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Der Zweite Weltkrieg im Film – Geschichtsvermittlung in der DDR durch DEFA-Produktionen

Von Anne Lepper

Im vereinten Deutschland, in dem Gedenkstätten zu modernen Institutionen geworden sind, Gedenktage fluide eingeführt und abgeschafft werden und Geschichtssendungen à la Guido Knopp das Geschichtsbewusstsein junger Menschen prägen, ist ein regelrechter Wettkampf um die Deutungshoheit und den individuellen Einfluss auf das kulturelle Gedächtnis der Bundesrepublik entstanden. In diesem Ansinnen bemühen sich die verschiedenen institutionellen und nicht-institutionellen Akteur/innen, bestimmte Inhalte und Geschichtsauffassungen zu reproduzieren, ein allgemeines Interesse für Geschichte zu wecken und aktuelle Bezüge herzustellen. Dabei setzen sich bestimmte Auffassungen durch oder werden demontiert, Kontroversen und Konsense geschaffen, Auseinandersetzungen gesucht und fehlende Auseinandersetzungen skandalisiert. Versteht man das kulturelle Gedächtnis als ein Produkt aus diesen Prozessen, bietet es sich gerade in der Geschichtsvermittlung an, einen Blick auf die Entwicklungen im Geschichtsbewusstsein der vergangenen Jahrzehnte zu werfen. Ziel dessen ist es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Deutung von Geschichte durch politische, soziale und wissenschaftliche Interessen und Prozesse der Gegenwart beeinflusst und bestimmt wird. Um dies zu vermitteln lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit anhand von filmischen Dokumenten, die inzwischen selbst zu historischen Artefakten geworden sind. Die Deutsche Film AG (DEFA), die erste deutsche Nachkriegs-Filmgesellschaft, die 1946 durch die Unterstützung der sowjetischen Besatzungsmacht in Potsdam-Babelsberg gegründet wurde, bietet hierfür eine hervorragende Möglichkeit.

Der Zweite Weltkrieg in DEFA- Produktionen

Unter den über 1200 Filmen, die die DEFA bis zu ihrem Verkauf 1992 produzierte, finden sich auch einige, die auf verschiedene Weise den Zweiten Weltkrieg, den Weg in den Krieg und die Erinnerung an diesen in der DDR thematisieren. Während einige Werke das Ziel haben, einen Überblick über die Ursachen des Krieges, den Kriegsverlauf und die Konsequenzen zu liefern, erzählen andere die individuelle Geschichte einzelner Protagonist/innen oder widmen sich auf intensive Weise verschiedenen historischen Ereignissen und Vorgängen.
Das spezielle staatsantifaschistische Selbstverständnis und die prosowjetische Haltung der realsozialistischen DDR spielen dabei natürlich immer eine Rolle, wenngleich die Färbung der Kommentare und der verschiedenen Darstellungen der Geschichte durchaus variiert.

Wege in den Krieg und der Weg des Kriegs

Einen Einblick in die deutsche Geschichte aus der Perspektive der DDR bieten zwei DEFA- Produktionen aus den Jahren 1956 und 1980. Sowohl in der Dokumentation „Du und mancher Kamerad“ als auch in „Im Land der Adler und der Kreuze“ werden jene Prozesse nachgezeichnet, die 1914 zum Ersten und 1939 zum Zweiten Weltkrieg führten. Einen relativ technisierten Blick auf die Vorbereitungen des Zweiten Weltkriegs wirft die Produktion „Entwicklungsjahre“ aus dem Jahr 1984. In dem Film von Klaus Alde werden die Entwicklungen in der Kriegsstrategie und der Waffentechnik im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs nachgezeichnet. Der Film „Ein guter Deutscher“ aus dem Jahr 1960 vereint schließlich historisches Filmmaterial aus dem Zweiten Weltkrieg. Beginnend mit dem Überfall auf Polen dokumentiert die Produktion den Weg der Wehrmacht, der 1945 zur militärischen Niederlage und zur deutschen Kapitulation führen musste.

Neben den genannten Dokumentarfilmen befassen sich auch einige Spielfilme mit dem Thema Zweiter Weltkrieg. In der Produktion „Der Fall Gleiwitz“ aus dem Jahr 1961 wurden die Vorgänge vom 31. August 1939, die den Nationalsozialisten einen Grund für den Krieg gegen Polen liefern sollten, anhand von Aussagen des SS-Mannes und SD-Mitarbeiters Alfred Naujocks vor britischen Vernehmungsbehörden und im Nürnberger Prozess rekonstruiert.

Filmrecherche und Filmverleih

Nach der Produktionseinstellung der DEFA wurde die Auswertung des umfangreichen Filmmaterials und der Vertrieb desselben vom Progress Film-Verleih übernommen. Auf der Homepage des Unternehmens finden sich neben Filmbeschreibungen und umfangreichen Recherchemöglichkeiten auch Informationen zu Bestellung und Verleih einzelner Produktionen. Es gibt auf der Seite zudem verschiedene thematische Listen, in denen das vorhandene Filmmaterial themenspezifisch geordnet wurde. Neben Listen zum Ersten Weltkrieg, zum Mauerfall und zu einzelnen Staaten findet sich auch eine Liste mit Filmen, die den Zweiten Weltkrieg thematisieren.

Implementierung in den Unterricht

Die Filme der DEFA geben einen anschaulichen Einblick in Art und Inhalt der Geschichtsvermittlung in der DDR. Sie sind heute selbst historische Dokumente und bieten eine spannende Möglichkeit, sich im Unterricht mit verschiedenen Geschichtsbildern auseinanderzusetzen. Um jedoch dahinterliegende politische Prozesse und gesellschaftliche Entwicklungen nachvollziehen zu können, bedarf es einer inhaltlichen Rahmung des Filmmaterials. Es bietet sich daher an, die einzelnen Filme im Unterricht ausführlich vor- und/oder nachzubereiten.
 

 

 

 

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