Von Anne Lepper

„Das Gute bleibt in Erinnerung, und das Schlechte vergisst man. So sagt man doch... Aber ich vergesse auch nicht das Schlechte. Nein, ich vergesse es nicht.“

Diese Worte sagt Mordechai Ciechanower als er, fast siebzig Jahre später, noch einmal neben der Baracke in Auschwitz-Birkenau steht, in der er einst untergebracht war. Er kann und will nicht vergessen, was er hier gesehen und erlebt hat. Denn für ihn ist die Erinnerung und das Reden darüber die Erfüllung eines Testaments. Des Testaments derer, die den nationalsozialistischen Terror nicht überlebt haben und denen er versprach, sie nicht zu vergessen. Zu ihnen gehören auch Ciechanowers Mutter und seine beiden Schwestern, die unmittelbar nach ihrer Ankunft in Birkenau in den Gaskammern ermordet wurden.

Eine Reise auf den Spuren der Erinnerung

Der Filmemacher Johannes Kuhn hat sich gemeinsam mit Mordechai Ciechanower auf eine Reise in dessen Vergangenheit gemacht. Diese Reise, die zwischenzeitlich zu einer von den Nationalsozialisten betriebenen Odyssee wurde, führte den Protagonisten aus einer Kleinstadt in Polen über das Deutsche Reich nach Israel, wo er schließlich eine neue Heimat fand. Unterwegs passierte er Ghettos und Lager, war an dem Punkt nicht mehr weiterzukönnen, machte doch weiter, irgendwie. In dem Film erzählt Ciechanower sehr offen über alles was er erlebt hat und die damit verbundenen Gefühle. Er beschreibt seine unbeschwerte Kindheit im jüdischen Schtetl von Maków Mazowiecki, den Umzug in das Ghetto von Maków, seine Deportation nach Auschwitz, das Trauma des Verlustes seiner Familie und die endlose Zeit bis zur Befreiung durch die Alliierten, die er schließlich in Bergen-Belsen erlebte.
Viele bitteren Geschichten pflastern den Weg, den Ciechanower im Film gemeinsam mit Kuhn noch einmal geht – und doch hat der nun 89-jährige seinen Witz und seine Herzlichkeit nicht verloren. Davon lebt auch der Film, der auf einfühlsame Weise die Geschichte eines Einzelnen erzählt und dabei deutlich macht, dass Millionen andere ähnliches erleiden mussten. Da bräuchte es eigentlich gar nicht die „Expert/innen“, die an den verschiedenen Stationen im Gespräch mit Ciechanower von der Geschichte des jeweiligen Ortes berichten. Diese Gespräche erscheinen manchmal etwas holprig, schließlich erzählen die Wissenschaftler/innen ihrem Gegenüber oft Dinge, die er – als ehemaliger Gefangener – ohnehin weiß. Doch Ciechanower folgt geduldig und interessiert den Ausführungen seiner Gesprächspartner/innen und verbindet diese mit seinen eigenen, ganz persönlichen Erinnerungen. Das macht den Film zu einem sehr persönlichen und aufrichtigen Zeugnis eines Überlebenden, der es sich zur Aufgabe gemacht hat nicht zu vergessen und doch stets nach vorne zu blicken.

„Der Dachdecker von Birkenau“

Der Film, der seit Januar 2014 durch ausgewählte Kinos in Deutschland tourt und im November in Anwesenheit von Mordechai Ciechanower erstmals in Israel gezeigt werden wird, soll bald auch auf DVD erhältlich sein. Informationen dazu und weitere Vorstellungen des Films in Deutschland – unter anderem im Berliner Eiszeit-Kino am 15.November 2014 – finden sich auf der Homepage des Films.
Für weitere Anfragen und DVD-Bestellungen können sich Interessierte auch direkt an den Filmemacher wenden. Der Film, der vorwiegend in polnisch, deutsch und jiddisch gedreht wurde, wurde inzwischen durch Untertitel in polnisch, deutsch, englisch, hebräisch und französisch ergänzt.

 

 

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