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Die jüdischen DPs im Nachkriegsdeutschland

von Patsy Henze

In ihrem Buch „Lebensmut im Wartesaal“ beschäftigen sich Angelika Königseder und Juliane Wetzel mit einer - infolge des Holocaust - vergleichsweise kleinen Gruppe innerhalb der Gesamtheit der DPs (Displaced Persons), nämlich den Juden und Jüdinnen. Diese Gruppe ist jedoch besonders stark geprägt von andauernder Unterdrückung, die sich auch nach 1945 durch anhaltenden Antisemitismus oder Progrome in Polen fortsetzte. Die Arbeit der Autorinnen bezieht sich vor allen Dingen auf DP-Akten des YIVO Instituts in New York, die im Zentrum für Antisemitismusforschung an der Technischen Universität in Berlin archiviert sind.

Befreiung“ und Lebensmut

Die vorliegende Arbeit ist durch eine kritische Betrachtung deutscher Geschichte gekennzeichnet. Insbesondere der bundesdeutsche Umgang mit der eigenen Geschichte in der Nachkriegszeit wie auch bis heute wird nicht nur mit erwähnt sondern als ein bedeutender und einflussreicher Aspekt der Situation von DPs selbst sichtbar gemacht. Vor diesem Hintergrund wird das Material zur Analyse und historischen Darstellung herangezogen, um so einen Einblick in das Leben der Juden und Jüdinnen zu geben, die noch bis 1957 in DP-Lagern lebten.

Die Befreiung der Gefangenen aus den Konzentrations- und Vernichtungslagern durch die Alliierten waren euphorische Ereignisse, die sehnsüchtig erwartet waren. Nichtsdestotrotz konnte sie nicht ohne Widersprüche gefeiert werden. Schließlich starben noch tausende von Menschen in den nächsten Monaten und Jahren an den Misshandlungen und katastrophalen Zuständen während der Haft. Und es sollte nicht für alle Juden und Jüdinnen gleich einen Platz außerhalb dieser Lager geben, wenngleich sie nicht mehr als Konzentrationslager dienten.

Die daraufhin entstehenden DP-Lager, wie im Falle von Bergen-Belsen teils ehemalige KZ-Gelände, zeugten einerseits von der Nachhaltigkeit der antisemitischen Verfolgung des NS. Gleichzeitig waren sie Enklaven jüdischen Lebens, nach Königseder und Wetzel letzte Refugien, letzte Schtetl in Deutschland. Die deutsche Bevölkerung, die durch Kriegsschäden schlechter versorgt war, gab ihren antisemitischen Ressentiments gegenüber den jüdischen DPs nicht selten freien Lauf, wovon zitierte Quellen im vorliegenden Buch zeugen. In dieser nach wie vor unterdrückten Situation schöpften die Juden und Jüdinnen in den DP-Lagern dennoch neuen Lebensmut, pflegten jüdische Traditionen und viele von ihnen sahen diese Lager zwar ambivalent, aber doch als neue Heimat an.

Insbesondere durch Hilfen aus den USA, Palästina und Großbritannien, die wenngleich verzögert, doch nach und nach für die Versorgung der jüdischen DPs sorgen konnten, war es möglich, dass in diese sich mehr und mehr, etwa im Zentralkomitee der befreiten Juden, organisierten und ihre eigenen Interessen vertraten. Die Gründung des Staates Israel sowie die nach und nach erst eintretende Möglichkeit dort hin zu ziehen, war für den Großteil der jüdischen DPs ein entscheidender Faktor, die Bundesrepublik zu verlassen. Zahlreiche Juden und Jüdinnen konnten das aus unterschiedlichen Gründen jedoch nicht, etwa weil sie zu alt oder an den Folgen der Haft in den nationalsozialistischen Lagern litten.

Die Autorinnen ermöglichen mit „Lebensmut im Wartesaal“ einen detaillierten und durch Verwendung von Oral History Quellen anschaulichen und nachvollziehbaren Einblick in die Situation jüdische DPs im Nachkriegsdeutschland. Insbesondere ihre kritische und differenzierte Perspektive bereitet diesen Teil bundesdeutscher Geschichte interessant auf. Das Buch eignet sich vor allen Dingen für Lehrer/innen und Pädagog/innen, um sich einen vertieften Einblick in die Thematik zu verschaffen. Darüber hinaus können einige Zitate aufgrund ihres Oral History Charakters hilfreich in den Unterricht integriert werden, um einen direkteren Zugang für Schüler/innen zu ermöglichen. 

„Lebensmut im Wartesaal. Die jüdischen DPs (Displaced Persons) im Nachkriegsdeutschland.“ ist beim Fischer Verlag für 9,90 € erhältlich. 

 

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