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Realität Einwanderung. Kommunale Möglichkeiten der Teilhabe, gegen Diskriminierung.

Der in der Reihe „Crashkurs Kommune“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung herausgegebene Band „Realität Einwanderung“ setzt sich mit den Möglichkeiten und Grenzen linker Lokalpolitik in Bezug auf Einwanderung, Asylpolitik und Möglichkeiten der Teilhabe auseinander.

 

Von Anne Lepper

Welche Möglichkeiten haben Mandatsträger/innen und lokal engagierte Menschen, auf kommunaler Ebene nachhaltige rassismuskritische Arbeit zu leisten? Mit diesem Thema beschäftigt sich die Publikation „Realität Einwanderung“ von den Autor/innen Koray Yilmaz-Günay und Freya-Maria Klinger, die in der Publikationsreihe „Crashkurs Kommune“ der Rosa-Luxemburg-Stiftung erschienen ist.
Ziel der Publikation ist es, auf der Basis einer grundsätzlichen Anerkennung der deutschen Gesellschaft als Einwanderungsgesellschaft, auf lokaler Ebene Strukturen zu schaffen, die die aktive Teilhabe aller Mitglieder der Gesellschaft ermöglichen. Partizipation wird dabei nicht eindimensional verstanden, sondern umfasst alle Bereiche des gesellschaftlichen, politischen, sozialen und ökonomischen Lebens. Um dies zu erreichen, so die Autor/innen, muss zunächst das vorherrschende Verständnis von Integration und der Begriff Integration an sich überdacht werden. Denn gleichberechtigte Partizipation als Grundlage und -verständnis jedes demokratischen Denkens und Handels bedeutet eben auch, gemeinsam das Zusammenleben in einer Gesellschaft zu definieren, statt einem Teil der Bevölkerung einen Verhaltenskodex zu diktieren.

Exkurs: Was bedeutet „Deutsch“-Sein und wie funktioniert Rassismus?

Bevor die Autor/innen auf die konkreten Möglichkeiten einer antirassistischen Lokalpolitik eingehen, widmen sie sich zunächst den Strukturen und (deutschen) Verhältnissen, die eine solche Politik überhaupt notwendig machen. Dabei lenken sie den Blick aus zwei verschiedenen Richtungen auf den Rassismus in der deutschen Gesellschaft: Zunächst stellen Yilmaz-Günay und Klinger die Frage danach, was „Deutsch“-Sein aus historischer wie aktueller Perspektive überhaupt bedeutet. Dabei wird deutlich, dass sich in der Mehrheitsgesellschaft „Deutsch“-Sein oftmals nicht nur auf den Besitz der Staatsangehörigkeit bezieht, sondern auch mit anderen vermeintlich deutschen Merkmalen wie der Religionszugehörigkeit, der Hautfarbe und der Sprache verbunden ist. Das „Wir“ der deutschen Mehrheitsgesellschaft stützt sich also auf konstruierte Eigenschaften und Zuschreibungen, die sie von den „Anderen“ abgrenzt und diese zu Störfaktoren in der Gesellschaft macht.
Neben einer Analyse des deutschen Identitätsgefühls in Geschichte und Gegenwart geben die Autor/innen außerdem einen kurzen Einblick in die Geschichte des Rassismus in Deutschland. Der deutsche Rassismus, so die These, der immer auch als Legitimationsideologie dem jeweiligen politischen System diente, durchschritt dabei verschiedenen Phasen: Während im Nationalsozialismus der Rassismus noch auf einer vermeintlichen Unvereinbarkeit der „Rassen“ basierte, ging man in den 1990er- Jahren zu einer „Das Boot ist voll“-Rhetorik über, die dann von der Annahme einer Unvereinbarkeit der „Kulturen“ abgelöst wurde.
Deutsche Asylpolitik
Im zweiten Kapitel des vorliegenden Bandes setzen sich die Autor/innen mit der deutschen Einwanderungspolitik – der gesetzlichen Grundlage, den damit verbundenen Begriffen, Abläufen und Institutionen – auseinander. Den Leser/innen werden Grundlagen und -begriffe des deutschen Asylsystems erläutert, nicht ohne dabei auch auf die konkreten Auswirkungen hinzuweisen, die medizinische Versorgung, Residenzplicht und „Racial Profiling“ für die Betroffenen haben. Parallel dazu werden verschiedene best- und worst-practice Beispiele vorgestellt, die die praktische Umsetzung der Gesetze und zivilgesellschaftliche Interventionen illustrieren.

Partizipation ermöglichen

Das Kapitel geht schließlich der Frage nach, wie linke Kommunalpolitik Möglichkeiten der barrierefreien Teilhabe schaffen und fördern kann. Dabei widmen sich die Autor/innen sowohl der Situation in kommunalen Ämtern und anderen öffentlichen Institutionen als auch dem individuellen Zugang Neuzuziehender zu mehrsprachigen Informationen, umfassender medizinischer Versorgung, kulturellen und Bildungsangeboten, dem öffentlichen Nahverkehr und Gebetshäusern verschiedener Religionen. Ziel der Publikation ist dabei immer die Information über den Ist-Zustand auf der einen und Vorstellung konkreter Interventionsmöglichkeiten auf der anderen Seite. So schlagen die Autor/innen vor, durch die Einrichtung von Migrant/innenbeiräten, die Entwicklung kommunaler Aktionspläne, die Organisation von Sprachkursen, alternativen Unterbringungsmöglichkeiten, Fahrradsammelaktionen, Festen und (Städte-) Partnerschaften den Austausch und die individuellen Partizipationsmöglichkeiten zu fördern.

Fazit

Die vorliegende Publikation bietet einen äußerst handlungsorientierten Einstieg in das Thema linker Kommunalpolitik und Einwanderung. Dabei gelingt den Autor/innen ein gutes Gleichgewicht aus informativer Wissensvermittlung und interventionistischer Handlungsaufforderung. Wenngleich sich der Band in erster Linie an linke Lokalpolitiker/innen richtet, bieten die Inhalte auch anderen engagierten Menschen die Möglichkeit, sich mit linker Kommunalpolitik auseinanderzusetzen. Die vorgestellten Initiativen und Handlungskonzepte geben außerdem eine gute Übersicht über individuelle Ansatzmöglichkeiten und Aktionsrahmen.

Literatur

Klinger, Freya-Maria; Yilmaz-Günay, Koray: Crashkurs Kommune 9: Realität Einwanderung – Kommunale Möglichkeiten der Teilhabe, gegen Diskriminierung. VSA-Verlag, Leipzig, 2014.

 

 

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