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Wegweiser zur Erinnerung. Informationen für Jugendprojekte in Gedenkstätten der NS-Verfolgung in Deutschland, Polen und Tschechien

Von Lucas Frings

Gedenkstättenfahrten innerhalb Deutschlands, aber auch nach Polen und Tschechien sind „ein wichtiger Baustein der historisch-politischen“ (S.5) Bildung. Vor allem Schulen, aber auch Geschichtsinitiativen, Jugendgruppen vielfältiger Couleur und andere Vereine fahren dabei für mehrere Tage an die Orte von nationalsozialistischen Verbrechen. Will man sich dabei nicht bei den vielfältigen Angeboten von Reiseunternehmen bedienen, bedeutet eine Planung einer solchen Reise für die Anleiter_innen jedoch einen großen Aufwand, der oftmals neben der Lehrtätigkeit oder in der Ehrenamtszeit geleistet wird. Für engagierte Menschen empfiehlt sich der „Wegweiser zur Erinnerung. Informationen für Jugendprojekte in Gedenkstätten der NS-Verfolgung in Deutschland, Polen und Tschechien“. 2013 in Kooperation zwischen Aktion Sühnezeichen Friedensdienste, der Bundeszentrale für politische Bildung, dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk und dem Koordinierungszentrum Deutsch-Tschechischer Jugendaustausch – Tandem herausgegeben, liefert er pädagogische wie praktische Unterstützung bei der Planung und Durchführung von Gedenkstättenfahrten. Darüber hinaus informiert er über die oftmals unabdingbare Förderung und weitere inhaltliche Beratung durch die Herausgeber_innen und andere Einrichtungen und Stiftungen.

Eingangs geben Hanna Huhtasaari und Thomas Heldt einen Überblick über die historische Entwicklung und Aktualität von Gedenkstättenfahrten. Dabei gehe es neben dem Lernen über die Geschichte, auch „um den Umgang mit der Geschichte, um die Entwicklung von Wahrnehmungs-, Urteils- und Handlungskompetenzen“ (S.10). Bei den Fahrten ins Ausland könne man zudem andere Perspektiven und Narrative kennenlernen und so den Nationalsozialismus als Teil europäischer Geschichte verstehen lernen.

Darauffolgend wirft Anne Wanitschek eine Reihe von wichtigen Fragen auf, die sich die Multiplikator_innen bei der Vorbereitung, Durchführung, Auswertung und weiteren Nachbereitung stellen sollten. Insbesondere die Bedeutung einer gründlichen und teilnehmerorientierten Vorbereitung und Begleitung wird hierbei herausgestellt.

Den Hauptteil des Bandes machen die Vorstellungen der Gedenk- und Begegnungsstätten aus. Fünf Orte in Polen, sechs Orte in Deutschland und Theresienstadt und Lidice in Tschechien werden ausführlicher vorgestellt. Neben einem kurzen Überblick über die Geschichte des Ortes werden die Angebote der Gedenkstätte bzw. weiterer Museen und Ausstellungen in der Umgebung vorgestellt. Darunter fällt neben der inhaltlichen Annäherung durch Führungen und Workshops oder der Recherche im Archiv auch die Möglichkeit den Ort durch Erhaltungsarbeiten kennenzulernen und zu unterstützen.

Anhand von Praxisbeispielen zur Programmgestaltung können sich die Leser_innen einen konkreten Eindruck einer Gedenkstättenfahrt an den jeweiligen Ort verschaffen. Während teilweise ein grober Ablauf von bestimmten Programmpunkten gegeben wird, präsentiert der Abschnitt zur Gedenkstätte Buchenwald einen minutiösen Viertagesplan. Auch wenn ein solcher Überblick den wichtigen Hinweis auf die notwendigen Bestandteile einer Fahrt gibt, wäre an diesen Stellen eine pädagogische Erläuterung der Programmreihenfolge oder die genaue Ausgestaltung von Programmpunkten wünschenswert gewesen. Was sich hinter der „Wanderung über die ‚Zeitschneise’ zum Schloss Ettersberg“ verbirgt, erfährt man hier nicht.

Der an solchen Punkten notwendige Zeitaufwand für zusätzliche Recherche wird jedoch durch detaillierte Informationen zur Anreise wieder ausgeglichen.

Der Wegweiser ist nun beinahe sechs Jahre alt. Dadurch führen leider manche Links auf nicht mehr vorhandene Internetseiten, die Ansprechpartner_innen in den Gedenkstätten haben sich geändert und in der Umgebung der Gedenkstätten sind teilweise neue, spannende Lernorte entstanden. Mit ein bisschen zusätzlicher Recherche lässt sich dieses wenig überraschende Manko allerdings leicht ausbügeln. Der Großteil der praktischen Hinweise bleibt aktuell und macht auch neu entstandene Angebote leicht auffindbar.

Vor allem die übersichtliche Sammlung der verschiedenen Orte, die detaillierten Vorschläge zur Programmgestaltung und die Hinweise auf weniger bekannte Gedenkstätten machen die Broschüre zu einer wichtigen Unterstützung bei der Planung und ermöglicht so Gedenkstättenfahrten, die weit über die Angebote von kommerziellen Anbieter_innen hinausgehen. Auch eine Onlinerecherche führt nicht zu einer vergleichbaren Aufbereitung von potentiellen Zielen von Gedenkstättenfahrten, zumal viele Webseiten entweder primär über die Geschichte der Orte oder über Fördermöglichkeiten informieren.

Neben der Möglichkeit, die einzelnen Kapitel auf der Seite von Tandem kostenlos herunterzuladen, ist die Broschüre auch für 4,50€ bei der Bundeszentrale für politische Bildung beziehbar.

 

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