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Leben in der DDR - Die Stasi im Bewusstsein der Bevölkerung

Im Jahr 2009 sorgte eine Befragung unter deutschen Schüler/innen für Aufsehen in der Bildungslandschaft: Folgt man den Ergebnissen der so genannten Schröder-Studie, für die 5000 Oberstufenschüler/innen aus Brandenburg, Berlin, Bayern und NRW befragt wurden, so herrsche unter einem Großteil der Jugendlichen völlige Ahnungslosigkeit in punkto DDR. Um diesem Studienergebnis entgegenzuwirken, entwickelte die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg eine Mappe mit Unterrichtsmaterialien, die sich mit dem Thema „Leben in der DDR“ beschäftigen.

Ziel des Heftes ist es, anhand verschiedener Schwerpunkte den diktatorischen Charakter der DDR herauszuarbeiten. Dabei soll versucht werden, durch eine Kombination aus systemgeschichtlichem Wissen und lebensweltlichen Einblicken die verschiedenen in Konflikt stehenden Geschichtsinterpretationen einzubeziehen und einander anzunähern. So können sich die Schüler/innen das eigene Geschichtswissen durch konkrete Beispiele erfahrbar machen und dadurch eine Vorstellung von den verschiedenen Funktions- und Wirkungsweisen eines autoritären Systems bekommen. Die Unterrichtseinheiten sollen den Jugendlichen also einerseits die Unterdrückungsmechanismen innerhalb der DDR näher bringen und andererseits ein Bewusstsein für individuelle Handlungsspielräume und unterschiedliche Wahrnehmungen vermitteln.

Die drei Schwerpunkte des Heftes bewegen sich dementsprechend nah am alltäglichen Erfahrungshorizont von Jugendlichen innerhalb eines staatlichen Unterdrückungssystems. Neben den Themen „Schule, Jugend, Freizeit“ und „Oppositionsgruppen in der DDR (Beispiel Leipzig)“ behandelt ein Unterrichtsbaustein das „Ministerium für Staatssicherheit“.

Die Stasi im Erfahrungshorizont der Bevölkerung

Im Zentrum des Moduls steht Ulrike Erler-Hammer, eine ehemalige DDR-Bürgerin, die nach einer missglückten Flucht selbst zwei Jahre in einem Stasi-Gefängnis verbrachte. Anhand von umfangreichem Quellenmaterial und persönlichen Schilderungen Erler-Hammers wird ihre persönliche Geschichte versteh- und erlebbar gemacht und die Rolle der Staatssicherheit im alltäglichen Leben von DDR-Bürger/innen verdeutlicht.

Um eine theoretische Einbettung der individuellen Lebensgeschichte Erler-Hammers zu ermöglichen, bietet das Unterrichtsmaterial eine ausführliche Einleitung in das Thema „Stasi“. Dabei werden die verschiedenen historischen Phasen des Ministeriums für Staatssicherheit dargestellt, und herausgearbeitet wie und durch welche Einflüsse sich Struktur und Arbeitsweise der Institution im Laufe der Jahre veränderten. Des Weiteren wird auf die Bedeutung der Einrichtung innerhalb des DDR-Machtapparates eingegangen und es wird beschrieben, wie nach deren Ende mit den verbliebenen Akten umgegangen wurde.

Mithilfe der vorab erhaltenen Informationen können die Schüler/innen schließlich in die Arbeit mit den verschiedenen Quellen einsteigen. Diese bewegen sich nah an der persönlichen Lebensgeschichte Erler-Hammers, die in einigen Interview-Ausschnitten ihre Erfahrungen mit der Institution Stasi beschreibt. Daneben haben die Jugendlichen die Möglichkeit, anhand der Stasi-Akte von Frau Erler-Hammer einen Einblick in den Umgang mit historischen Quellen zu bekommen. Die verschiedenen Quellen illustrieren die Schwierigkeiten, die sich beispielsweise durch die gewählte Sprache oder die Veränderlichkeit von Erinnerung ergeben können.

Die Jugendlichen sind in den einzelnen Arbeitsanweisungen dazu aufgefordert, sich mögliche Denkmuster und Motivationen der einzelnen Protagonist/innen vorzustellen. Daneben bieten mehrere Schaubilder und Diagramme, die von den Schüler/innen selbst interpretiert werden sollen, einen Überblick über das Ausmaß der Überwachung und der Versuche, sich dieser zu entziehen. Am Ende des Moduls steht schließlich die Frage: „War die DDR ein Unrechtsstaat?“ Anhand ihrer neuen Expertise sollen die Jugendlichen diese Frage selbstständig beantworten.

Fazit

Die Autor/innen verweisen in ihrem erläuternden Zusatzmaterial mehrfach auf die Gefahr einer Idealisierung der DDR. Anhaltspunkte dafür sehen sie in aktuellen Trends und Medienprodukten, die häufig mit dem Label „Ostalgie“ versehen werden und ein lupenreines Image der DDR suggerieren. Um diese Vermutung empirisch zu untermauern, werden zahlreiche Statistiken und Umfrageergebnisse angeführt, die Einblick in das vermeintliche (ost)deutsche Kollektivgedächtnis geben sollen. Ziel des Materials soll es deshalb sein, einer möglichen Verklärung entgegenzuwirken und den Charakter der Diktatur hervorzuheben.

Diese Vorgehensweise birgt aber auch die Gefahr, die verwendeten Quellen ausschließlich im eigenen Sinne zu interpretieren. Es empfiehlt sich daher, die Jugendlichen für eine kritische Quellenanalyse zu sensibilisieren. Mögliche Unklarheiten, Zwischentöne und unauflösbare Dissonanzen sollten daher angesprochen und gemeinsam diskutiert werden. Des Weiteren sollte versucht werden, den individuellen Erfahrungshorizont der Teilnehmer/innen und ihrer Familien zu berücksichtigen und ernst zu nehmen.

Die Unterrichtseinheiten eignen sich für Schüler/innen ab Klassenstufe 9. Es empfiehlt sich allerdings, die Geschichte der DDR bereits im Vorfeld im Unterricht zu behandeln, da ein gewisses Maß an systemgeschichtlichem Wissen zur Bearbeitung der einzelnen Arbeitsaufträge vorausgesetzt wird. 

Das Material kann kostenlos als PDF heruntergeladen werden.

 

 

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