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1933 – 1945. Frankfurter Swing-Jugend

Von Pascal Beck

Auf der Seite des Instituts für Stadtgeschichte Frankfurt am Main finden sich kostenlose Unterrichtsmaterialien zur Frankfurter Swing-Jugend. Erstellt wurden diese von Julia Wirth. Die Materialien beinhalten drei Dokumente, die man sich kostenlos herunterladen kann: einen Unterrichtsentwurf, Quellenmaterial sowie Arbeitsaufträge. Zielgruppe ist die Qualifikationsphase des Gymnasiums. Der Zeitaufwand beträgt ungefähr zwei bis drei Unterrichtsstunden. Als Rahmen dient die Leitfrage, ob man die Frankfurter Swing-Jugend als Teil des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus betrachten kann. Dabei sollen die Schüler*innen anhand zweier sechsseitiger Gestapo-Berichte in Diskussion über den Begriff des „Widerstandes“ kommen, um diesen schlussendlich im historischen Kontext im Vergleich zu heute verstehen und definieren zu lernen. Die Swing-Jugend, so Wirth, sei ein geeigneter Gegenstand, um über den Begriff des Widerstands, seine Moralisierung sowie seine Möglichkeiten und Grenzen nachzudenken und daran vor allem die Analysefähigkeiten der Schüler*innen zu schärfen. 

Erziehung im Nationalsozialismus

Der Erziehung galt im NS eine besondere Bedeutung. Unter anderem durch die Hitlerjugend oder dem Bund Deutscher Mädels sollten Kinder und Jugendliche im Sinne der „Volksgemeinschaft“ erzogen werden. Zuwiderhandlung war im Laufe der Zeit zunehmender Kriminalisierung und damit verbundenen Repressionen ausgesetzt. Dabei war die Grenze zwischen subkulturellem Verhalten und einem bewussten Widerstand nicht immer klar zu ziehen. Das gilt beispielhaft für die Swing-Jugend. Jazz galt im NS als „entartete“ Musik, was einige Jugendliche jedoch nicht davon abhielt, Swing-Platten zu hören. Als „staatsfeindlich“, „entartet“, „unzivilisiert“ und „rassefremd“ wurde Jazz- und Swingmusik spätestens 1935 aus der Öffentlichkeit verbannt. Auch der Tanzstil entsprach nicht den sittlichen Idealen des NS, weswegen 1940 das Tanzen in öffentlichen Lokalen und später schließlich auch im Privaten verboten wurde. Die jugendliche Subkultur, die zuvor lediglich eine Nische oder einen Randbereich dargestellt hatte, konnte erst durch die Verbote und die zunehmende Kriminalisierung zu einem Moment der Dissidenz und Opposition werden. Das Ideal der vollständigen Integration aller Teile der Gesellschaft in die „Volksgemeinschaft“ gab der Swing-Jugend überhaupt erst die Bedeutung, die sie in der Erinnerungskultur gegenwärtig hat. Heute werden diese Jugendlichen häufig als Beispiel für den alltäglichen Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime verwendet. Ein großer Teil dieser Jugendlichen weigerte sich Mitglied der staatlichen Organisationen zu werden. 

Als zuallererst subkulturelle Vorliebe war der Swing-Jugend als solcher kein politisches Programm innerlich. Die meisten dieser Jugendlichen waren tatsächlich nicht politisch motiviert. Erst der gesamtgesellschaftliche Zwang zur Organisation verlieh dem Verhalten der Swing-Jugendlichen einen oppositionellen Charakter. Insofern soll das Unterrichtsmaterial Diskussion darüber anregen, inwiefern die Swing-Jugend den komplexen Überlegungen über den Begriff des „Widerstands“ gerecht wird und damit die Urteilskompetenzen der Schüler*innen schärfen. 

Didaktische Überlegungen

Die didaktischen Überlegungen der Aufgabenstellungen stellt die Frage nach der Definition des Begriffes „Widerstand“ in den Mittelpunkt. Was genau ist Widerstand und unter welchen Bedingungen entsteht er? Was ist der Unterschied zwischen Widerstand, Protest und Nonkonformität? Was hat das Ganze mit Kriminalität zu tun und wer bestimmt das? Zuletzt stellt sich die Frage, was der Begriff „Widerstand“ für die einzelnen Schüler*innen bedeutet. Das Unterrichtsmaterial soll somit einen Beitrag zu einer kritischen Auseinandersetzung mit Regierungssystemen und den darin vorhandenen individuellen Handlungsmöglichkeiten darstellen. Gerade im Vergleich mit heutigen Subkulturen oder Protestbewegungen zeigt sich der Charakter der Swing-Jugend als loser Zusammenschluss von Jugendlichen, der lediglich wegen seines verbindenden Interesses an US-amerikanischer Musik und einer freiheitlichen Lebensweise, nicht aber aufgrund politischer Interessen, erst im Kontext des Nationalsozialismus kriminalisiert wurde. Ob die Swing-Jugend als Teil des Widerstandes gesehen werden kann, beantwortet sich demnach nur aus der Betrachtung individueller Handlungsräume in der Zeit des Nationalsozialismus und nicht aus einer heutigen demokratischen Sichtweise. Wirth schreibt dazu, dass diese oft viel stärker von Widersprüchen geprägt waren, als es der moralisch aufgeladene Begriff des „Widerstands“ heute impliziert.

Während die Angehörigen der Swing-Jugend verbotene Platten hörten, waren sie oft trotzdem HJ-Mitglieder und zogen später mit Begeisterung in den Krieg, da ihr Interesse an Swing, Jazz und der damit verbundenen Lebensweise nicht automatisch politischen Aktivismus bedeutete. Die Erfahrungen der Jugendlichen waren damit sehr individuell und trotzdem stellten die Jugendlichen für die Zukunft der „Volksgemeinschaft“ eine Gefahr dar und wurden zunehmend kriminalisiert. Diese Widersprüche sollen in den vorliegenden Aufgaben herausgearbeitet werden, um im Vergleich zum heutigen Verständnis des Begriffes die Urteilskompetenz für Kontinuität und Veränderung in der Zeit und zugleich die Orientierungskompetenz für Zeiterfahrung zu fördern. Dafür werden immer wieder Gegenwartsbezüge und Bezüge zur Lebenswelt der Jugendlichen hergestellt.  

Das gesamte Material findet sich auf der Seite des Instituts für Stadtgeschichte.

 

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