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„Viele trauen sich nicht, die Dinge anzusprechen.“

Von Lucas Frings

Die Broschüre „Viele trauen sich nicht, die Dinge anzusprechen“ von 2013 fokussiert das Leben von Potsdamer*innen, die Alltagsrassismus erleben. In zehn Interviews berichten sie über Erfahrungen, die sie in der Stadt gemacht haben.

Einige der Interviewten betonen, dass sie gerne in Potsdam leben und sie sich im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre sicherer fühlen. Dennoch können sie alle von aktuellen Momenten der Ausgrenzung und Diskriminierung berichten. Dabei greifen sie nur einzelne Erlebnisse heraus, die sie, über andere Rassismuserfahrungen hinaus, besonders getroffen haben. Letztere führen allerdings, wie kleine kontinuierliche Nadelstiche, u.a. zu einem Gefühl der Ausgeschlossenheit, zeitweiser Angst und einer ständigen Achtsamkeit, um möglichen rassistischen Auseinandersetzungen weiträumig aus dem Weg zu gehen. Zu den in der Broschüre geschilderten Erfahrungen gehören strafrechtlich verfolgbare Beleidigungen und Drohungen auf der Straße, von Nachbarn und im Internet, rassistische Polizeikontrollen sowie Anschuldigungen, wie sie weiße Deutsche nicht erleben. Zwei Befragte berichten davon, wie vielen Schwierigkeiten sie sich bei der Eröffnung eines Bankkontos gegenübersahen. Dabei wurden von den Bankmitarbeiter*innen fehlende Sprachkenntnisse oder Dokumente als Hinderungsgrund genannt, obwohl diese keine Voraussetzung darstellen dürften. Andere, wie Herr I., berichten von Unterstellungen und Misstrauen, die wohl auf Stereotype zurückzuführen sind. Zugesagte Gelder für Projekte wurden seiner Initiative nicht direkt ausbezahlt, sondern von den Geldgeber*innen umgeleitet und direkt für die benötigten Anschaffungen verwandt. 

Angriffe und Diskriminierungserfahrungen können zum Teil in psychischen Schwierigkeiten resultieren, etwa bei Aussichtslosigkeit bei der Arbeitssuche oder jahrzehntelang unsicherem Aufenthaltsstatus. Darüber hinaus habe auch die fehlende Benennung und Anerkennung von Übergriffen als rassistisch, das Herunterspielen eines politischen Hintergrunds und eine ausbleibende (strafrechtliche) Aufarbeitung direkte Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Betroffenen allgemein und – für diese Broschüre – in der Stadt Potsdam. 

Auf die Interviews folgt ein kurzer Text, wie Antidiskriminierungsarbeit als Gewaltprävention dienen können, Alltagsrassismus dürfe nicht hinter offen sichtbarer rassistischer Gewalt unsichtbar werden. Dabei gehen die Autor*innen auch darauf ein, dass es Betroffenen schwer fallen kann, auf eine subtile Diskriminierung wie Blicke oder unfreundliches Verhalten zu reagieren oder Nicht-Betroffenen diese Ausgrenzung verständlich zu machen.

Zum Abschluss bietet die Broschüre einen Überblick über Kontakt- und Beratungsstellen – Antidiskriminierungsberatungsstellen, Migrant*innenorganisationen, Gewaltopferberatungsstellen, Migrations- und Flüchtlingsberatungen –in Potsdam, die mit einer Ausnahme auch heute bestehen.

Mit ihren sehr persönlichen Schilderungen geben die Interviewten einen Einblick in alltägliche Erfahrungen und besondere Diskriminierungen. Dieser kann einerseits für Nicht-Betroffene einen Perspektivwechsel eröffnen, bietet aber auch anderen Betroffenen von Rassismus die Möglichkeit ihre individuellen Erfahrungen einzuordnen.

Die Broschüre steht auf der Webseite der Opferperspektive zum Download.

 

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