Handbuch für Erinnern und Gedenken in deutsch-israelischen Jugend- und Schülerbegegnungen
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Von Ingolf Seidel
Gemeinschaftsprojekten zwischen Israel und Deutschland ist in der Regel ein besonderer Charakter immanent, treffen doch hier Menschen aus Gesellschaften aufeinander, die auf der einen Seite die Nachfahren der Opfer deutscher Vernichtungspolitik gegenüber den europäischen Juden repräsentieren, auf der anderen die der Täter und Helferseite. Dieses Spannungsfeld lädt sich im gemeinsamen Erinnern und Gedenken an die Shoah besonders auf, zumal die Bevölkerungen beider Gesellschaften sich durch je spezifische Formen heterogenerer Zusammensetzung auszeichnen. So ist das Geschichtsbild von Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion anders geprägt, als das von ausgewanderten polnischen Juden. Von nicht-jüdischen Minderheiten in Israel, die rund zwanzig Prozent der Bevölkerung ausmachen, einmal abgesehen. In Deutschland stellt sich für Jugendliche aus Familien mit Migrationserfahrung die Frage, wie sie sich zur Geschichte der Mehrheitsbevölkerung stellen, zumal die Positionierung zur Shoah häufig als Messlatte der Integration in die deutsche Gesellschaft genutzt wird.
In dieser komplizierten Gemengelage sind Orientierungshilfen vonnöten, die Pädagog/innen wie Teilnehmer/innen aus beiden Ländern dabei unterstützen, sich einander anzunähern und befähigen Perspektivenwechsel zu vollziehen. ConAct, dass Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer Jugendaustausch hat bereits im Jahr 2008 gemeinsam mit dem Bayerischen Jugendring und der Abteilung für Jugendaustausch der Stadt Jerusalem ein Handbuch für Erinnern und Gedenken in bilateralen Jugendbegegnungen unter dem Titel „Gemeinsam Erinnern – Brücken Bauen. Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Von Mensch zu Mensch“ herausgegeben, welches eine wichtige Orientierungshilfe für Praktiker/innen darstellt. Dieses in Hebräisch und Deutsch zweisprachig abgefasste Handbuch in Form eines A4-Ordners wurde nun in Zusammenarbeit der ursprünglichen Partnerorganisationen überarbeitet und erweitert. Redaktionell beteiligt waren Monika Sailer (Bayer. Jugendring), Christine Mähler (ConAct) und Merav Levy (Stadt Jerusalem), die akademische Begleitung lag bei Dr. Nili Keren (Kibbuzim College of Education).
Das alte und das neue Handbuch gliedern sich in vier Oberkapitel mit den Überschriften „Gemeinsam erinnern“, „Praxisbeispiele zum gemeinsamen Gedenken“, „Materialien“ und „Texte für die Gedenkfeier“. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Ausgaben erschließt sich bereits auf den ersten Blick. Für die Neuauflage wurden weite Teile des Kapitels III in einen zweiten Ordner ausgegliedert. Dazu gehören Materialien zu Shoah-Gedenkorten in Israel und zu Gedenkstätten in Deutschland, inklusive hilfreicher Beschreibungen und Kontaktadressen, die ausführliche Literatur-, Film-, und Internetliste sowie weitere Hinweise und Projektbeschreibungen.
Tiefgreifende Veränderungen hat auch das Kapitel I „Gemeinsam Erinnern“ erfahren. Der Schwerpunkt der Neuerungen liegt auf dem Erinnern und Gedenken in den multikulturellen Gesellschaften Israels und Deutschlands. Bewährte Texten über den pädagogischen Prozess und die Durchführung deutsch-israelischer Gedenkzeremonien wurden nicht nur um den Aspekt der Multikulturalität erweitert, sondern reflektieren die veränderte Realität einer vierten, bald fünften Generation nach dem Zivilisationsbruch. Dazu gekommen ist ein ausführlicher Methodenteil. Insgesamt sieben Methoden geben Anregungen zu einem Erinnern in Vielfalt. Die Autor/innen Tanja Berg, Oren Lallo, Daniel Gaede, Meron Mendel, David Netzer, Elke Gryglewski, Guy Band, Toni Nasser und Miriam Awad sind in der wissenschaftlich und pädagogisch reflektierten Praxis der Bildungsarbeit zu Nationalsozialismus und Shoah verortet. Die in den Methoden aufgegriffenen Themen liegen im Bereich der Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Erinnerungskulturen und sind, bei entsprechender Moderation durch begleitende Pädagog/innen, gut geeignet die Teilnehmer/innen eines Jugendaustauschs zu Perspektivwechseln und Selbstreflexion zu ermuntern.
Eine Teilerweiterung hat auch das Kapitel II mit seinen Praxisbeispielen zum gemeinsamen Gedenken erfahren. Hier werden vier Begegnungsprojekte als eine Art Best Practice präsentiert. Dazu gehören Begegnungen Jugendlicher der Landkreise Würzburg und Mateh Yehuda, des Bezirksjugendwerks der AWO Niederrhein und HanoarHaovedVehalomed, aus der Bundesstadt Bonn und der Regional High School Amakim-Tavor im Kibbuz Mizra /High School in Iksal sowie von Schüler/innen des Nikolaus-von-Weiss-Gymnasiums in Speyer mit solchen der Ginsburg High School/Arlon aus der israelischen Stadt Yavne.
Schlussendlich wurde auch das letzte Kapitel „Texte für die Gedenkfeier“ ergänzt, welches u.a. Zeugenaussagen und Erinnerungen Überlebender, Gedichte, Gebete, literarische Texte und verschiedene Dokumente enthält.
Angesichts der Vielfalt der Texte und des Materials fällt ein abschließendes Urteil über das Handbuch für Erinnern und Gedenken in deutsch-israelischen Jugend- und Schülerbegegnungen leicht: Es setzt Maßstäbe für einen zeitgemäßen Umgang mit der Erinnerung an die Shoah im Jugendaustausch zwischen Deutschland und Israel. Das Handbuch ersetzt nicht den Geschichtsunterricht und folgt auch nicht diesem Anspruch. Es ist ein ausgesprochen gutes Werkzeug, das Pädagog/innen bei der Selbstreflexion unterstützt und Hilfe bei der Vorbereitung von Gedenkveranstaltungen bietet.
Das Handbuch kann bezogen werden über
ConAct - Koordinierungszentrum Deutsch-Israelischer JugendaustauschAltes Rathaus - Markt 26
06886 Lutherstadt Wittenberg
Tel.: 03491 – 42 02-60
E-Mail: info [at] ConAct-org [dot] de
und beim
Bayerischen Landesjugendring Herzog-Heinrich-Straße 780336 München
Tel.: 089.514 58-0
E-Mail: info [at] bjr [dot] de
Website: www.bjr.de
zu folgenden Preisen:
- Für die Jugendarbeit/Jugendhilfe: 25,- €
- Für andere Einrichtungen/Bildungsträger: 45 €
- Ergänzungsmaterialien zum bereits vorhandenen Handbuch: 10,-€
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- 12/03/2014 - 08:20