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Praxis des Widerstands 1933 bis 1945. Formen widerständigen Handelns in Südwestdeutschland.

Von Tanja Kleeh

Erschienen in der Zeitschriftenreihe „Politik und Unterricht“ der Landeszentrale für politische Bildung (LpB) Baden-Württemberg, möchte „Praxis des Widerstands 1933 bis 1945. Formen widerständigen Handelns in Südwestdeutschland“ anhand von 16 Beispielen und begleitenden Materialien dazu anregen, sich mit den Formen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus, den Personen dahinter und ihren Motivationen auseinanderzusetzen.

Die Publikation, die insgesamt knapp über 40 Seiten umfasst, mit einer allgemeinen Einführung in das Thema Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur. Der Fokus liegt dabei auf eher unbekannten Widerstandskämpfer*innen und ihren ganz unterschiedlichen Formen des Widerstands, der sich von Demonstrationszügen über Flugblattaktionen, Boykotten von NS-Institutionen und aktiver Unterstützung von Jüdinnen*Juden bis hin zu Sprengstoffanschlägen erstreckte.

„Praxis des Widerstands“ zielt in der gesamten Konzeption auf das Verständnis von Zusammenhängen und möchte den Schüler*innen ermöglichen, die Ereignisse aus den Jahren 1933 bis 1945 ins Heute zu übertragen und dabei Parallelen und Unterschiede zu erkennen. Die Autor*innen sehen darin eine Möglichkeit, für die Fragilität demokratischer Werte und ein Einstehen für eben diese Werte zu sensibilisieren (vgl. S.3).

Die Publikation enthält neben den Biografien Arbeitsblätter, anhand derer grundsätzliche Fragen erarbeitet werden können. Sie können gut als Einführung in das Thema bzw. die Unterrichtseinheit verwendet werden. Das erste angebotene Arbeitsblatt bietet zum Beispiel Vorschläge, was Widerstand sein könnte. Als Arbeitsauftrag sollen die Schüler*innen markieren, was zwischen 1933 und 1945 sowie in der heutigen Zeit als Widerstand zu zählen ist. Im Anschluss werden die Ergebnisse in der Klasse diskutiert, ebenso der historisch-politische Kontext. Ein weiteres Arbeitsblatt beschäftigt sich mit Widerstand und der NS-„Volksgemeinschaft“ im Allgemeinen und bietet verschiedene Textpassagen zur Bearbeitung an. Zusätzlich bietet ein weiteres Arbeitsblatt Ansätze, die nach widerständigen Handeln heute fragen. Hier wird vor allem mit Bildquellen gearbeitet, unter anderem einer Karikatur.

Den aufgelisteten Biografien sind unterschiedliche Lernniveaus von „grundlegend“ bis „erweitert“ zugeordnet, so dass durch die Lehrkräfte eine zielgerichtete Auswahl erfolgen kann, welche Biografien im Unterricht eingesetzt werden sollen. Es ist sowohl möglich, alle 16 Biografien erarbeiten zu lassen, als auch Schwerpunkte zu setzen, zum Beispiel mit einem regionalen Bezug. Die unterrichtspraktischen Hinweise (S.6/7) enthalten zudem Arbeitsaufträge, anhand deren die Biografien erschlossen werden können. Natürlich ist es für Lehrer*innen auch möglich, eigene Aufgaben zu erstellen. 

Das Material der Biografien umfasst jeweils einen kurzen tabellarischen Lebenslauf der porträtierten Person, indem neben Lebensdaten bereits die widerständigen Tätigkeiten umrissen werden. Fast jede Biografie enthält zudem eine (Porträt-) Fotografie, so dass die Widerstandskämpfer*innen ein Gesicht bekommen. In ausführlichen Texten werden Werdegang, Hintergrund und die widerständigen Handlungen erläutert. Ergänzend sind jeweils Erzählungen der einzelnen Personen oder historische Dokumente angefügt. So findet sich beispielsweise bei Arthur Ditschkowski, der sich an Flugblattaktionen der Zeugen Jehovas beteiligte und Kurierdienste in die Schweiz übernahm, eine schriftliche Erklärung über seine Haftzeit und das gegen ihn ausgesprochene Todesurteil (umgewandelt in eine Haftstrafe). Aber auch die Produkte des Widerstands selbst finden sich in der Zeitschrift. Die Biografie von Jakob Stotz, Mitorganisator des „Mössinger Generalstreiks“ am 31.Januar 1933, wurde als historische Quelle um das Streikplakat ergänzt. Dieses kann zusätzlich als Abschrift online eingesehen werden. Der Zugang ist mittels QR-Code einfach möglich.

Spannend ist die Vielfältigkeit der gewählten Beispiele. Mit Joannes Baptista Sproll ist auch ein Bischof als Repräsentant des kirchlichen Widerstands vertreten. Er verweigerte 1938 die Stimmabgabe bei der Volksabstimmung über den Anschluss von Österreich an das Deutsche Reich, was ihn zur Zielscheibe des NS-Regimes machte. Wie die Autor*innen schreiben, war Sproll der einzige Verfolgte unter den deutschen Bischöfen – die auch in der Zeitschrift gestellte Frage nach der Rolle der anderen Bischöfe ist offensichtlich. Wie an vielen anderen Stellen regt „Praxis des Widerstands“ zum Weiterforschen über die gegebenen Beispiele an und Wissen zu vertiefen.

Leider sind die gewählten Beispiele sehr männlich dominiert. Lediglich vier Frauen bzw. Frauengruppen werden vorgestellt. Es bleibt die Frage offen, ob dies die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt oder über weitere weibliche Widerstandskämpferinnen (noch) nichts bekannt ist. Zu den Beispielen weiblicher Widerständigkeit zählt Hildegard Spieth. Sie versteckte von Februar 1945 bis Kriegsende ein untergetauchtes jüdisches Ehepaar. Eine ungewöhnliche Form des Widerstands wird in der Biografie Sofie Schlegels und den „Pfullinger Weiber[n]“ vorgestellt: Angeführt von Schlegel wehrten sich die Frauen gegen den Endkampf in Pfullingen, indem sie die errichteten Panzersperren sabotierten und in weißer Kleidung den anrückenden Franzosen entgegentraten. Auch die hier beigefügte Quelle – ein Gedicht von Sofie Schlegel, dass die Ereignisse aus dem April 1945 verarbeitet – zeigt die Besonderheit der Vorkommnisse.

Fazit

„Praxis des Widerstands 1933 bis 1945. Formen widerständigen Handels in Südwestdeutschland“ ist eine umfangreiche, vielfältige Handreichung, die sich aufgrund ihrer Praxisorientierung gut für die Vorbereitung sowie den direkten Einsatz im Schulunterricht eignet. Der bewusste Einsatz von Quellen in den vorgestellten Biografien ermöglicht es den Schüler*innen, den kritischen Umgang mit diesen zu üben.

Die Zeitschrift ist bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg erhältlich sowie online verfügbar.

 

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