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Sammlung Jüdisches Museum Frankfurt

Von Thomas Hirschlein und Tanja Kleeh

Das Jüdische Museum Frankfurt stellt auf einer eigens dafür konzipierten Homepage seine umfangreiche Sammlung vor. Dazu gehören nach Angaben des Museums inzwischen mehr als 20.000 Objekte. Nach und nach, so die Verantwortlichen, sollen alle Objekte, Geschichten und Familiennachlässe aus den sieben Sammlungsbereichen online zugänglich gemacht werden. Die Bereiche, die im Text kurz vorgestellt werden, umfassen Jüdische Gegenwartskulturen, das Familie Frank Zentrum, die Judaica-Sammlung, die Kunst-Sammlung, Archiv, Handschriften und Drucke sowie die Sammlung Alltagsgegenstände/Historische Sammlung.

Die Homepage ist intuitiv aufgebaut, sodass die Bedienung ohne Anleitung und große Vorbereitung funktioniert. Die Suche in der Sammlung kann nach Schlagwort, Objekt, Person oder Thema erfolgen. Anregungen finden sich in den vorgestellten Objekten, die unter „Eine Sammlung voller Geschichten“ präsentiert werden. Dort wird ein Objekt mit einem kurzen Begleittext präsentiert, das durch einen Klick geändert werden kann. Somit ist bereits an dieser Stelle Vielfalt geboten. Weiter finden sich auf der Startseite des Onlineangebots die Highlights der Sammlung. Die hier vorgestellten Objekte sind fest, d.h. es werden immer dieselben Objekte mit einem kurzen Text vorgestellt.

Die sieben unterschiedlichen Sammlungsbereiche sind am Ende der Homepage mit jeweils einem Symbolbild aufgeführt und können über einen simplen Klick erreicht werden. Innerhalb der Sammlungsbereiche kann sich einfach durchgeklickt werden oder das Tool zur (gezielteren) Suche genutzt werden.

Jüdische Gegenwartskulturen

Unter dem Sammlungs- und Themenschwerpunkt „Jüdische Kulturen der Gegenwart“ möchte das Museum „zeitgenössische jüdische Ausdrucksformen in ihrer religiösen und kulturellen Vielfalt erfassen, sammeln und erforschen“. Ein direkter Bezug zur Religion ist dabei nicht zwingend notwendig. Auch der Alltag des Zusammenlebens innerhalb der jüdischen Gemeinschaft und die Beziehungen der Jüdinnen*Juden zu ihrer Umwelt finden kulturelle Ausdrucksformen, wie das Museum schreibt. Ziel des Sammlungsbereiches ist es, „ein breites und authentisches Bild des gegenwärtigen Judentums und seiner Kultur unter Berücksichtigung der religiösen und kulturellen Diversität zu erforschen, zu skizzieren, darzustellen und zu vermitteln“. So wird unter anderem die jüdische Kalender-App „CalJ“ vorgestellt und die Speisekarte des Restaurants „Maxi Eisen“ aus dem Frankfurter Bahnhofsviertel präsentiert.

Familie Frank Zentrum

Etwas spezieller ist der Sammlungsbereich des Familie Frank Zentrums. Dort werden die Nachlässe der Frankfurter jüdischen Familie Frank sowie der mit ihr verwandten Familien Elias, Cahn und Stern gesammelt. Es finden sich in den Nachlässen Fotos, Briefe, Postkarten und Einladungsschreiben sowie Gemälde, Möbel, Porzellan und Bücher. Die Spuren der Vorfahren der Familie Frank, der auch Anne Frank angehörte, lassen sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen.

Die Sammlung ist unterteilt in die Bereiche Familiengeschichte, Sammlung und Archiv, Forschung und Vermittlung. Vorgestellt wird unter anderem das Dissertationsprojekt von Carl-Eric Linsler zur Geschichte der Familienzweige außerhalb Frankfurts. Linsler widmet sich „den Familienbeziehungen und insbesondere den transnationalen Verflechtungen und kosmopolitischen Lebensentwürfen vor dem Hintergrund des zunehmenden Nationalismus und den angespannten deutsch-französischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert“, so das Museum auf der Homepage. Die Familiengeschichte der Franks kann nachgelesen werden. Porträtfotografien zeigen die einzelnen Familienmitglieder, darunter auch die bekannten Gesichter von Otto, Edith, Margot und Anne Frank. Mit einem Klick werden Kurzbiografien aufgerufen. Spannend an dieser Stelle ist, dass die meisten der Biografien über das Jahr 1945 hinausgehen. Damit wird der Vorstellung entgegenwirkt, mit der Shoah habe auch das jüdische Leben geendet.

