5.1 Antifeminismus, Antisemitismus und Verschwörungsmythen
Von Antonia Gundelach
Einleitende Begrifflichkeiten
Zur Klärung des Begriffes Antifeminismus wird im Folgenden erläutert, was Feminismus bedeutet und was die Ziele feministischer Bewegungen waren und gegenwärtig sind. Im nächsten Schritt werden die Gegner*innen des Feminismus und ihre Argumentation gegen feministische Forderungen betrachtet. Darauffolgend werden unterschiedliche antifeministische Akteur*innen unter die Lupe genommen und die Verschränkung ihrer Narration mit Verschwörungsmythen aufgezeigt.
Was bedeutet Feminismus?
Dem Wort „Feminismus“ wird im Duden folgende Bedeutung zugesprochen: „Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt“ (Duden online: Feminismus). Damit beschreibt der Oberbegriff „Feminismus“ die unterschiedlichen Forderungen der historischen Frauenbewegungen, die mit der sogenannten ersten feministischen Welle begonnen haben Die erste Welle des Feminismus ist geprägt von einem Anerkennungskampf von Frauen, dazu gehört das Wahlrecht als eine zentrale Forderung und die rechtliche Gleichstellung, auch wurde der Wandel von häuslichen Sitten thematisiert. Frauen aus der Arbeiter*innenklasse kämpften parallel für ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit von Männern im Kontext des entwickelten Fabriksystems.[1][IS1]
Die sogenannte zweite Welle des Feminismus der 1970er Jahre vereint viele verschiedene Perspektiven von unterschiedlichen Frauen. Zum Beispiel haben PoC-Frauen ihre doppelte Unterdrückung als Person of color und ihrem gesellschaftlichen ´Frau sein´ thematisiert, während lesbische Frauen andere Formen von Unterdrückung erlebten und problematisierten. Wiederum befassten andere Frauen sich mit häuslicher Gewalt, Aufgaben der Hausarbeit und die Rollenerwartungen, die vermeintlich als Frau zu erfüllen seien.
Ein Beispiel für eine theoretische Auseinandersetzung zu dieser Zeit ist die französische Philosophin Simone de Beauvoir, die in ihrem Werk „Das andere Geschlecht“ von 1949 die Naturalisierung von sozialer Geschlechterungleichheit und die herrschenden Geschlechterverhältnisse in Frage stellt. De Beauvoir formulierte eine Kritik an der Unterdrückung der Frau unter dem herrschenden Androzentrismus. Ihr wohl bekanntester Satz „Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es“ (Beauvoir 2000: 265) verdeutlicht ihre Annahme, dass die weibliche Unterlegenheit nicht naturgemäß, sondern aus gesellschaftlichen Ursprüngen herzuleiten ist (vgl.: Karl 2016). Gesellschaftliche Mechanismen würden die geschlechterspezifischen Unterschiede und das damit verbundene Verhalten erst hervorbringen. Die Geschlechteridentität sei demnach nicht angeboren, sondern anerzogen (Beauvoir 2000: 160). Der Begriff gender fasst unter diesem Verständnis diegeschlechtsspezifischen Verhaltensweisen und Merkmale durch Sozialisationsprozesse. ´Die Frau´ sei im Laufe der Zeit auf ihre Weiblichkeit reduziert worden, was sich in der naturalisierenden Rollenzuweisung als Mutter, Hausfrau und Sexualobjekt aufzeigt.
Die sogenannte dritte Welle des Feminismus wirkt bis in die Gegenwart und ist geprägt von unterschiedlichsten Perspektiven auf Geschlechtsidentitäten (gender), die nicht nur binär, das heißt rein männlich oder weiblich sind. Weitere Aspekte sind Formen der Unterdrückung wie Gewalt, Ausbeutung durch unbezahlte Sorge- und Hausarbeit, schlechtere Bezahlung auf dem Arbeitsmarkt, auch Rassismus, Migration und menschenfeindliche Ideologien werden thematisiert. In akademischen Diskursen wird die Bestimmung der Kategorie des „Mannes“ und der „Frau“ als sozial und kulturell konstruiert analysiert und heteronormative Machtverhältnisse, die vorherrschend sind, versucht zu entlarven.
