Von Anne Lepper

Es ist eines der ganz wenigen zeitgenössischen Filmdokumente, das den spanischen Bürgerkrieg aus der Sicht der republikanischen Kämpfer zeigt. Im Sommer 1937, also inmitten des Bürgerkriegs aufgenommen und produziert, stellt „The Spanish Earh“ daher ein überaus wichtiges und einzigartiges Zeitdokument dar.

Contemporary Historians Inc.

Bereits im Winter 1936, also wenige Monate, nachdem der von führenden Militärs geleitete Putsch in einen Bürgerkrieg zwischen Faschisten und Republikanern gemündet war, gründete sich in New York eine Vereinigung namhafter Literaten und Intellektueller, Contemporary Historians Inc., – darunter Ernest Hemingway, John Dos Passos, Dorothy Parker, Lillian Hellman und Archibald MacLeish – mit dem Ziel, ein Filmprojekt zu initiieren und dieses sowohl finanziell als auch inhaltlich zu fördern. Das von dem niederländischen Regisseur Joris Ivens geleitete Projekt sollte zum einen propagandistischen Zwecken dienen und die republikanische Perspektive auf das Geschehen im Ausland verbreiten, zum anderen sollte durch die Vermarktung des Filmes auch eine materielle Unterstützung der republikanischen Kräfte ermöglicht werden. Daneben verstanden die Initiator/innen des Films ihre Arbeit auch als moralische Unterstützung der Republikaner und dabei insbesondere jener US-amerikanischen Kämpfer, die sich im „Abraham Lincoln Bataillon“ auf republikanischer Seite zusammengeschlossen hatten. 

Drehen im Herzen des Bürgerkriegs 

Bereits im Frühjahr 1937 organisierte der avantgardistische spanische Regisseur Luis Buñuel eine Dreherlaubnis für das Team aus den Vereinigten Staaten, und im Sommer reiste schließlich eine Gruppe um Ivens und Hemingway auf die iberische Halbinsel, um das Projekt zu realisieren. Während Ivens in der Planungsphase in den USA noch die Vorstellung gehabt hatte, eine Art Spielfilm mit vor Ort engagierten Laiendarsteller/innen zu drehen, zeigte sich in Spanien schnell, dass ein solches Projekt sowohl die finanziellen als auch die zeitlichen Kapazitäten bei weitem übersteigen würden. Man entschied sich daher für die Produktion eines recht klassischen Dokumentarfilms, der in sechs eigenständige „Reels“, also Rollen oder Spulen, unterteilt wurde. 

Eine Dokumentation in sechs Teilen 

Jeder „Reel“ behandelt dabei einen unterschiedlichen Aspekt des Bürgerkriegs und spiegelt damit die vielfältigen Facetten des Kampfes, des Lebens und des Sterbens in Zeiten des Krieges wider. Die ersten beiden Teile illustrieren die Gegensätze des Lebens der Zivilbevölkerung auf dem Land und in der Stadt – wobei hier stets der Fokus auf dem umkämpften Madrid liegt – während des Krieges. Zu Beginn des Filmes werden Landarbeiter/innen in einer ländlichen Gegend zwischen Madrid und Valencia gezeigt, die versuchen, durch maximale Erträge nicht nur sich selbst, sondern auch die Bevölkerung Madrids zu versorgen. Im zweiten Teil sieht man schließlich die Straßen Madrids, in denen die Menschen sich bemühen, trotz des Krieges und der dadurch entstandenen Entbehrungen ein möglichst normales Leben zu führen. Man sieht im zweiten Teil jedoch auch , dass der Alltag der Menschen bereits gezeichnet ist von den Kämpfen, den Zerstörungen und Todesfällen. Gezeigt wird auch, wie die ersten Bomben fallen und Menschen, die in langen Schlangen auf die Ausgabe der rationierten Nahrungsmittel warten.

Der dritte Teil dient als Überleitung vom Leben der Zivilbevölkerung zur Organisation des republikanischen Kampfes. Im Rahmen einer Zusammenkunft des Ejército Popular, der Volksarmee, werden wichtige republikanische Funktionäre eingeführt und anhand kurzer Reden vorgestellt. 

Im vierten Teil sind schließlich die Auswirkungen des Krieges unweigerlich zu erkennen. Madrid ist bereits großflächig zerstört, Leichen liegen auf den Straßen und die Menschen – vor allem die Frauen und Kinder – werden dazu aufgefordert, die Stadt zu verlassen. Große Teile der Zivilbevölkerung stellen sich jedoch gegen den Plan einer Evakuierung Madrids und entscheiden sich stattdessen dafür, in der Stadt zu verbleiben. Der Kommentar stellt an dieser Stelle die Frage: „Why did they stay?“ Und beantwortet sie sogleich: „They stayed because this is their city, these are their homes, this is their Fight.“ 

Im darauffolgenden, fünften Teil sieht man schließlich zahlreiche Szenen, in denen sich Freiwillige von ihren Angehörigen verabschieden, bevor sie in den Kampf ziehen. Man sieht auch die Bombardierung durch deutsche Flieger der Legion Condor und die Zerstörungen, die sie in der Stadt und auf dem Land hinterlassen. Der sechste und letzte Teil endet schließlich – anders als der tatsächliche Ausgang des Krieges, der jedoch 1937 noch nicht absehbar war – mit einer erfolgreichen Gegenattacke der republikanischen Kräfte. 

Der künstlerische Aspekt des Films 

„The Spanish Earth“ unterscheidet sich sowohl konzeptuell als auch im vermittelten Pathos grundlegend von anderen propagandistischen Filmen dieser Zeit. Der Kommentar, der in der frühen englischen Ausgabe von Orson Welles, in einer späteren von Ernest Hemingway und in der französischen von Jean Renoir gesprochen wurde, ist spärlich gesetzt und fügt sich in die fast poetisch anmutende Stimmung des Filmes ein. Die Bilder, die Ivens an zahlreichen Stellen mit Musik unterlegt hat, wirken manchmal wie ein Stillleben, das jedoch immer wieder gebrochen wird durch die fallenden Bomben und die weitläufige Zerstörung. 

Der Film, der am 8. Juli 1937 vor Eleanor und Franklin D. Roosevelt uraufgeführt wurde, wurde später insbesondere für seine bemerkenswerte Kameraführung immer wieder gewürdigt. Nach der Vorpremiere im Weißen Haus wurde der Film in Kinos in den USA, aber auch in Spanien gezeigt. Vor einigen Jahren sicherte das renommierte George Eastman Museum durch die Digitalisierung und Aufbereitung des Films dessen Erhaltung, sodass er inzwischen unter anderem auf YouTube in voller Länge zu sehen ist.

 

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