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Aus Politik und Zeitgeschichte: UN und Menschenrechte

Von Frederik Schetter

Im aktuellen politischen Diskurs um die Aufnahme von geflüchteten Personen, Obergrenzen und innerer Sicherheit ist die Frage, wie Menschenrechte auf nationaler und internationaler Ebene geschützt werden können, fast in Vergessenheit geraten. Als Forum für einen internationalen Menschenrechtsdiskurs nehmen die Vereinten Nationen beim Schutz der universellen Menschenrechte eine zentrale Rolle ein. Die Erhaltung der Menschenrechte zählt darüber hinaus zum zentralen Aufgabenbereich der Weltorganisation; ein System aus Institutionen, Organen, Verträgen und Kontrollmechanismen soll sie gewährleisten. Eine Ausgabe von „Aus Politik und Zeitgeschichte“ (APuZ) aus dem März 2016 sammelt sieben Beiträge zu der Thematik. Die Beiträge analysieren unterschiedliche Aspekte des komplexen Gefüges, ziehen eine historische Bilanz und wagen einen Blick in die Zukunft.

Unterfinanzierung und Überbelastung

Lothar Brock zeichnet in seinem einführenden Beitrag die historische Entwicklung bis zur Gründung der Vereinten Nationen 1945 nach und analysiert die folgenden 70 Jahre der UN. Seine Bilanz fällt durchwachsen bis negativ aus – auch bei der Betrachtung der Menschenrechtslage. Hier bemängelt Brock vor allem, dass Menschenrechte, „wo es um Sicherheit und wirtschaftliche Vorteile geht, […] schnell ins Hintertreffen“ (S. 9) geraten. Er erteilt jedoch jedem, der die UN grundsätzlich in Frage stellt, eine klare Absage: Wenn es die Vereinten Nationen nicht gäbe, müssten „sie heute erfunden werden“ (S. 3), gerade wegen der „beklagenswerten Entwicklungen der Gegenwart“ (ebd.). Vielmehr appelliert er an die Selbstkritik und Reformbereitschaft der Demokratien, welche für ihn sowohl „Teil der Lösung“ (S. 10), als auch „Teil des Problems“ (ebd.) sind.

Den Mechanismen, über welche die Vereinten Nationen zum Schutz der Menschenrechte verfügen, geht Hannah Birkenkötter nach. Sie beleuchtet sowohl die insgesamt neun derzeit existierenden Menschenrechtsverträge als auch die unterschiedlichen Verfahren, mit denen die Einhaltung der Verträge gewährleistet werden soll. So müssen beispielsweise alle Staaten, die einem der neun Verträge beigetreten sind, in regelmäßigen Abständen über die konkrete Umsetzung in ihrem Land berichten. Ein für den jeweiligen Vertrag zuständiger Ausschuss formuliert auf Basis dieser Berichte und unter Berücksichtigung der Beiträge von Nichtregierungsorganisationen Beobachtungen oder Empfehlungen. Wie Birkenkötter stichhaltig herausarbeitet, leiden die Menschenrechtsausschüsse jedoch unter chronischer Unterfinanzierung und Überbelastung. Dies gefährde einen nachhaltigen Schutz von Menschenrechten.

UN-Friedensmissionen – Mittel zum Schutz der Menschenrechte?

Die Frage, in wie weit militärische Mittel dazu beitragen können, die Menschenrechte und den Schutz von Zivilisten zu gewährleisten, bietet immer wieder Anlass für kontroverse politische, wissenschaftliche und gesellschaftliche Diskussionen. In der vorliegenden APuZ-Ausgabe gehen Gerrit Kurtz und Philipp Rotmann in einem lesenswerten Beitrag dieser Frage nach und arbeiten an anschaulichen Beispielen die Komplexität dieses Themas heraus. Die Entwicklung  von robusteren und größeren UN-Friedensmissionen nach dem Scheitern der Einsätze in Ruanda 1994 und Srebrenica 1995 sei trotz positiver Aspekte „kein Allheilmittel“ (S.29). Vielmehr gelte es, auch die negativen Folgen einer UN-Mission nicht aus den Augen zu verlieren. So komme es beispielsweise trotz Reformbemühungen immer wieder zu „sexualisierter Ausbeutung durch Friedenstruppen“ (S. 28). Auch werde die lokale Wirtschaft durch eine große Anzahl von UN-Soldaten_innen und ziviler Mitarbeiter_innen verzerrt. Als „wichtigste Akteure bei der Verhinderung von Gewalt gegen Zivilisten“ sehen Kurtz und Rotmann daher den betroffenen Staat und seine Institutionen.

Weitere Beiträge beschäftigen sich mit ähnlichen Aspekten. Während Beate Wagner in ihrem Text beispielhaft Menschenrechtsverträge wie die 1966 verabschiedeten Zivil- oder Sozialpakte vorstellt, widmet sich Peter Rudolf der Frage, wie Massenverbrechen präventiv verhindert werden können.

Das Menschenrecht Asyl und eine Obergrenze – rechtlich unvereinbar

Besonders hervorzuheben sind die abschließenden zwei Beiträge der Ausgabe: Siba N. Grovogui diskutiert in seinem Essay von einem philosophischen und historischen Standpunkt aus die Frage, ob Menschenrechte ein westliches Konzept seien und arbeitet „Parallelen zwischen den Fortschritten moderner europäischer Gesellschaften […] und jenen kolonisierter Gesellschaften weltweit“ (S. 37) heraus. Hendrik Cremer liefert einen sehr informativen Beitrag zur aktuellen Debatte über das „Menschenrecht Asyl“ (S. 40) und weist nach, dass eine von unterschiedlichen politischen Kräften geforderte Obergrenze bei der Aufnahme von Geflüchteten unvereinbar mit der Genfer Konvention, der UN-Kinderrechtskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention ist.

Zusammenfassung

Die APuZ-Ausgabe „UN und Menschenrechte“ bietet einen anschaulichen und informativen Überblick über unterschiedliche Aspekte der Durchsetzung und Erhaltung von universellen Menschenrechten unter dem Dach der Vereinten Nationen. Sie zeichnet ein sowohl von Errungenschaften als auch von Kritik geprägtes Bild vom aktuellen Zustand der Weltorganisation – und entwickelt Perspektiven, um die Menschenrechtslage zu verbessern.

APuZ 10-11/2016 ist kostenfrei im Onlineshop der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich. 

 

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