Ein weiterer Aspekt der Diskriminierung von Frauen sind sexualisierte Übergriffe, dazu gehören sexuelle Belästigung durch Männer und die Abwertung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts. Frauen werden oft auf ihr Optisches reduziert, womit sie als sexuelles Objekt männlicher Begierde dienen. Sexismus wird in feministischen Kontexten als strukturelles Problem verstanden, was bedeutet, dass sexistische Denkmuster in den Grundstrukturen unserer Gesellschaft veranlagt sind:
„Es geht bei Sexismus nicht um einzelnes Fehlverhalten, sondern darum, wie Geschlechterstereotype, das heißt gesamtgesellschaftlich geteilte Überzeugungen davon, welche positiven und negativen Eigenschaften Frauen oder Männer besitzen, entstehen und sich durchsetzen. Stereotype bestimmen den sozialen Status, den Frauen und Männer in der Gesellschaft genießen, und festigen ihn.“ (Schiff 2017, 2)
Demnach bedarf es ein Umdenken auf institutioneller und staatlicher Ebene, um abwertende geschlechtsbezogene Stereotype aufzuheben, so zum Beispiel mithilfe des Bildungswesens. Das Ziel ist, eine Gleichberechtigung und Gleichstellung der Identität von Mann und Frau voranzubringen. Es geht bei der Befreiung der Frauen darum, sie von ihrer gesellschaftlich zugeschriebenen Rolle zu emanzipieren, damit sie politisch und moralisch zur Selbstbestimmung und Autonomie gelangen.
Antifeminismus
„I can't believe I still have to protest this fucking shit” lautet die Aufschrift mehrerer Protestplakate aus dem Jahr 2020 zu unterschiedlichen feministischen Demonstrationen für das Recht auf eine sichere und legale Abtreibung. Der Satz „Ich kann nicht glauben, dass ich immer noch gegen so einen Schwachsinn protestieren muss“ verdeutlicht, dass Frauen bis in die Gegenwart rechtlich eingeschränkt werden und nicht frei über ihren Körper und ihre Lebensform entscheiden können.
Antifeministische Einstellungen stellen ein breites Spektrum vieler unterschiedlicher Akteur*innen dar. Grundsätzlich werden feministische Anliegen wie beispielsweise die Umsetzung von Gleichberechtigung oder die Stärkung weiblicher Selbstbestimmung abgelehnt. Beklagt wird, dass der Feminismus zur Auflösung traditioneller Familienkonzeptionen führe. Die Selbstbestimmung der Frau und die Öffnung des Arbeitsmarktes hätten den Rückgang der Geburtenrate zur Folge.Nicht selten folgt eine rassistische Argumentation, nach der migrantische Familien viele Kinder zeugen und damit zur ´Überfremdung´ beitragen würden. Auch wird Gewalt gegen Frauen ethnisiert, junge migrantische Männer würden sich demnach an Frauen vergreifen. Sexismus wird in diesen Fällen nie als strukturelles Gesellschaftsproblem thematisiert, sondern Frauen instrumentalisiert, um Hass und Hetze zu verbreiten (vgl. Amadeu Antonio Stiftung).
Besonders zum Feindbild antifeministischer Strömungen, ob in politischen, sozialen, religiösen oder akademischen Bewegungen, sind die gleichgeschlechtliche Ehe und eine Geschlechtervielfalt geworden. Begriffe wie „Genderwahn“, „Verweiblichung“, „Frühsexualisierung“ „political correctness“ und nicht zuletzt „links-liberal“ werden zu Schlagwörtern, um Menschen zu diskreditieren. Zur Veranschaulichung konkreter Erzählungen antifeministischer Verschwörungsmythen werden folgende Themenbereiche analysiert:
- Antifeministische Narrative: „Frühsexualisierung“ und Volkstod“
- Antisemitismus und Antifeminismus – ideologische Verschränkungen
- Incels
- Satan und Eva. Die Frau als Verbündete des Teufels
- Der ,,Große Austausch‘‘ und Antifeminismus bei der Neuen Rechten
Die ausgewählten Verschwörungserzählungen werden die antifeministischen Tendenzen in den einzelnen Bewegungen und ihren Hass gegen Frauen unter die Lupe nehmen.
In antifeministischen Bewegungen werden Frauen als Kategorie entpersonalisiert und als homogene Gruppe wahrgenommen. Personen, die nicht mit dem weißen, heterosexuellen Mann übereinstimmen und gegen die Einordnung klassischer Rollenzuteilungen sind, werden zum Feindbild deklariert. Insbesondere werden Frauen in Verschwörungsmythen und rechten Ideologien als das Böse stilisiert, weil das klassische Rollenbild von Frauen und traditionelle Familienkonzepte hinterfragt und problematisiert werden.
Literatur
Amadeu Antonio Stiftung: Was ist Antifeminismus? https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/antifeminismus/was-ist-antifeminismus/ (Zugriff am 06.04.21).
Beauvoir, Simone de (2000): Das andere Geschlecht, Rowohlt, Reinbeck.
Michaela Karl (2016): Die Geschichte der Frauenbewegung, Reclam, Stuttgart.
Schiff, Anna (2017): Behauptungen und Fakten zu Sexismus, Rosa- Luxemburg-Stiftung, Argumente Nr. 9: https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Argumente/lux_argu_9_Sexismus.pdf. (Zugriff am 06.04.21).
[1] Vgl: - Männlichkeitskonstruktion S. 254f.
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- 23/02/2022 - 07:04