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Reflexion üben – Sammelband zum Unterrichtsthema Staat und Gewalt

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Content-Author: Ingolf Seidel

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Von Patsy Henze

In ihrem Sammelband „Unterrichtsthema Staat und Gewalt. Kategoriale Zugänge und historische Beispiele“ veranschaulichen die Herausgeber Siegfried Frech und Frank Meier vielfältige Möglichkeiten, die Zusammenhänge und historischen Bewandtnisse von Nationalstaaten und Gewaltanwendung in den schulischen Unterricht und die pädagogische Arbeit zu integrieren. Dabei überschneiden sich in den gesammelten Beiträgen Historiographie und didaktische Herangehensweisen, wodurch der Band auch jenseits der pädagogischen Arbeit von Interesse ist. 

Die Herausgeber sehen ihren Band durchaus einem politischen Auftrag verpflichtet. Als bildungspolitisches Ziel formulieren Frech und Meier, Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, sich in Reflexion zum Thema Gewalt (und Staat) zu üben. Dabei soll keine moralische Wertung suggestiv dargeboten, sondern ein offener Zugang, der eigene Gedankenexperimente und Überlegungen zulässt, geschaffen werden.

Zunächst bereiten die beiden Herausgeber dafür den Begriff der Gewalt in Zusammenhang mit Staat auf. Dabei spielen insbesondere staatsphilosophische Fragestellungen eine Rolle. Philosophiegeschichtlich wird in Kürze abgehandelt, inwiefern zur Zivilisierung der Gesellschaft die Monopolisierung von Gewalt, die Gewaltenteilung und nicht zuletzt eine allgemeine Ausdifferenzierung des Gewaltbegriffs selbst beitrugen. Damit entstehen eigentlich Fragen, die den Staat und Staatsgewalt in Frage stellen – auch in einer parlamentarischen Demokratie wie in der Bundesrepublik. Die kritische Analyse, die hier durchaus versucht wird, verweilt an diesem Punkt jedoch in einer gewissen Unschärfe und widerspricht dem Ansatz, einen offenen Zugang zu ermöglichen. Nach einem Verweis auf den Nationalsozialismus und dessen Aufarbeitung wird Adornos Kritische Theorie in zwei kurzen Sätzen abgehandelt und als ideologisch verbrämte, damit unbrauchbare Herangehensweise beschrieben. Eine Gleichsetzung des Umgangs mit der NS-Vergangenheit in der DDR, welcher als Bodensatz der Entstehung einer rechtsradikaler Jugendbewegung in Ostdeutschland nach der Wende skizziert wird, mit allen dezidiert antifaschistischen Auseinandersetzungen wirkt wenig fundiert und damit selbst einem ideologischen verschrieben.

Nichtsdestotrotz erscheint ihr Verständnis von Gewalt als differenziert und analytisch an vielen Stellen wohl durchdrungen. Damit eröffnen sich für Lehrer/innen und Pädagog/innen in anderen Bereichen vielfältige Ebenen für den Unterricht: Gewalt hat unendlich viele Facetten, ist in jeder historischen Epoche – inklusive der heutigen – ein zentraler Bestandteil menschlichen Zusammenseins. Es bietet sich dementsprechend etwa an, über eine allgemeine Diskussion und selbstständige Erschließung der semantischen Diversität von „Gewalt“ historische Zugänge zu Staat und Gewalt zu versuchen. Darauf aufbauend können historische Epochen, einzelne geschichtliche Fragmente, in welchen Gewalt eine zentrale Rolle spielte, betrachtet werden. Nach Frech und Meier wird dies insbesondere an dem Punkt interessant und in besonders geeigneter Weise für Schüler/innen vermittelbar, sobald den aktuellen gesellschaftlichen Verhältnissen oder aktuelleren zeitgeschichtlichen Ereignissen „der Spiegel vorgehalten“ wird. Damit soll für Jugendliche das teils schwer nachvollziehbare Thema Gewalt und Staat in der Geschichte näher gebracht werden: Vergangene Gräueltaten werden damit in den Bereich des menschlich auch heute noch potentiell möglichen gerückt, womit eine Reflexion im Jetzt gefordert wird. 

Die herausgegebenen Beiträge in dem Sammelband sind in fünf Bereiche eingeteilt. Erstens finden sich drei Texte zur Thematisierung von Gewalt innerhalb der historischen Forschung und in der Geschichtsdidaktik sowie der praktischen Umsetzung im schulischen Unterricht von Karl Metz, Frank Meier und Elfriede Windischbauer. Darauf aufbauend werden fünf Zugänge ermittelt; Zugänge für den/die geneigte/n Geschichtswissenschaftler/in ebenso wie für Lehrer/innen. Eine erste Ebene bildet „Ausnahmerecht und Opfer staatlicher Gewalt“. Elisabeth Erdmann führt mit einem fachdidaktischen und praxisorientierten Zugriff für den Schulunterricht ein, Franka Rößner bietet einen Einblick in Gedenkstätten als Lernorte und mit Wigbert Benz findet sich ein im klassischeren Sinne historischer Text in diesem Themenfeld. Für den zweiten Zugang „Gewalt und soziale Utopien“ erörtert der Herausgeber Frech selbst die Konzeptualisierung eines idealen Gemeinwesens bei Thomas Morus. Gerhard Fritz leitet im dritten Zugang zu „Gewalt und Rechtsprechung“ zu pragmatischeren, juristischen Fragestellungen aus einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive hin. Die folgenden zwei Zugänge beleuchten die Kehrseite von staatlicher Gewalt, die soziale Kämpfe und Bewegungen bedeuten kann. Über „Staatliche Gewalt und nationale Befreiung“ schreibt Dieter Brötel anhand eines Bewegungsvergleichs zwischen Mahatma Ghandi und Ho Chi Minh. Zur Frage nach „Widerstand und Verweigerung im totalitären Staat“ arbeiten schließlich Gerd Willers, Frank Meier und Werner Bundschuh. 

Der Sammelband „Unterrichtsthema Staat und Gewalt“ eignet sich für Lehrkräfte und Pädagog/innen zur Einarbeitung in die Thematik. Insbesondere die Überschneidung historischer und geschichtsdidaktischer Artikel ist eine Qualität des Buches, da hiermit ein direkter Bezug zur jeweiligen Berufspraxis ebenso hergestellt werden kann, wie sich die Analysen auch als Fachartikel für interessierte Historiker/innen eignen. Kleinere analytische Verkürzungen in der Einführung können die vielfältigen Artikel angemessen ausgleichen.

Literatur

Frech, Siegfried/Meier, Frank: Unterrichtsthema Staat und Gewalt. Kategoriale Zugänge und historische Beispiele. Wochenschau Verlag. Schwalbach 2012. 19,80 €. 

 

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