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Aktuelle Erhebungen zum Minderheitenschutz in Europa

Von Nadja Grintzewitsch

Schätzungsweise jede zweite LGBT-Person in der Europäischen Union wurde in den Jahren 2011 bzw. 2012 Opfer von Diskriminierung. LGBT-Personen sind Menschen, die sich selbst als lesbisch, schwul (engl. gay), bisexuell oder transgender bzw. transsexuell bezeichnen. Nur die wenigsten Betroffenen meldeten diese Vorfälle der Polizei, da dies ihrer Meinung nach nichts bewirkt hätte und sie zudem homophobe oder transphobe Übergriffe durch Polizistinnen und Polizisten befürchteten.

Dies ergab eine EU-weite Online-Erhebung, die vom 2. April bis zum 15. Juli 2012 von der European Union Agency for Fundamental Rights, abgekürzt FRA, durchgeführt wurde. Insgesamt nahmen an der Untersuchung, die auf Anfrage der Europäischen Kommission zustande kam, 93.079 LGBT-Personen teil.

Je nach Herkunftsland gaben 30% (Niederlande) bis 61% (Litauen) der befragten LGTB-Personen an, in den letzten 12 Monaten vor der Studienerhebung Opfer von Diskriminierung geworden zu sein. Deutschland lag mit 46% nur knapp unter dem EU-Schnitt von 47%. Zudem ergab die Studie, dass überdurchschnittlich viele Trans-Personen Opfer körperlicher Übergriffe wurden.

Online-Publikationen der Fundamental Rights Agency

Die Fundamental Rights Agency wurde im Jahr 2007 gegründet und führte in den vergangenen Jahren mehrere Erhebungen durch, welche die Situation der sogenannten Minderheiten in der Europäischen Union genauer beleuchteten. So wurden Untersuchungen zur Lage der Roma, Gewalt gegen Frauen oder Hasskriminalität gegenüber Jüdinnen und Juden durchgeführt. Zudem bietet die FRA Aufklärungsmaterial zum Thema Menschenrechte, konkret zum Beispiel zur rechtlichen Lage von Geflüchteten an Europas südlichen Seegrenzen oder zur Rechts- und Handlungsfähigkeit von Menschen mit geistigen Behinderungen.

Hilfsmittel für Gesetzesentwürfe auf EU-Ebene

Auch wenn die statistischen Erhebungen nicht immer alle Eigenbezeichnungen umfassen (es fehlen z.B. Intersexuelle oder Jenische), oder teilweise diskutable Formulierungen beinhalten ("Flüchtlinge"), führen sie doch dazu, dass politische Entscheidungstragende einigermaßen verlässliche Quellen haben, um z.B. Gesetzgebungen gegen Diskriminierungen neu zu überdenken. Zwar kann die FRA selbst keine Gesetzesentwürfe formulieren, aber auf Grundlage ihrer geführten Untersuchungen doch konkrete Empfehlungen aussprechen. Diese sind in den Publikationen mit aufgeführt. Über die Frage, welchen Einfluss die Erhebungen und Empfehlungen der FRA tatsächlich auf die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger innerhalb der EU haben, gibt es keine unabhängige Studie. Man kann aber davon ausgehen, dass der Einfluss erheblich ist.

Die Untersuchungen der FRA sind in vielen Sprachen zugänglich, zumindest jedoch auf Englisch. Das sogenannte factsheet liefert zudem auf zwei bis vier Seiten eine Kurzfassung der Ergebnisse in den wichtigsten europäischen Sprachen. Die Publikationen der FRA können nach Sprachen, Erscheinungsdatum, Thema (z.B. Rechte des Kindes), Typ (z.B. factsheet, Handbuch) oder den behandelten Grundrechten (Gleichheit, Freiheit, Menschenwürde) sortiert werden. Zudem sind die Publikationen miteinander verknüpft, sodass bei Aufruf einer bestimmten Untersuchung praktischerweise weitere relevante Suchergebnisse angezeigt werden.

Anwendungsbereiche

Für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bildungsbereich ist es in Hinblick auf verschiedene Arbeitsmethoden möglicherweise wichtig, die Arbeiten der Fundamental Rights Agency zu kennen. Immerhin liefern sie fundierte Hintergrundinformationen zu den unterschiedlichsten Bereichen, die gut innerhalb von Jugendgruppen diskutiert werden können. Auch werden in den Veröffentlichungen Begrifflichkeiten und Abkürzungen, die nicht für jeden sofort verständlich sind, geklärt und definiert. Ein weiterer Vorteil sind auch die Statistiken und Untersuchungsergebnisse zur Situation und Rechtslage bestimmter sogenannter Minderheiten innerhalb der EU, die meist auf dem allerneuesten Stand sind. In manchen Fällen informiert sogar ein kurzes (englischsprachiges) Video über Zustandekommen und Durchführung der Studie oder bringt die wichtigsten Ergebnisse mit Hilfe von Grafiken auf den Punkt. Jugendliche im schulischen und außerschulischen Kontext, die zu den oben genannten Themenbereichen recherchieren möchten oder sollen, finden auf der Seite der FRA jedenfalls sicherlich Antworten. Und auch Lehrkräfte und anderweitig Interessierte sind gut beraten, ab und zu einen Blick in die neuesten Veröffentlichungen zu werfen. 

 

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