Judith Mayer studierte an der Université Marc Bloch, Strasbourg und der Friedrich-Schiller-Universität, Jena. Von 2008 bis 2013 arbeitete sie als Museumspädagogin in Jena, Gera, Leipzig und München. Seit 2013 ist sie Museumspädagogin in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt.

von Judith Mayer

Umweltschutz war das zentrale Thema in drei Ferienwork­shops in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt. Im (auch virtuellen) Raum standen die Fragen: Wie sah die Umweltbewegung der 1980er Jahre in der DDR aus? Kann sie mit der heutigen Fridays-for-Future-Bewe­gung verglichen werden? Und welche Anregungen nehmen die Teilnehmer*innen aus den Workshops mit?

FILMING FOR FUTURE? UMWELTSCHUTZ MEETS STOP-MOTION

Aus einem Wald wächst eine Fabrik mit rauchenden Schornsteinen und großen Abflussrohren, ein Sauger filtert Plastikmüll aus dem Wasser und ein aus Schrott gebauter Roboter spricht über die Erderwärmung. Diese filmische Antwort auf die Frage: „Filming For Future? Umweltschutz meets STOP-MOTION“ fan­den elf jugendliche Teilnehmer*innen und der Medienpädagoge Kay Albrecht beim gleichnamigen Workshop im Frühling 2020. Die Teilnehmer*innen aus ganz Thüringen drehten jeweils zuhause eigene Legetrick­filme. Bei einem Legetrickfilm entsteht die Illusion von Bewegung vor allem durch die Verschiebung von Gegenständen zwischen den Einzelbildern. Der fertige Film besteht aus sechs kurzen Clips und fast 4000 aneinan­dergereihten Einzelbildern.

Bevor der Film entstand, hatte die Gruppe zunächst erste Ideen bei einem virtuellen Gedenkstättenrundgang durch die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt und bei einem Input zur Umweltbewegung der 1980er Jah­re in der DDR gesammelt. Einen besonderen historischen Einblick gab der Zeitzeuge Matthias Sengewald, der zu die­ser Zeit in Umweltgruppen in Erfurt aktiv war. Bei einem digitalen Zeitzeugengespräch stellten ihm die Teilneh­mer*innen Fragen und tauschten Gedanken mit ihm aus. Sie interessierten sich besonders für die Protestformen der Umweltbewegung in der DDR. Einige davon, wie etwa Fahrraddemonstrationen, kannten die Teilnehmer*innen und einige nutzen sie selbst.

Ein überraschender Aspekt für die Jugendlichen war ein sich anscheinend aus der Mangelwirtschaft ergebender nachhaltigerer Umgang mit Gegenständen wie Autos oder Küchengeräten in der DDR. „Statt etwas wegzuwerfen, musste repariert werden“, betonte Matthias Sengewald. Der sparsame Umgang mit Ressourcen und verschiede­ne Protestformen fanden Eingang in den mit gezeichne­ten Bildern und Legetricktechnik umgesetzten Kurzfilm. Er wurde mit dem Deutschen Generationenpreis 2021 ausge­zeichnet und ist auf dem YouTube Kanal der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße abrufbar. Die 21-jährige Stu­dentin Elisabeth sagte über den Workshop: „In den zwei Tagen haben alle viel Neues über die Umweltbewegung in der DDR erfahren können und mit diesen Denkanstößen tolle Comics erstellt.“

VOLL ÖKO: KANN MAN UMWELTSCHUTZ ZEICHNEN?

