerungen

Schon seit Längerem sammelt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V. auf seiner Homepage Erlebnisberichte zum Kriegsende 1945. Der Blick soll dabei auf die Zeitgenossenschaft der Zivilbevölkerung gerichtet sein, die sich zwischen der Todesgefahr der letzten Kriegstage und einem bangen Blick in die Zukunft wiederfanden: Erlebnisberichte zum Kriegsende 1945.

Übergeordnet leitend ist bei den Berichten die Frage nach der Erinnerung: Wurde das Kriegsende 1945 als Befreiung oder als Niederlage wahrgenommen?

Zeitzeug:innen begegnen – Virtual Reality macht es möglich

Besonders greifbar wird Geschichte für Menschen, besonders Kinder und Jugendliche, wenn Zeitzeug:innen berichten. Solche Gelegenheiten, bei denen diese z. B. Schulen besuchen, wird es jedoch mit Blick auf das hohe Alter der letzten Zeitzeug:innen in absehbarer Zeit nicht mehr geben.

Die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte begegnet diesem Umstand mit dem Projekt In Echt?. In diesem ermöglicht es eine Virtual-Reality-Anwendung, Zeitzeug:innen aus der Zeit des Nationalsozialismus zu begegnen. Bis zum 11. Mai 2025 steht der Ausstellungstruck noch in Potsdam, bevor er dann auf eine Tour durch Deutschland geht: Die bundesweite Tour des In Echt-Projekts.

Sich dem Thema Kriegsende tanzend nähern

Ein besonders spannendes Projekt findet anlässlich des 80. Jahrestags des Kriegsendes in der deutsch-französischen Grenzregion am Oberrhein statt. Mittels der „Dancing for Trust“-Methode nähern sich Jugendliche dem Thema Besatzung, Kriegsende und Befreiung jenseits von Worten in tänzerischer Form.

In dem Projekt Brücke für die Zukunft haben sich Jugendliche ein Jahr lang mit Biografien aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. In einem Workshop vom 12. – 16. Mai 2025 werden die Ergebnisse dieser Arbeit in eine Choreografie umgewandelt. Das Highlight werden die Tanzaufführungen im deutsch-französischen Kulturzentrum Art’Rhena am 17. und 18. Mai sein: Brücke für die Zukunft.

Konferenz: Neue Impulse für die Erinnerung an das Ende des Kriegs in Europa

Anfang April (8.-10. April 2025) kamen renommierte Historiker:innen in Berlin zur Konferenz Erfahrung, Erinnerung und Instrumentalisierung: Das lange Kriegsende in Europa zusammen. Auf der wissenschaftlichen Fachtagung wurde darüber diskutiert, welche Narrative und Interpretationen bisher in den europäischen Ländern mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verbunden sind und welche neuen Impulse der Erinnerung es braucht, um das Gedenken an das Kriegsende angemessen zu gestalten und zu begehen.

Die Referent:innen der Tagung nahmen das „lange Kriegsende“ in Europa verstärkt in den Blick. Ein Schwerpunkt lag dabei auf Ost- und Südosteuropa. In sechs Panels und einem Abendvortrag ging es um die militärische Dimension des Kriegsendes und die Grenzziehungen, die eigenen nationalen Erinnerungen, um Lager, Repression und Verfolgungspraxis nach dem Kriegsende sowie um die juristische Aufarbeitung der NS-Verbrechen. Die Auswahl der Vortragenden war bewusst international angelegt, sodass unterschiedliche (nationale) Perspektiven auf das Thema sichtbar wurden. Dabei wurde immer wieder deutlich, wie verschieden der Begriff „Kriegsende“ in den einzelnen europäischen Nationalstaaten verstanden wird und dass er je eigenen Zeitdimensionen unterliegt.

Die Konferenz wurde live gestreamt und alle Vorträge und Diskussionen können in deutscher und englischer Sprache über den Youtube-Kanal der Bundesstiftung abgerufen werden:

 

Literaturangaben und Empfehlungen

"Kriegsenden in Polen", in: berlin.instytutpileckiego.pl/de, URL: https://berlin.instytutpileckiego.pl/de/events/Kriegsende [eingesehen am 26.04.2025].

Erfahrung, Erinnerung und Instrumentalisierung: Das lange Kriegsende in Europa: Tag 1, in: @bundesstiftungaufarbeitung [Youtube Channel], URL: https://www.youtube.com/watch?v=NPQkHDqL13w [eingesehen am 26.04.2025].

Erfahrung, Erinnerung und Instrumentalisierung: Das lange Kriegsende in Europa: Tag 2, in: @bundesstiftungaufarbeitung [Youtube Channel], URL: https://www.youtube.com/watch?v=95t3uzHdLDQ [eingesehen am 26.04.2025].

Erfahrung, Erinnerung und Instrumentalisierung: Das lange Kriegsende in Europa: Tag 3, in: @bundesstiftungaufarbeitung [Youtube Channel], URL: https://www.youtube.com/watch?v=Nhu78jsefsU [eingesehen am 26.04.2025].

Der Rest ist Geschichte: Kriegsende in Polen – bittere Befreiung, in: deutschlandfunk.de URL: https://www.deutschlandfunk.de/deutschland-polen-geschichte-weltkrieg-100.html [eingesehen am 26.04.2025].

Der Rest ist Geschichte: Das Wunder der deutsch-französischen Aussöhnung, in: deutschlandfunk.de URL: https://www.deutschlandfunk.de/deutschland-frankreich-weltkrieg-versoehnung-100.html [eingesehen am 26.04.2025].

Der Rest ist Geschichte: Versöhnung auf Dänisch, in: deutschlandfunk.de URL: https://www.deutschlandfunk.de/daenemark-deutschland-weltkrieg-geschichte-100.html [eingesehen am 26.04.2025].

Der Rest ist Geschichte: Deutsche, Tschechen und die Last der Vergangenheit, in: deutschlandfunk.de URL: https://www.deutschlandfunk.de/tschechoslowakei-deutschland-geschichte-weltkrieg-100.html [eingesehen am 26.04.2025].

Der Rest ist Geschichte: Niederlande – Wunden, Wut und späte Selbstkritik, in: deutschlandfunk.de URL: https://www.deutschlandfunk.de/niederlande-deutschland-besatzung-geschichte-100.html [eingesehen am 26.04.2025].

Erinnerungen an 1945, in: Volksbund.de, URL: https://www.volksbund.de/erinnern-gedenken/erinnerungen-an-1945 [eingesehen am 01.03.2025].

Bundesweite Tour: „In Echt? Begegnungen mit NS-Zeitzeug:innen“, in: www. gesellschaft-kultur-geschichte.de, URL: https://gesellschaft-kultur-geschichte.de/brandenburg-museum/bundesweite-tour-in-echt-begegnungen-mit-ns-zeitzeuginnen/ [eingesehen am 29.04.2025].

Tanz, in: brueckefuerdiezukunft.de, URL: https://brueckefuerdiezukunft.de/tanz/ [eingesehen am 01.03.2025].

Weizsäcker, Richard von: Rede auf der Gedenkveranstaltung im Plenarsaal des Deutschen Bundestages zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1985, in: Der Bundespräsident, URL: https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Richard-von-Weizsaecker/Reden/1985/05/19850508_Rede.html?nn=129626 [eingesehen am 01.03.2025]. 

 

Add comment

CAPTCHA
This question is for testing whether you are a human visitor and to prevent automated spam submissions.
Image CAPTCHA
Enter the characters shown in the image.