Von Tanja Kleeh

Die Gedenkstätte Dachau hat zum 75. Jahrestag der Befreiung in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk einen virtuellen Rundgang durch das ehemalige Konzentrationslager konzipiert. Dabei werden historische Fotografien an den heutigen Ort projiziert. Ergänzt wird das Angebot durch eine Podcastreihe und eine zweiteilige Dokumentation.

Der virtuelle Rundgang beginnt mit einer Einführung in die Thematik des Rundgangs und die Funktionsweise des Formats. Der Hinweis, dass verschiedene Augenzeugen zu Wort kommen werden und deren Berichte zwangsläufig subjektiv und lückenhaft sind, sorgt gleich zu Beginn für eine Quelleneinordnung. Positiv fällt auf, dass die Audiodatei parallel verschriftlicht worden ist, gehörlose Menschen werden somit eingeschlossen sowie ein quellenkritischer Zugang erleichtert.

Scrollt man weiter, sieht man das sogenannte „Schurhaus“ mit einem ersten historischen Foto. Die Audiodatei erklärt ausführlich, welche Personen darauf identifizierbar sind und wie das Bild zu interpretieren ist. Der Rundgang folgt dem Weg der US-amerikanischen Soldaten, die das KZ Dachau befreiten und als erstes einen Güterzug voller Leichen sahen. Hier kommt der erste Zeitzeuge in Form eines Briefes, der durch eine hier nicht näher benannte Person vorgelesen wird, zu Wort. Durch Überleitungen wie „Gehen wir zum nächsten Bild und schauen, was passiert“ wird ein Spannungsbogen erzeugt, so dass die Nutzer*innen der Homepage zum Weiterscrollen animiert werden – wenn denn das reine Interesse an der Geschichte der Befreiung nicht ausreicht.

Während die Beschreibungen der Bilder und der Hintergründe eher nüchtern deskriptiv sind, sorgen die Zeitzeug*innen mit ihren Eindrücken der Befreiung für emotionale Momente. Verstärkt wird dies durch die musikalische Untermalung der persönlichen Erfahrungen. Diese emotionalen Momente sind insbesondere dann gegeben, wenn etwa zwei Freunde sich wiederfinden oder ein ehemaliger jüdischer Häftling von seiner Befreiung berichtet. Der Rundgang bildet mit den gewählten Zeitzeug*innen ein großes Spektrum ab: Neben den Soldat*innen und Journalist*innen auf Seiten der Befreier wird auf Häftlingsseite mit jüdischen und politischen Häftlingen aufgezeigt, dass es unterschiedlichste Gründe gab, die Menschen ins Konzentrationslager brachten. Auch weibliche Stimmen auf beiden Seiten sind von enormer Wichtigkeit.

Neben der Nutzung über den PC kann der Rundgang auch direkt auf dem Gelände durchgeführt werden. Dafür wird die App „Die Befreiung AR“ benötigt, die bei Google Play (Android) sowie im Apple Store kostenlos heruntergeladen werden kann. Die ausgewählten Fotografien werden entsprechend mit Smartphone oder Tablet direkt vor Ort über die historischen Orte gelegt. Es gibt auch eine englische Version.

Wie auch am Ende des Rundgangs erwähnt, kann mithilfe der Podcastreihe „Die Befreiung“ das Wissen vertieft werden. Ebenso wie auf dem virtuellen Rundgang kommen in den fünf Folgen die bereits bekannten Zeitzeug*innen zu Wort. Zwei Folgen widmen sich dabei dem KZ Flossenbürg.

Der virtuelle Rundgang „Die Befreiung“ ist ein gelungenes Projekt, mit dem die Geschichte der Befreiung des Konzentrationslagers Dachau anschaulich nachvollzogen werden kann. Insbesondere besteht die Möglichkeit darauf in der Bildungsarbeit zurückzugreifen und Lernende zur Erkundung zu animieren. Es bestehen zahlreiche Anknüpfungspunkte für unterschiedliche Wissenslevel, etwa im Bezug auf Quellenkritik, den Umgang mit Zeitzeug*innen oder allgemein der Geschichte der Shoah. Das angebotene Zusatzmaterial in Form von Podcast und Dokumentation bieten eine Fülle an Hintergrundinformationen.

 

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