Frank Karbstein ist Vorsitzender des Vereins Gedenkstätte Amthordurchgang e.V. Nicole Schönherr-Trenkmann ist Leiterin des „Archiv der Erinnerung“ an der Gedenkstätte Amthordurchgang.

von Frank Karbstein und Nicole Schönherr-Trenkmann

 

Geschichte des historischen Ortes

Der einstige Gefängnisbau, erstmalig 1876 in der Geraer Stadtchronik erwähnt, diente ursprünglich als Untersuchungsgefängnis für das ebenfalls um diesen Zeitpunkt errichtete Landgericht. Es diente zeitgleich als Haftanstalt für das damalige Amtsgericht. Ab der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 bis zum Ende der DDR 1989 saßen hier überwiegend aus politischen Gründen inhaftierte Personen ein. Unter der jeweiligen Leitung erst der Gestapo, dann der sowjetischen Militärpolizei und dem Geheimdienst der Sowjetunion (NKWD) sowie schließlich dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) wurde die Haft als willkürliches Machtinstrument genutzt; die Insassen wurden gefoltert, verschleppt und zur Zwangsarbeit missbraucht. Nicht wenige kamen insbesondere in der Zeit des Nationalsozialismus hier zu Tode.

Entstehung der Gedenkstätte

Nach 1989 wurde die Haftanstalt zunächst geschlossen. Das Land Thüringen nahm bauliche Veränderungen vor und nutzte das Gebäude bis 1999 weiterhin als Untersuchungshaftanstalt und Gefängnis. Bereits 1997 gründeten ehemalige politisch Verfolgte und vom SED-Regime Inhaftierte den Verein Gedenkstätte Amthordurchgang. 1999 plante das Land Thüringen den Abriss der Haftanstalt, der trotz massiver Proteste nicht verhindert werden konnte. Dem Verein gelang es, durch die Besetzung der leerstehenden Haftanstalt zumindest das Torhaus im ehemaligen Eingangsbereich als Ort für eine Gedenkstätte zu erhalten. Diesem Engagement und der überregionalen Unterstützung ist es zu verdanken, dass 2005 die Gedenkstätte eröffnet werden konnte.

Konzeption der Gedenkstätte

Die Neukonzeption der Dauerausstellung und damit einhergehend die Neuausrichtung der Gedenkstättenarbeit sind aktuelle Herausforderungen. Die Gedenkstätte Amthordurchgang ist ein stark überzeichneter Erinnerungsort; unmittelbare bauliche Zeugnisse sind durch den Abriss der Haftgebäude und durch Nachnutzungen (als Parkplatz und Einkaufszentrum) verloren gegangen. Die häufig anzutreffende Erwartung der Besucher*innen nach „eindeutigen“ Spuren des Vergangenen bleiben damit unerfüllt. Authentisch ist der Ort demnach nicht mehr, historisch bedeutsam hingegen unbestritten – nicht nur für ehemalige Inhaftierte, die mit ihm individuelles Gedenken und Erinnern verbinden.

Diese „Leerstelle“ wird als Chance genutzt. Zukünftig drei Orte vereinend – das Torhaus des Hafttraktes, Rudimente des Zellentraktes sowie den überbauten Ort selbst – soll die neue Dauerausstellung der Frage nachgehen, wann Recht zu Unrecht wird. Dieses Leitmotiv führt durch die fünf politischen Systeme, in denen die ehemalige Haftanstalt im Amthordurchgang als Gefängnis genutzt wurde. Durch die Behandlung der Thematiken Haft und Justiz bis in die Gegenwart hinein wird neben der Opfer- und Täterperspektive auch die Verantwortung der deutschen Mittäterschaft (etwa als Mitläufer*innen, die breite Masse der „Zuschauenden“ etc.) eine Rolle spielen.

Ein vermittlungsorientiertes Ausstellungsformat wird eine multiperspektivische Sicht auf die Geschichte (des Strafvollzuges) ermöglichen, auch mit Blick auf die Handlungsoptionen von Individuen damals und heute. Pädagogisches Ziel ist es, die Besucher*innen zu eigener Meinungsbildung zu befähigen, sodass auch Grundsatzfragen zu Demokratie, Menschenrechten und Zivilcourage diskutiert werden. Durch den Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Gegenwart soll eine ganzheitliche Betrachtung politischer und gesellschaftlicher Themen ermöglicht werden.  

„Gesichter der Wismut“

Das durch die Gedenkstätte initiierte interdisziplinäre Zeitzeug*innen- und Begegnungsprojekt „Gesichter der Wismut“ wird durch das Bundesprogramm Jugend erinnert der Bundesstiftung Aufarbeitung gefördert. Am Beispiel des Bergbauunternehmens Wismut, das bis 1990 ausschließlich für die sowjetische Atom- und Rüstungsindustrie Uran förderte, lässt sich das vom SED-Staat ausgehende Unrecht, dessen Komplexität und Ambivalenz gut veranschaulichen. Hierfür gilt es u.a., die verursachten Repressionen und inhärenten Paradoxien zur Manipulation aufzuspüren und kritisch zu befragen. Gera und Ronneburg sowie die umliegenden Dörfer sind geprägt von der Geschichte des Uranabbaus. Egal ob alte Schachtanlagen, Straßennamen, Wohnarchitektur, individuelle Familienbiografien, Erinnerungen oder Traditionen: Vielerorts zeigen sich Einflüsse der Wismut.

Im Projekt erlernen Schüler*innen Schlüsselqualifikationen historischen und wissenschaftlichen Arbeitens sowie digitalen Erzählens und Programmierens am eigenen Wohnort. Es entstehen eine interaktive mobile Wanderausstellung und eine Website. Beide Formate dienen nach Projektende als analoges und digitales Schüler*innenarchiv.

 

Gedenkstätte Amthordurchgang

Amthordurchgang 9

07545 Gera

Tel.: 0365 55 27 630

E-Mail: info [at] torhaus-gera [dot] de

Homepage: www.torhaus-gera.de

 

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