Judaica-Sammlung

Anders ist der Bereich um die Judaica-Sammlung aufgebaut. Dort sind rund 800 Zeremonialobjekte verortet, die teilweise bereits aus dem 17. Jahrhundert stammen. Als „von besonderem Wert“ beschreibt das Museum Zeremonialgegenstände aus dem frühen 20.Jahrhundert, die in Frankfurter Silberwerkstätten angefertigt wurden. Der Sammlungsschwerpunkt liegt auf zeitgenössischen Künstler*innen, die in den letzten Jahren mit ihren Arbeiten die Sammlung bereits ergänzt haben.

Das Museum erforschte bei den Objekten aus der Zeit zwischen 1933 und 1945 die Provenienz. Die Recherchen des zwei Jahre andauernden Projektes fokussierten sich dabei sowohl auf die Geschichte des Objektes als auch die Erforschung der Vorbesitzer*innen, so das Museum. Zu den Objekten gehört etwa ein Tor-Schild, das sich 1952 im Nachkriegsinventar des Museums befand. Inzwischen konnte es auf das – vermutliche – Jahr 1711 datiert werden.

Längst nicht alle der über 800 Objekte sind im Sammlungsbereich abgebildet oder online verschlagwortet. Es finden sich jedoch anschauliche Beispiele aus unterschiedlichen Epochen, die einen guten Überblick über die Vielfalt geben.

Kunst-Sammlung

Rund 11.300 Werke jüdischer Künstler*innen aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert befinden sich in der Kunstsammlung des Jüdischen Museums Frankfurt. Der Fokus liegt auf Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken jüdischer Künstler*innen aus Frankfurt, der Exilkunst und zeitgenössischer Kunst. Eine kleine Auswahl stellt die Homepage des Museums vor.

Von herausragender Bedeutung sind die Werke Moritz Daniel Oppenheims (1800-1882). Der „erste jüdische Maler der Neuzeit“ setzte sich in seinen Arbeiten mit sowohl jüdischen Traditionen als auch der jüdischen Gegenwart des 19. Jahrhunderts auseinander. Sein vielfältiges Werk umfasst Porträts jüdischer Persönlichkeiten wie Heinrich Heine ebenso wie Darstellungen jüdischer Fest- und Feiertage, Oppenheims weltberühmte „Bilder aus dem altjüdischen Familienleben“.

Das Jakob Nussbaum-Archiv versammelt Zeichnungen und Grafiken jüdischer Künstler*innen vorwiegend aus dem Frankfurt der 1920er-Jahre. Benannt wurde es nach dem Impressionisten Jakob Nussbaum (1873-1936), von dem nicht nur zahlreiche Gemälde und Zeichnungen in der Sammlung zu finden sind, sondern auch persönliche Briefe, Dokumente und Fotos. Das Ludwig-Meidner-Archiv umfasst Werke von Künster*innen im Exil, darunter rund 2.000 Werke des namensgebenden Expressionisten Ludwig Meidner (1884-1966).

Das Museum sammelt neben zeitgenössischer Malerei auch Fotografien, Filme, Installationen und Skulpturen wie zum Beispiel Ariel Schlesingers (*1980) Skulptur „Untitled“ auf dem Vorplatz des Museums. Verbunden sind die zeitgenössischen Kunstwerke der Sammlung durch ihr gemeinsames Thema: Sie alle setzten sich mit jüdischen Identitäten und Traditionen sowie jüdischen Perspektiven nach der Shoah auseinander.

Archiv

Die mehr als 300 Regalmeter Schriftgut und 21.000 Fotos des Archivs dokumentieren jüdische Geschichte vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart. Den Schwerpunkt der Sammlung bilden Zeugnisse zum Leben von Jüdinnen*Juden in Frankfurt und Hessen.

