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Die Bundesrepublik und ihr Umgang mit dem Nationalsozialismus – ein Artikel von Edgar Wolfrum

Auf internationaler Ebene wird die Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit, insbesondere des Nationalsozialismus, durch die Bundesrepublik Deutschland vielfach positiv bewertet. Sie gilt vielen als hilfreiches Beispiel zum Umgang mit Diktaturen und dessen Integration in aktuelle gesellschaftspolitische Prozesse. Edgar Wolfrum zeichnet in seinem Artikel „Die Anfänge der Bundesrepublik, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die Fernwirkungen für heute“ aus dem Jahr 2009 die Entwicklungen nach, die zu so einem teils verzerrten Bild deutscher Geschichtsaufarbeitung führen konnten.

In dem historischen Teil des Textes wird vor allen Dingen auf die Zeit kurz nach der Befreiung in den 1940er und 1950er Jahren der Bundesrepublik eingegangen. Wolfrum betont, dass Prozesse gegen deutsche Kriegsverbrecher, wie jener 2008 gegen einen mittlerweile 90-jährigen ehemaligen Kompanieführer, zu großen Furoren geführt hätte. Allerdings nicht aufgrund der Konfrontation mit seinen Verbrechen, sondern weil das, was heute als Befreiung bezeichnet wird, zu jener Zeit von einem großen Teil der deutschen Bevölkerung als Niederlage und Erniedrigung empfunden wurde. Als 1995 Deutsche, die vor 1933 geboren wurde, nach ihrem Empfinden zum 08. Mai befragt wurden, so erinnerten sie sich allerdings an eine Befreiung. Für Wolfrum ist dies symptomatisch für den Verlauf, den die Auseinandersetzung mit der Geschichte in Deutschland genommen hat.

Während etwa CDU/CSU und medial die Frankfurter Allgemeine Zeitung sich dagegen verwehrten, den 08. Mai feierlich zu begehen, bedeutete das linksliberale Lager, ihre Bewältigung der Geschichte durch den Prozess der Beschäftigung, der ja erst begann, bereits durchgeführt zu haben. Diese Spaltung im Erinnern und Gedenken bleibt nach Wolfrum in der kollektiven deutschen Auseinandersetzung mit NS und Holocaust fest verankert. Es ist eine Gleichzeitigkeit zu beobachten, die sich sowohl in mittlerweile staatlich genormten Formen des Gedenkens als auch in ihrer individuellen Ausprägung deutlich macht. So ist es gängig, sich an den 08. Mai gleichermaßen an eine Befreiung als auch an eine Niederlage zu erinnern.

Nicht nur die Vorstellung einer Niederlage an sich ist für den Autor jedoch problematisch. Wird in der Niederlage eine Form des nationalistisch angelastet nostalgischen Opfergedenkens recht offensichtlich, so wird im vorliegenden Artikel auch der Begriff der Befreiung kritisch betrachtet. Schließlich verbindet sich der Gedanke von einer Befreiung wiederum mit Opfern, die zuvor ohnmächtig von einem Unrechtsregime erst befreit und damit handlungsfähig gemacht werden müssen. Diese Vorstellung verdeckt allerdings den Aspekt der so großen Teilen freiwilligen Mittäterschaft der deutschen Bevölkerung im NS.

Abschließend werden internationale Gedenkpolitiken beleuchtet und dabei die Aufarbeitung der NS- mit jener der DDR-Vergangenheit Deutschlands in Bezug gesetzt. Schließlich kam der Gedanke, sich mit der anderen deutschen Diktatur auseinanderzusetzen auch mit dem Impuls, Nationalsozialismus und den realsozialistischen Staat gleichzusetzen. Die Entscheidungen bezüglich einer normierten Gedenkpolitik auf politischer Ebene haben, wie anfangs angemerkt, gerade aufgrund der Vorbildfunktion der Bundesrepublik in Sachen Aufarbeitung und Gedenken auch Auswirkungen darauf, wie europaweit mit Geschichte umgegangen wird.

Durch die Kürze und Pointiertheit des Artikels bietet sich dieser Artikel hervorragend für die Reflexion zu deutscher Gedenkpolitik an. Lehrer/innen und Pädagog/innen können wichtige Impulse zur eigenen Auseinandersetzung im schulischen und pädagogischen Alltag finden. In Verbindung mit Unterrichtsmaterialien und Impulsen zur konkreten Arbeit, die sich in unserem vorliegenden Magazin finden lassen, kann so der eigene analytische Blick geschärft werden.

Edgar Wolfrum: Die Anfänge der Bundesrepublik, die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und die Fernwirkungen für heute. 2009. Online verfügbar.

 

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