Gestern war noch Krieg
Von Tanja Kleeh
„Gestern war noch Krieg. Die Zeit um 1945 in Sachtexten und Erzählungen“ richtet sich an ein jüngeres Publikum. Die Herausgeber Martin Verg und Jürgen Hübner versuchen darin eine Auswahl aus der Literatur „für junge Leserinnen und Leser“ zu treffen, die sich inhaltlich mit dem Geschehen vor, während und nach dem Kriegsende am 8. Mai 1945 auseinandersetzen. Darunter fallen Sachtexte ebenso wie literarische Texte, verfasst von bekannten Kinder- und Jugendbuchautor*innen wie Gudrun Pausewang, Christine Nöstlinger und Klaus Kordon.
„Gestern war noch Krieg“ ist insgesamt in fünf Kapitel unterteilt, die sich zeitlich unterschiedlichen Phasen des Zweiten Weltkrieges widmen. Während Kapitel Eins mit „Wie der Bombenkrieg zum Alltag wird“ noch mitten im Kriegsgeschehen angesiedelt ist, schließt Kapitel Fünf mit „Befreiung, Besatzung und Neuanfang“. Die einzelnen Kapitel werden mit historischen Hintergrundinformationen eingeleitet. Die Einführung zu Kapitel Fünf beantwortet etwa die Fragen, wie das Land bei Kriegsende aussieht, wie die Siegermächte Deutschland neu ordnen und warum die Siegermächte uneins sind. Ungewöhnlich für einen historischen Sachtext sind die fehlenden Fußnoten. Diese Schreibweise macht es jedoch für gerade junge Leser*innen einfacher, zu folgen und sich neues, vielleicht sogar erstes, Wissen zu den Thematiken des Buches anzueignen.
Es folgen in Kapitel Fünf drei literarische Texte von Uri Orlev, Christine Nöstlinger und Anke Bär. Während Orlev von russischen Soldaten erzählt, die sich zur Eroberung Berlins aufmachen, erzählt Christine Nöstlinger aus der Perspektive eines Kindes die Eroberung Berlins durch eben solche Soldaten. Der Text „Kirschendiebe“ von Anke Bär setzt sich auf kindgerechte Art und Weise mit der Entnazifizierung und der Nachkriegsgesellschaft auseinander. Alle Texte sind – wie die übrigen literarischen Beiträge im Buch auch – lediglich Auszüge aus den Werken der Autor*innen. Sie regen jedoch auch in ihrer Kürze zur Reflexion, bei Bedarf auch zur vertiefenden Lektüre an.
Eine ergänzende schwarz-weiß Zeichnung und ein Zitat sind ebenfalls immer Teil des Kapitelbeginns. So ist zu Beginn von Kapitel Fünf eine Karte Deutschlands (interessanterweise bereits mit den Außengrenzen der Bundesrepublik) zu sehen, nach dem die Alliierten – dargestellt durch vier Hände mit den jeweiligen Flaggen am Ärmel – aus vier Richtungen greifen. Die Besatzungszonen sind in den Landesflaggen schraffiert. Die vier Ecken erinnern zudem an gerolltes Papier, vermutlich ein Hinweis auf die zahlreichen Verträge zu Kriegsende. Auf der Deutschlandkarte finden sich viele kleine schwarze Figuren, die entweder tot, auf der Flucht, als Soldaten oder arbeitend dargestellt sind.
Um die Einordnung der literarischen Texte zu erleichtern, ist im Anhang ein Glossar sowie eine Zeittafel zu finden. Auch kurze biografische Informationen nebst gezeichneter Porträts der Autor*innen sind beigefügt. Das Glossar umfasst in alphabetischer Reihenfolge sowohl heute noch geläufige Begriffe wie beispielsweise „Infanterie“, als auch zeitgenössische Begriffe, Abkürzungen und Namen. Entsprechende Begriffe sind in den Texten fett gedruckt. Die Erläuterungen sind kurz und verständlich gehalten. Ebenso ist die Zeittafel aufgebaut. Laut den Herausgebern sollen hier „die wichtigsten Ereignisse zwischen 1933 und 1949“ zusammengefasst werden. Diesem Anspruch wird die fünf Buchseiten umfassende Chronologie durchaus gerecht. Dabei steht das Ereignis meist nicht allein, sondern wird mit einer Ergänzung eingeordnet, zum Beispiel „1935: Mitte März wird die Wehrpflicht wieder eingeführt --- damit brechen die Nazis den Friedensvertrag von Versailles, den die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg mit Deutschland geschlossen hatten“.
„Gestern war noch Krieg“ ist eine gute Möglichkeit, jungen Leser*innen das Thema Zweiter Weltkrieg näher zu bringen. Insbesondere der literarische Zugang ermöglicht die Nutzung im Schulunterricht, auch fächerübergreifend. Die Einordnungen zu Beginn eines jeden Kapitels und die Informationen im Glossar ermöglichen jedoch auch eine unkomplizierte Lektüre im privaten Rahmen. Empfohlen wird die Lektüre laut Verlag ab 10 Jahren. Das Buch ist bei mehreren Landeszentralen für politische Bildung erhältlich oder direkt beim Verlag.
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- 23/09/2020 - 06:54