Die zehn Teilnehmer*innen des Online-Comicworkshops „Voll Öko: Kann man Umweltschutz ZEICHNEN?“ beant­worteten ihre Frage zusammen mit der Illustratorin Sandra Bach, indem sie über die Bedeutung von Klimaschutz und individuellem bewussten Handeln diskutierten. Auch die­se Gruppe tauschte sich mit einem Zeitzeugen aus: Aribert Rothe brachte Plakate aus den 1980er Jahren mit, die auf Umweltverschmutzung in der DDR aufmerksam machten. Im Gespräch erzählte er von Veranstaltungen, die er in die­ser Zeit zum Thema Umweltschutz im kirchlichen Kontext und im Rahmen sogenannter Basisgruppen in Erfurt orga­nisierte. Rothe betonte insbesondere die Rolle der Kirche für die Umweltbewegung der DDR sowie die Aufklärungs­arbeit über Waldsterben, Wasser- und Luftverschmut­zung. Letztere sei dringend erforderlich gewesen, weil die Umweltproblematik in der Öffentlichkeit seit Anfang der 1970er Jahre tabuisiert wurde. Eine Workshopteilnehmerin, die sich bei Fridays for Future engagiert, entdeckte im Ge­spräch mit dem Zeitzeugen viele Parallelen zu ihrem eige­nen Engagement.

Ergebnis des Workshops: Comicstreifen. © Stiftung Ettersberg | Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Erfurt

Aus den Erzählungen, etwa über heimlich gedruckte Flug­blätter, die in der Stadt verteilt wurden, entwickelten die Teilnehmenden im ersten Schritt eigene Figuren für ihre Comics. Im zweiten Schritt wurde dann je ein Bild für ei­nen gemeinsamen Comicstreifen entwor­fen. Darauf zu sehen sind: Smog über Erfurt, eine kirchliche Gruppe, die auf Umweltver­schmutzung aufmerksam machen möchte, heimlich Flugblätter druckt, damit die Stadt plakatiert, doch nicht merkt, wie sie dabei von der Stasi überwacht wird. Das kollabo­rative Kunstwerk war ab Frühling 2021 ein halbes Jahr auf einem großen Banner an der Außenmauer der Gedenkstätte zu sehen.

WIE KLINGT UMWELTSCHUTZ?

Auch zu Beginn des dritten Workshops „Wie klingt UMWELT­SCHUTZ?“ berichtete der Zeitzeuge Aribert Rothe von sei­nen Eindrücken aus der Umweltbewegung in der DDR. Er war in den 1980er Jahren Stadtjugendpfarrer in Erfurt, ent­sprechend betonte er die evangelische Kirche als Freiraum und Inspirationsquelle. Im Austausch mit ihm erfuhren die Teilnehmenden, dass sich Umweltaktivist*innen in der DDR oft im Geheimen organisierten. Rothe betonte: „In der DDR wurde Umweltschutz ganz schnell zu einem Tabu-Thema.“ Nach einem Besuch der Gedenk- und Bildungsstätte An­dreasstraße verarbeiteten die Teilnehmer*innen mit Hilfe der Musiker Norman Sinn und Marcus Ziegenrücker ihre Eindrücke zu einem Lied über ihre eigenen Sorgen bezüg­lich des Klimawandels. Im Refrain greifen sie eine Parole auf, die heute auf Demonstrationen, etwa von Fridays for Future, ge­rufen wird: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns­re Zukunft klaut.“ Das Mu­sikvideo ist ebenfalls auf dem YouTube-Kanal der Gedenk- und Bildungs­stätte Andreasstraße ab­rufbar.

Textteil des selbst gestalteten Liedes. © Stiftung Ettersberg | Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, Erfurt

Die Ferienworkshops werden durch die Bundeszentrale für Politische Bildung und von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen gefördert. Zum Aus­gangspunkt sie nahmen jeweils ein The­ma der Dauerausstellung der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße sowie die Besichtigung des historischen Ortes. Hin­zu kommt häufig ein Gespräch mit Zeit­zeug*innen, das die ersten Eindrücke um neue Aspekte erweitern kann. Dadurch äh­neln sich die Bestandteile der Ferienwork­shops stets. Jedoch entstehen durch die Diskussionen der Teilnehmer*innen unter­einander, mit Zeitzeug*innen und in der Zusammenarbeit mit Künstler*innen verschiedener Sparten stets kreative Formen der Aufarbeitung, deren Resultate uns immer wie­der aufs Neue erstaunen.

 

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