Einblicke in die jüdische Lokalgeschichte Frankfurts, aber auch anderer Regionen liefern beispielsweise die Nachlässe des Frankfurter Historikers Dr. Paul Arnsberg (1899-1978), des letzten Syndikus der Frankfurter Vorkriegsgemeinde Eugen Mayer (1882-1967) und des Rabbiners und Historikers Dr. Bernhard Brilling (1906-1987), der viele Jahre zur jüdischen Geschichte Schlesiens, Posens und Westfalens forschte.

Ein Höhepunkt der Sammlung ist der Nachlass von Ruth Alexander-Zeilberger (1915-1979). Während Ruth in das britische Mandatsgebiet Palästina emigrierte, blieben ihre Eltern Frieda und Paul Alexander in Berlin zurück. In den Briefen an ihre Tochter aus den 1930er-Jahren schildern sie die immer stärker werdenden Schikanen und Bedrängungen. Im Nachlass befinden sich zudem über 200 Briefe und Postkarten, die zum großen Teil von ihren Geschwistern an Ruth geschickt wurden und die über die Schwierigkeiten bei der Emigration deutscher Jüdinnen*Juden nach Palästina berichten.

Das Bildarchiv umfasst neben zahlreichen Fotos und Dokumenten zur Geschichte der Jüdinnen*Juden in Frankfurt wie Bilder von Synagogen oder aus dem jüdischen Alltag auch fast 500 Originalfarbdias aus dem Getto in Lodz aus den Jahren 1940 bis 1944. Das Museum konnte diese Aufnahmen für die Ausstellung „Unser einziger Weg ist Arbeit“ über die Bedeutung von Zwangsarbeit im Getto erwerben. Auf der Homepage können sie nun in einer kleinen Übersichtsdarstellung angesehen werden.

Handschriften und Drucke

Im Bereich Handschriften und Drucke sammelt das Museum religiöse Werke, Gedichte, Theaterstücke, Lieder und Gesänge. Darunter befinden sich so unterschiedliche Dokumente wie das Sefer ha-Tischbi, ein kommentiertes alphabetisches Verzeichnis von 712 rabbinischen Begriffen des hebräischen Philologen Elia Levita aus dem 16. Jahrhundert, das Rechnungsbuch der Israelitischen Gemeinde Frankfurt von 1810 bis 1831 und eine Frankfurter Pessach-Haggada, d.h. eine Sammlung von Bibeltexten, religiösen Dichtungen, Liedern und rituellen Vorschriften zum Pessachfest, aus dem Jahr 1731. Über Links auf der Homepage der Sammlung lassen sich eine digitale Version des Rechnungsbuchs und der Pessach-Haggadaabrufen.

Alltagsgegenstände/Historische Sammlung

Die Sammlung Alltagsgegenstände ist der siebte und folglich letzte Bereich, den das Jüdische Museum Frankfurt auf seiner Homepage vorstellt. Im Unterschied zu den zeremoniellen Objekten der Judaica-Sammlung und den Kunstwerken der Kunst-Sammlung finden sich hier Objekte wie das private Poesie-Album von Ilse Bing (1899-1998), ein Fotoalbum aus dem Erholungsheim Walkemühle oder das Türschild der Familie Gundersheimer.

Viele der Gegenstände in der Sammlung wurden zusammen mit Fotos und Dokumenten von Frankfurter Jüdinnen*Juden aus dem Privatbesitz ihrer Familien an das Jüdische Museum geschenkt. Die meisten Objekte stammen aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Sie erzählen Geschichten über den Alltag in Deutschland, die Erfahrungen während des Nationalsozialismus, über das Auswandern, die Flucht und das Exil, aber auch über den Widerstand gegen den Antisemitismus. Insofern eignen sich die Alltagsgegenstände auf besondere Weise für die Bildungsarbeit zum jüdischen Leben in Frankfurt.

Die Sammlung Alltagsgegenstände des Jüdischen Museums Frankfurt befindet sich noch im Aufbau. Das Museum freut sich über Unterstützung und neue Objekte. Weitere Informationen dazu finden sich auf der Homepage.

 

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