Susanne Schäffner-Krohn ist Kulturwissenschaftlerin und pädagogische Mitarbeiterin der Gedenkstätten Brandenburg an der Havel.

von Susanne Schäffner-Krohn

 

Geschichte des historischen Ortes

Die Gedenkstätte Zuchthaus Brandenburg-Görden ist seit 1992 Teil der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Zu ihr gehört eine ehemalige Hinrichtungsstätte der NS-Justiz. Diese ist auf Initiative eines ehemaligen Häftlings bereits seit 1949 ein Gedenkort und befindet sich innerhalb der heutigen Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg an der Havel. Die Hinrichtungsstätte wurde im Sommer 1940 in einer Garage des Zuchthauses eingerichtet und war gemessen an den Hingerichteten die zweitgrößte im Deutschen Reich. Zwischen 1940 und 1945 wurden hier 2.032 Männer aus ganz Europa, meist mit dem Fallbeil, hingerichtet. Verurteilende Gerichte waren etwa das Reichskriegsgericht und der Volksgerichtshof.

Seit 2018 befindet sich im ehemaligen Direktorenwohnhaus des Zuchthauses eine Ausstellung zum Strafvollzug in der Strafanstalt Brandenburg-Görden, die 1933–1945 ein überregional bedeutsamer Ort nationalsozialistischer Justizverbrechen war. Gefangene aus dem Deutschen Reich wie dem restlichen Europa und Sicherungsverwahrte wurden hier durch überzogene Strafmaße, unmenschliche Haftbedingungen, die exzessive Ausweitung der Todesstrafe und rassenhygienische Ausmerzungsprogramme Opfer der nationalsozialistischen Diktatur.

Zwischen 1946 und 1950 gehörte die Zuchthausanlage zum größten Repatriierungslager der sowjetischen Besatzungszone. Hier wurden ehemalige sowjetische Kriegsgefangene, Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge zunächst überprüft und dann in die Sowjetunion zurückgebracht. Ab 1948 führten deutsche Stellen in Teilen der Anstalt Strafvollzug durch. Inhaftiert waren zunächst mehrheitlich nationalsozialistische Täter. Ab 1950 war die dem Ministerium des Innern unterstellte Volkspolizei für das Gefängnis zuständig. Sie setzte ein hartes Strafvollzugssystem mit militärischem Charakter durch. Zu dieser Zeit füllte sich die Anstalt mit Gegner*innen des sich etablierenden sozialistischen Systems. Gleichzeitig nahm der Anteil an Insassen zu, die wegen krimineller Delikte verurteilt wurden.

Seit den 1960er Jahren gewann die so genannte sozialistische Erziehung der Gefangenen sowie der massive Ausbau der Haftarbeit an Bedeutung. Erst 1977 trat ein Strafvollzugsgesetz mit Verbesserungen der Haftbedingungen in Kraft. Trotzdem waren die Gefangenen Schikanen des Strafvollzugspersonals und einer Überwachung durch die Staatssicherheit ausgeliefert. Mit der politischen Wende in der DDR brach im Herbst 1989 auch das repressive Strafvollzugssystem in Brandenburg an der Havel zusammen.Heute ist die nach 2008 grundlegend modernisierte und denkmalgeschützte Anlage der JVA für gut 330 männliche Gefangene ausgelegt.

Konzeption und Angebote der Gedenkstätte

Unweit der heutigen JVA ist im ehemaligen Direktorenwohnhaus die Dauerausstellung „Auf dem Görden. Die Strafanstalt Brandenburg im Nationalsozialismus (1933–1945) und in der DDR (1949–1990)“ zu sehen. Die Kapitel zu den beiden Diktaturen sind räumlich getrennt und farblich unterschieden. So soll ihr unterschiedlicher Charakter kenntlich gemacht und somit eine Gleichsetzung verhindert werden. Einführend thematisiert die Ausstellung die Baugeschichte der so genannten Musteranstalt „Zuchthaus Brandenburg-Görden“ und den Reformstrafvollzug der Weimarer Republik. Abschließend wird der gegenwärtige Strafvollzug thematisiert, der heute dem Resozialisierungsgedanken verpflichtet ist. Themen- und ausgewählte Objekttexte sind in Leichter Sprache verfasst.

Die Gedenkstätte bietet Führungen, Studientage sowie Mehrtagesprojekte zum NS- und DDR-Strafvollzug an. Bestandteil der Angebote zum NS-Strafvollzug ist der Besuch der ehemaligen Hinrichtungsstätte, wo ein originales Fallbeil der NS-Justiz zu sehen ist. Zu den Studientagen gehören die selbstständige Arbeit mit historischen Dokumenten und Zeitzeugeninterviews sowie Auswertungsdiskussionen im Plenum. Dabei werden Themen wie die Verfolgung politischer und „rassischer“ Gegner im Strafvollzug des Nationalsozialismus und die politische Dimension von Strafverfolgung sowie -vollzug in der SBZ/DDR vermittelt. Auch Fragen zum gegenwärtigen Strafvollzug werden diskutiert.

Die pädagogischen Angebote stehen allen offen, richten sich aber im Besonderen an Schüler*innen und Studierende, sowie an Personen, die im Justizwesen und bei der Polizei arbeiten. Es ist für alle Gruppen möglich, eine inklusive Führung in Leichter Sprache von Guides mit Lernschwierigkeiten zu erhalten. Ab Herbst 2023 bietet die Gedenkstätte zusätzlich eine digitale Lernanwendung mit Biografien von Görden-Häftlingen an, die auch im Speziallager Sachsenhausen oder im sowjetischen Untersuchungsgefängnis Leistikowstraße Potsdam inhaftiert waren.

 

Literatur

de Pasquale, Sylvia: Zwischen Resozialisierung und „Ausmerze“. Strafvollzug in Brandenburg an der Havel (1920–1945), Berlin 2013.

de Pasquale, Sylvia/Nagel, Sebastian (Hrsg.): Auf dem Görden. Die Strafanstalt Brandenburg im Nationalsozialismus (1933–1945) und in der DDR (1949–1990). Eine Ausstellung am historischen Ort, Berlin 2020.

 

Gedenkstätten Brandenburg an der Havel

Nicolaiplatz 28/30

14770 Brandenburg an der Havel

Tel.: 03381 7935-112 /-113

E-Mail: brandenburg [at] stiftung-bg [dot] de

Homepage: www.brandenburg-zuchthaus-sbg.de

 

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