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Kolonialismus-Debatte

Zimmermann, Olaf/ Geißler,Theo: Kolonialismus-Debatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen (Aus Politik & Kultur 17),Berlin 2019.

Von Lucas Frings

Im Format „Aus Politik & Kultur“ versammeln Olaf Zimmermann und Theo Geißler seit 2018 Beiträge der gleichnamigen Zeitung des Deutschen Kulturrates, zu monothematischen Bänden. Ein knappes Jahr vor der geplanten Eröffnung des Humboldt-Forum erschien im Oktober 2019 Ausgabe 17 „Kolonialismus-Debatte: Bestandsaufnahme und Konsequenzen. Die 59 Zeitungsbeiträge, zwischen 2016 und 2019 in „Politik & Kultur“ erschienen, widmen sich der Geschichte und den Nachwirkungen des Kolonialismus sowie der Rolle der Museen, insbesondere des Humboldt-Forums (dazu auch Ingolf Seidels Beitrag in diesem Heft) in dieser Debatte.

Die Texte des ersten Kapitel „Kolonialismus – Postkolonialismus – Dekolonisation“ bestehen überwiegend aus Forderungen und Vorschlägen, wie mit dem kolonialen Erbe insbesondere im Museumskontext umgegangen werden kann. Von mehreren Autor*innen werden dabei eine Einbindung und Einmischung der Zivilgesellschaft, eine Stärkung der Provenienzforschung, eine weltweit zugängliche Datenbank der Objekte samt Provenienz und die Restitution von Kulturgütern gefordert.

Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz bezeichnen dabei die Debatte um Museumsbestände als Katalysator für eine Beendigung kolonialer Tradition durch eine politische und wirtschaftliche Gleichberechtigung afrikanischer Länder. Auch im Bezug auf das Humboldt-Forum gibt es Vorschläge, etwa ein Gedenken an die Opfer des Kolonialismus im Humboldt-Forum in Hermann Parzingers angedachtem Zehn-Punkte-Plan oder Jürgen Zimmerers Idee das Forum, entsprechend des Raubcharakters der Benin-Bronzen, in „Benin-Forum“ umzubenennen. Neben den oft sehr kurzen Texten wirken Gabriele Schulz’ Zusammenfassung der Bundestagsdebatte zu Sammlungsgut, Kirsten Kappert-Gonthers Beitrag zur aktuellen Kolonialismusdebatte oder Brigitte Freiholds Forderung nach einer Bundesstiftung zur Aufarbeitung der Kolonialzeit mit zwei bis vier Seiten schon lang.

Im zweiten Kapitel rücken die Museen in den Blickpunkt. Wiebke Ahrndt und Theresa Brüheim besprechen die 2018 und 2019 erschienen Leitfäden des Deutschen Museumsbunds zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten. Im aktualisierten Leitfaden wurden dabei die Empfehlungen zu Provenienzforschung, Digitalisierung und Zusammenarbeit mit Herkunftsgesellschaften um die Perspektiven von Expert*innen aus letzteren erweitert. Dabei werden die klassischen Museumsaufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln um Rückgabe erweitert, die Verpflichtung bei rechtlich oder ethisch nicht vertretbarer Erwerbungsgeschichte, soweit gewünscht, Sammlungsteile an die Herkunftsgesellschaften zurückzugeben.

Mit der Verbindung von Kolonialismus und christlicher Mission setzt sich das spannend aufgebaute dritte Kapitel auseinander. Auf Texte zur Geschichte dieser wechselseitigen Beziehung folgen Interviews mit den Leitern des Evangelischen und des Berliner Missionswerks und der Leiterin eines ehemaligen Missionskollegs, in denen nach der heutigen Definition von Mission und dem Umgang mit der historischen Verantwortung gefragt wird. In vier weiteren Beiträgen wird das Handeln, die Nachwirkung und ethische Vertretbarkeit von christlicher Mission in China und Tansania diskutiert, allerdings nur in einem Text wirklich kritisch kommentiert. In vielen Texten bereits zuvor implizit und explizit verhandelt, widmet sich das vierte Kapitel ausschließlich dem „Ringen um das Humboldt Forum“. Unter anderem mit dem ehemaligen Direktor des British Museum Neil MacGregor, Kulturstaatsministerin Monika Grütters und dem Chefkurator der Berlin-Ausstellung im Humboldt-Forum Paul Spies kommen an dieser Stelle mehrere Schwergewichte deutscher und internationaler Kulturpolitik zu Wort. Mehrere der Autor*innen sind in die Konzeption des Humboldt-Forums maßgeblich eingebunden, so dass der Blick auf das Großprojekt zuerst deutlich weniger kritisch als in den vorherigen Kapiteln ausfällt. Nichtsdestotrotz weisen im zweiten Teil des Kapitels mehrere Beiträge auf die anfänglich zurückhaltende Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe hin. Zum Schluss der Publikation werden die Vorschläge zum Umgang mit kolonialem Sammlungsgut des Deutschen Kulturrats und der Kultusminister*innen von Bund und Ländern dokumentiert und nebeneinandergestellt, die inhaltlich den Forderungen im ersten Kapitel ähneln.

Die Herausgeber legen mit „Kolonialismus-Debatte. Bestandsaufnahme und Konsequenzen“ eine umfangreiche Vielstimmigkeit von Perspektiven auf Sammlungspraxen und Museumskonzeption vor. Die Veröffentlichung bietet sehr unterschiedlichen Autor*innen eine Plattform, was in der Kontrastierung zum einen die inhaltlichen Argumente vermittelt, zum anderen auch die politischen Standpunkte deutlich macht. Der Raum für geschichts- und kulturpolitische Forderungen aus verschiedenen Disziplinen und Hintergründen im ersten Kapitel wird der Debatte gerecht, deren Sammlung ist eine Stärke des Bandes. Ob zu Kontroversität auch gehört, dass Marc Jongen von der AfD einen kurzen Text schreiben und die Agenda seiner Partei verbreiten kann, darf angezweifelt werden. Wo hingegen auch eine Diskussion gelingt, wie im vierten Kapitel, bietet die Publikation einen weiteren Mehrwert für die Leser*innen. 

 

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