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Wie hättest du reagiert? Ein Planspiel zum Spanischen Bürgerkrieg

   

Von Gerit-Jan Stecker

Bei vielen Schüler/innen ruft das Thema Nationalsozialismus Abwehrreaktionen hervor. Es scheint, als werde eine moralisch ablehnende Haltung von ihnen zu einem Thema erwartet, was mit ihnen doch scheinbar gar nichts zu tun hat. Eine spannende Anregung von Sarah Tolba ist es, anhand des Spanischen Bürgerkriegs einen Zugang zur Geschichte des Faschismus und des Nationalsozialismus herzustellen und die Jugendlichen für diese Themen zu sensibilisieren. Tolba hat 2007 als Lehramtsstudentin für Geschichte eine Hausarbeit vorgelegt, in der sie ein Planspiel zum Kriegsverlauf skizziert. Dieses ist onlineabrufbar.

Planspiele sind problem- bzw. erfahrungsorientierte Methoden, die inner- und außerhalb der Schule eine Abwechslung zum Frontalunterricht bieten und kommunikative sowie soziale Kompetenzen fördern. Ähnlich einem Rollenspiel simulieren die Jugendlichen eine historisch-politische Situation. In ihren verschiedenen Rollen müssen die Teilnehmenden Entscheidungen treffen. Den Stoff können sie sich innerhalb eines grob vorgegeben Rahmens selbst erarbeiten. Die Lehrkräfte und politischen Bildner/innen als Spielleitung stellen Material zur Verfügung und moderieren. Ziel ist es, der gesellschaftlichen Komplexität und der Wechselwirkung vielfältiger historischer Einflussfaktoren nahezukommen und so eine historisch-politische Urteilsfähigkeit zu entwickeln. Die Jugendlichen sollen selbstständig zu der Erkenntnis gelangen, dass Faschismus keine akzeptable politische Position darstellt.

Zum Ablauf

Tolba schlägt zunächst eine kurze Unterrichtseinheit zur Vorgeschichte Spaniens und den Konfliktlinien zu Beginn des 20. Jahrhunderts vor: etwa die Unabhängigkeitsbewegungen der Basken und Katalanen, eine Reihe verlorener Kriege gegen andere Kolonialmächte, die Repressionen gegen die erstarkende Arbeiter/innenbewegung in Katalonien. Im nächsten Schritt erarbeiten sich die Jugendlichen in drei Kleingruppen ihre Rollen: Republikaner/innen, Kommunist/innen und Anarchist/innen. Dafür erhalten sie von der Spielleitung eine Mappe mit einigen Quellen, den Zielen der Nationalen Front unter Franco und einer Zeittafel. Es ist zudem erwünscht, Museen und Bibliotheken zu besuchen. Anschließend präsentieren sie sich gegenseitig die verschiedenen Positionen, die involvierten Akteure und die Entstehungsgeschichte dieser politischen Lager. Sie visualisieren ihre Ziele und die Mittel, mit denen sie diese erreichen wollen (z.B. soziale Revolution vs. Schutz des Privateigentums, regionale Unabhängigkeit vs. zentralistische Regierung). Im Spielverlauf können sich innerhalb der Gruppen verschiedene Strömungen herausbilden, Abspaltungen und Überläufe sollen möglich sein.

Ausgangslage sind die Interessengegensätze soziale Revolution, Unabhängigkeit, Konföderation nationale Einheit, Reorganisation des Staates sowie die basisdemokratische Abschaffung institutionalisierter Hierarchien.

Das Spiel selbst beginnt mit dem Militärputsch Francos. Die einzelnen Parteien sollen überlegen, wie es nun weitergehen soll. Entscheiden sich die Teilnehmenden doch für eine Kooperation mit Franco, kann die Moderation sie mit faschistischen Handlungen zum Handeln zwingen. Die Diskussion könnte sich anhand konkreter Fragen nach Bündnissen, Kompromissen, Krieg und Frieden auch um die grundlegenden Probleme drehen, unter welchen Bedingungen „richtiges“ politisches Handeln möglich ist und ab wann nicht mehr, wann und mit welchen Folgen eigene Ziele und Werte aufgegeben werden können, um Schlimmeres zu verhindern oder vermeintlich Größeres zu erreichen. Die Spielphase schließt mit einer Konferenz ab, in der die Schüler/innen sich für oder gegen eine Einigung aussprechen müssen.

Weitergehend

Sinnvoll scheint es, wenn die Klasse bzw. die Jugendlichen es zulassen, die spannende Planspielidee zu ergänzen. Und zwar mit der Nationalen Front als vierte Gruppe. In der ersten Runde müssten deren politischen Ziele und Werte ebenfalls erarbeitet werden, etwa den Schutz der traditionellen Institutionen wie Familie, der „Leistungseliten“ und der wirtschaftlichen Ordnung, des starken Staates. Das kann die Herausforderungen und damit auch das Reflexionsmoment verstärken, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den anderen politischen Akteuren herauszuarbeiten.

Zudem sollte es von der Spielleitung noch einen Nachtrag geben, wie es tatsächlich in der Franco-Diktatur weiterging. Nicht allein die Ermordung und Verschleppung von Hunderttausenden, sondern auch, dass die faschistische Franco-Diktatur 40 Jahre Bestand hatte und sogar UNO-Mitglied wurde, könnte einen Prozess der tieferen Auseinandersetzung mit Ideologien und der Politik des 20. Jahrhunderts ermöglichen. Die ideologische Kernannahme, dass soziale Verhältnisse – wie etwa Geschlecht und soziale Schicht – naturgegeben seien, sollte diskutiert werden.

Der Bogen zur deutschen Geschichte lässt sich anhand des Erfolgs des Faschismus und Nationalsozialismus schlagen. Deutschland trainierte Truppen und entwickelte seine Taktik des Bombenkriegs gegen die Zivilbevölkerung in Spanien. Die Aggression Deutschlands war offensichtlich. Demgegenüber stand jedoch eine Nichteinmischungspolitik der demokratischen Staaten. Dennoch kann deutlich werden, dass es historische Handlungsmöglichkeiten gegeben hätte, um die Diktatur zu vermeiden. Weiter bieten sich als Diskussionsthemen Widerstand, Geschlechterverhältnisse und Flucht an.

Literatur und Link

 

PDF - Planspiel zum Spanischen Bürgerkrieg

Walther L. Bernecker: Anarchismus und Bürgerkrieg. Zur Geschichte der Sozialen Revolution in Spanien 1936-1939 (2006), Verlag Graswurzelrevolution Nettersheim, 392 S., 24,80 €

Hein Klippert: Planspiele: 10 Spielvorlagen zum sozialen, politischen und methodischen Lernen in Gruppen (2008), Verlagsgruppe Beltz Weinheim, 204 S., 26,90 €

 

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